Politik
Auf die Gefahren, die für Verbraucher mit dem Arzneimittelkauf per
Internet verbunden sind, hat der Präsident des Zusammenschlusses der
Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU), Dr. Giacomo Leopardi, auf
der Generalversammlung der Organisation jetzt in Rom hingewiesen. Der
Verkauf von rezeptpflichtigen Präparaten ohne ärztliche Verordnung sei
zwar in ganz Europa illegal, die Bestimmungen könnten aber in
besorgniserregendem Maß per Internet umgangen werden. Auch die
Risiken des Bezuges von OTC-Arzneimitteln via Internet dürften nicht
unterschätzt werden, weil es hier zu keiner Beratung kommen könne.
Leopardi berichtete, daß auch die Ärzteschaft auf europäischer Ebene für die
Sorgen der Apotheker sensibilisiert werden konnte. Schließlich könne der
unkontrollierte Gebrauch von Arzneimitteln die erwünschte Wirkung von
Medikamenten konterkarieren. Für OTC-Produkte müsse die Apotheke auch
künftig der einzige Absatzkanal bleiben.
Der ZAEU-Präsident hob hervor, daß Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer
den Kontakt zwischen Patienten und Apothekern als elementaren Bestandteil der
Therapie ansieht. Da im Gegensatz dazu EU-Kommissar Martin Bangemann die
Pharmazie als Hindernis für die freie Marktwirtschaft ansieht, sollten die Apotheker
mit einer "Woche der Pharmazie" im Jahr 1999 ein Zeichen setzen. Das Plenum
konnte dem Vorschlag ihres Präsidenten nicht folgen: die Zeit sei zu kurz, um
öffentlichkeitswirksame Aktionen in ganz Europa zu organisieren. Mit schlecht
geplanten Aktionen könnte die gute Botschaft verloren gehen.
Die vor einem Jahr gewählte Generalsekretärin der ZAEU, Lisette
Tiddens-Engwirda, hat neben einer Reihe interner Informationen die
Mitgliedsorganisationen befragt, welche Informationen und Daten der ZAEU in
Kürze in das Internet eingestellt werden sollen. Die "Pharmaceutical Group of the
European Union" ist unter "
http://www.pgeu.org" zu finden.
Friese stellt ABDA-Konzept vor
"Das pharmazeutische Tun im Rahmen von Pharmaceutical Care hat für die
Gesellschaft einen Nutzen. Das müssen wir der Politik vermitteln." Mit diesem
Credo stellte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese die 1993 formulierten
ABDA-Thesen vor, die mehr als schöne Worte seien. Es handelt sich um
Handlungsanweisungen und Forderungen an Politik und Gesellschaft. Die
Gesellschaft erwarte zu Recht, daß sich die Apothekerschaft um arzneimittelbedingte
Probleme kümmert.
Friese rechnet damit, daß im System zwei Milliarden DM gespart werden könnten,
wenn man einen der Teil arzneimittelbedingten Krankenhauseinweisungen
verhindere. Neben den tragenden Säulen des deutschen Apothekenwesens -
Fremd- und Mehrbesitzverbot und Arzneimittelpreisverordnung - müsse sich die
Standesvertretung für eine zeitgerechte Ausbildung einsetzen, Fort- und
Weiterbildung propagieren und Qualitätssicherungssysteme erstellen. Es gelte, nicht
am, sondern mit dem Arzneimittel zu sparen. Der Mehrwert, den der Bürger mit der
Versorgung und Beratung durch Apotheken erhält, müsse klar herausgehoben
werden. Denn "erst mit dem Apotheker wird das Arzneimittel zur Medizin", so
Friese.
Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Apotheken
Mit einem Symposium zur Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Apotheken fand die
Generalversammlung der ZAEU eine thematische und inhaltliche Abrundung.
Generalsekretärin Lisette Tiddens-Engwirda begann mit einer Standortbestimmung
der Apotheker in Europa, wobei sie auf nationale, kulturelle und wirtschaftliche
Unterschiede in den europäischen Mitgliedsstaaten verwies. Allen Ländern gemein
sei zwar die Ausrichtung des traditionellen Berufsstandes auf den Patienten und die
Pharmazie, doch würden die neuen Herausforderung - das Internet zum Beispiel -
keinesfalls vernachlässigt. Die jüngsten Äußerungen von EU-Kommissar Bangemann
allerdings zeigten, "daß wir noch viel arbeiten müssen, um unseren Standpunkt klar
zu machen".
Le Pen stellt das gesamte System in Frage
Professor Claude Le Pen, Universität Paris Dauphine und Mitarbeiter von
EU-Kommissar Bangemann, stellte in seinem Vortrag das gesamte System der
Arzneimittelversorgung inklusive Distribution in Frage. Eine Konvergenz der
Herstellerabgabepreise in Europa wäre wünschenswert, und die einzelnen
Arzneimittelvertriebswege sollten in Wettbewerb treten. Denkbar wäre auch, daß
die Rolle der Apotheker auf zweitrangige, also OTC-Präparate beschränkt werde,
wenn innovative, hochwirksame Medikamente zum Beispiel in Krankenhäusern
abgegeben würden.
In jedem Falle würden die Apotheker von dem wachsenden Europa "nicht
begünstigt", meint Le Pen. Dies wiederum ist in seinen Augen paradox, weil der
Apotheker immer mehr vom Verbraucher gebraucht wird: als Protagonist der
Gesundheitspflege. Schließlich, so räumt Le Pen in der Diskussion ein, habe sich das
bestehende System - Apotheker als Distributeure - bewährt, man könne aber
trotzdem mal andere Modelle gedanklich durchspielen. Kommentar aus der
deutschen Delegation: "Das ist nichts als Diskutitis."
Ahlgrimm verteidigt das System
"Wir müssen klar machen, daß unsere Distribution effektiver und besser ist für den
Verbraucher und für den Kranken nützlicher als die sogenannten modernen Kanäle",
erklärte Professor Dr. Ernst-Dietrich Ahlgrimm, langjähriger Repräsentant der
ABDA in Brüssel. Teilweise werde mit falschen Zahlen operiert, so auch beim
Bangemannschen Frankfurter Round Table, wo man von einem Distributionsanteil
von Großhandel und Apotheke von 40 Prozent sprach. Die Distributionsrate in
Europa reicht jedoch von 22,7 Prozent in Schweden bis 36,9 Prozent in Spanien.
Der Durchschnitt für alle Mitgliedstaaten errechnet sich auf 30,7 Prozent. Für diese
30,7 Prozent steht nach Ahlgrimms Worten dem Verbraucher Tag und Nacht das
volle Sortiment der Arzneimittel zur Verfügung. Verzögerungen sind eine seltene
Ausnahme.
PZ-Artikel von Gisela Stieve, Rom
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