Politik
Das Transfusionsgesetz ist am 7. Juli 1998 in Kraft getreten. Die
Ereignisse um HIV-verunreinigte Blutprodukte Anfang der 80er Jahre
waren 1994 von einem Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages
mit dem Ergebnis aufgearbeitet worden, das Blutspende- und
Transfusionswesen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Damit sollte
ein Beitrag zu mehr Sicherheit und Berechenbarkeit geleistet werden. Die
PZ befragte Regierungsdirektor Friedger von Auer, Leiter des Referats
Blut und Blutprodukte im Bundesgesundheitsministerium, nach den Inhalten
des Gesetzes.
PZ: Der Bundestag hatte sich die Forderung des Untersuchungsausschusses nach
einer gesetzlichen Regelung zu eigen gemacht. Welche Ziele hat das nun geltende
Transfusionsgesetz?
von Auer: Das Transfusionsgesetz, das es erstmals in der Bundesrepublik
Deutschland gibt, verfolgt vor allem das Ziel, Grundsätze und konkrete
Handlungsziele festzulegen, die einen klaren Rahmen für die Blut- und Plasmaspende
bilden und die Blutprodukte sicherer machen. Außerdem wird durch Vorschriften
zur Qualitätssicherung der Standard für die Anwendung von Blutprodukten
verbessert. Hierzu gehört besonders die Verpflichtung zur chargenbezogenen
Dokumentation in den Krankenhäusern und das Verfahren zur Rückverfolgung der
Blutprodukte bei unerwünschten Ereignissen. Außerdem wird gezielt die
Selbstversorgung mit Blut und Plasma gefördert.
PZ: Wie gewährleistet das Gesetz, daß nur gesunde Spender zur Spendeentnahme
zugelassen werden?
von Auer: Zunächst verlangt das Gesetz, daß jede Spendeeinrichtung eine
medizinische Leitung hat. Hierfür müssen ein approbierter Arzt oder eine approbierte
Ärztin zur Verfügung stehen. Diese müssen die erforderliche Sachkunde besitzen,
wie sie von der medizinischen Wissenschaft verlangt wird. Dann stellt das Gesetz
klar, daß die Spender nur freigegeben werden dürfen, wenn ihre Tauglichkeit von
einem Arzt oder einer Ärztin festgestellt worden ist. Darüber hinaus fordert das
Gesetz ausdrücklich, daß alle Spender mindestens auf HIV- und
Hepatitis-Infektionsmarker getestet werden. Weitere Marker können durch
Richtlinien der Bundesärztekammer oder durch Anordnung des
Paul-Ehrlich-Instituts, der zuständigen Bundesoberbehörde, vorgegeben werden.
Schließlich müssen die Entnahme der Spenden und die erforderlichen
Laboruntersuchungen quantifiziert und nach den neuesten Erktenntnissen der
medizinischen Wissenschaft erfolgen.
PZ: Sie haben das Verfahren der Rückverfolgung von Blutprodukten erwähnt.
Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden?
von Auer: Wichtigste Voraussetzung ist, daß die Blutprodukte ordnungsgemäß
dokumentiert werden. Das betrifft nicht nur die Anwendung am Patienten im
Krankenhaus. Das Gesetz verlangt die chargenbezogene Dokumentation auch auf
den verschiedenen Handelsstufen. Deshalb werden in den §§ 35 bis 37 des
Gesetzes die Betriebsverordnungen für die pharmazeutischen Unternehmer, die
Apotheker und die Arzneimittelgroßhändler entsprechend geändert. Eine lückenlose
Dokumentation erleichtert die rasche Rückverfolgung der Produkte erheblich. Die
betroffene pharmazeutische Industrie hat zugesagt, barcodelesbare Klebeetiketten
zur Verfügung zu stellen. Außerdem wäre es ausgesprochen hilfreich, wenn die
dokumentationspflichtigen Produkte entsprechend kenntlich gemacht würden. Im
übrigen schreibt § 19 des Transfusionsgesetzes im einzelnen vor, wie zu verfahren
ist, wenn bei einem Blutspender oder bei einem Patienten, der mit Blutprodukten
behandelt worden ist, der begründete Verdacht besteht, daß eine HIV-Infektion
oder eine andere schwerwiegende Infektion vorliegt.
PZ: Mit welchen Maßnahmen fördert das Gesetz die Selbsversorgung mit Blut und
Plasma?
von Auer: Die Förderung der Selbstversorgung mit Blut und Plasma zur Herstellung
so wichtiger Produkte wie Faktor-VIII-Präparate für Bluter ist eine Forderung der
europäischen Staatengemeinschaft. Deshalb nennt das deutsche Transfusionsgesetz
als eines seiner Ziele die Förderung der Selbstversorgung. Um klare Daten zur
Einschätzung der Selbstversorgung in Deutschland zu erhalten, verlangt das Gesetz,
daß systematisch Daten über den jährlichen Umfang der Gewinnung von Blut und
Plasma, der Herstellung, des Imports und Exports und des Verbrauchs von
Blutprodukten erhoben werden. Vorschriften zur Qualitätssicherung sollen dafür
sorgen, daß Blutprodukte rational und sparsam eingesetzt werden. Darüber hinaus
verpflichtet das Gesetz Bund und Länder, die Aufklärung der Bevölkerung über die
Blut- und Plasmaspende zu fördern. Durch mehr Spender wird auch mehr Blut und
Plasma zur Verfügung gestellt.
PZ: Wie wird das Transfusionsgesetz von den Fachkreisen aufgenommen?
von Auer: Das Gesetz ist ausführlich und gründlich mit den Fachkreisen abgestimmt
worden. Obwohl die Interessenlagen ganz unterschiedlich sind, konnte ein breiter
Konsens herbeigeführt werden. Das Gesetz soll nicht gängeln und die
Handlungsfähigkeit der Betroffenen einschränken. Vielmehr kommt es darauf an,
daß es einen verläßlichen rechtlichen Rahmen bildet, in dem sich das Blutspende-
und Transfusionswesen zum Wohle der Patienten entfalten und weiterentwickeln
kann. Nach allem was ich höre, sieht es so aus, daß das Gesetz diesem Anspruch
genügen wird.
Beitrag der PZ-Redaktion
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