Politik
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Kostenerstattung
beim Bezug von Brillen und Zahnersatz aus anderen Ländern der
Europäischen Union ist für die Bundesrepublik nun doch nicht vom Tisch.
Dafür sorgten die Gesundheitsminister der Länder, die auf ihrer
Jahreskonferenz der Interpretation des Luxemburger Richterspruchs durch
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer einhellig nicht folgen wollen.
Der eigens eingeflogene CSU-Politiker hatte zuvor vergeblich versucht,
seine Länderkollegen auf eine restriktive Auslegung des Urteils
festzulegen.
Statt dessen soll jetzt eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes und der Länder
mögliche Konsequenzen einer Kostenerstattung für Medizinalprodukte und
Behandlungen in anderen Staaten der Europäischen Union durch die deutschen
Krankenkassen prüfen. Bis dahin, so beschieden die Länderminister ihren Bonner
Kollegen einmütig, gebe es keinen Anlaß, gegen Krankenkassen aufsichtsrechtlich
vorzugehen, die dem EuGH-Urteil Folge leisteten. Allerdings verständigten sie sich
intern auf den Rat an die Kassen, nicht für Auslandsleistungen zu werben.
Eine positive Interpretation des Urteils hat sich zwischenzeitlich auch in der SPD
durchgesetzt. Erst nach langem Schweigen hatten Präsidiumsmitglied Rudolf Dreßler
und der sozialdemokratische Europaabgeordnete Willi Rothley öffentlich dafür
plädiert, den Richterspruch nicht in Bausch und Bogen zu verdammen, sondern als
Chance zu begreifen.
Unterdessen sieht Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der
Angestellten-Krankenkassen, in dem EuGH-Urteil auch Optionen für die deutschen
Krankenkassen. Es könne durchaus sinnvoll sein, ausländische Kostenvorteile bei
Zahnersatz und Hilfsmitteln durch Verträge über den Einkauf zu ausländischen
Preisen zu sichern. Andernfalls orientierten sich die dortigen Leistungsanbieter sehr
schnell am deutschen Preisniveau. Zugleich könnten die Versicherten auf
preisgünstige und qualitätsgesicherte Versorgungsalternativen hingewiesen werden.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn
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