Politik
Keine Bestimmung der Apothekenbetriebsordnung steht einer
Weiterentwicklung der Apotheke zum Gesundheitszentrum entgegen. Das
betonte BAK-Präsident Dr. Hartmut Schmall in seiner Eröffnungsrede zum
36. Pharmakon am 7. Juni in Meran. Der Bundesrat habe 1994 zwar einer
Änderung der Betriebsordnung zugestimmt, und die Regierung aufgefordert,
zu prüfen, inwieweit die Ordnung von Detailregelungen befreit und auf
Rahmenvorgaben beschränkt werden könne. Bei der Frage, welche
Regelungen einer solchen Entwicklung entgegen stehen, hätte sich der
Länderrat jedoch bedeckt gehalten.
Nach Meinung Schmalls gibt es sicherlich einige Kolleginnen und Kollegen, die in
diesem Zusammenhang an die Abschaffung des Labors denken. Ob sich so Kosten
einsparen und zusätzlich gewonnener Raum und Personal besser nutzen ließen, stellte
er jedoch in Frage. Nur die Kosten für den Unterhalt des Labors entfielen. Die
Grundinvestition für die Einrichtung sei ja schon längst getätigt worden, da die
Apotheke ansonsten gar nicht hätte eröffnet werden dürfen.
Das Labor müsse außerdem immer in Verbindung mit der Rezeptur gesehen
werden. Im Durchschnitt fertige eine Apotheke jährlich rund 1200 Rezepturen allein
zu Lasten der GKV an. Die Abschaffung des Labors bedeute zwangsläufig, daß
diese nicht mehr angefertigt werden dürften, da keine Prüfung der Ausgangsstoffe
mehr möglich sei. Selbst wenn die Ärzte auf die Rezeptur verzichteten, würde sich
die Frage nach der Notwendigkeit eines Labors nicht von selbst lösen, betonte
Schmall. "Wie erklären wir denn unseren Patienten, daß wir nicht 100 g Brennessel-
oder Kamillentee abfüllen dürfen?" Für den BAK-Präsidenten ist es fragwürdig, wie
man seinen Kunden ausschließlich Fertigpräparate empfehlen kann, wenn diese
preiswerter im Supermarkt zu haben sind. "Wir stellen uns ein schlechtes Zeugnis
aus, wenn wir nicht unsere ureigenste Aufgabe, die Arzneimittelversorgung
vollumfänglich wahrnehmen", sagte Schmall.
Apotheker dokumentiert seine analytische Kompetenz
Auch eine Herstellung von Arzneimitteln ohne vorherige Prüfung der
Ausgangssubstanzen hält der BAK-Präsident für inakzeptabel. Die Überprüfung der
Stoffe sei gelebter Verbraucherschutz, und dieser dürfe nicht leichtfertig aufs Spiel
gesetzt werden. Zusätzlich dokumentiere der Apotheker mit der Prüfung auch seine
naturwissenschaftliche und analytische Ausbildung. Gerade die sei es, die dem
Pharmazeuten eine vom Arzt differierende Sichtweise über Wirkung und
Eigenschaften der Arzneimittel ermögliche. Gäbe es ferner in deutschen Apotheken
keine Laboratorien mehr, würde auch der vorgeschriebene Anteil der analytischen
Ausbildung in der Approbationsordnung reduziert. Damit geht ein weiteres
Kerngebiet apothekerlicher Kompetenz verloren, so Schmall.
Auch Regelungen, die einzelne Apotheken mit der Belieferung von Rezepturen
beauftragen, die dann ein Labor unterhielten, sei nicht realisierbar. Schließlich müßte
eine flächendeckende Versorgung gewährleistet werden. Die Diskussion über einen
postalischen Versand der Rezepturen verbiete sich von selbst.
Schmall ist der Meinung, daß die Abschaffung des Labors außerdem zu einer
Generaldebatte über die Arzneimittelpreisverordnung führt. Das Preisbildungssystem
basiere schließlich auf einer Mischkalkulation, in der auch die Kosten für die Prüfung
von Arzneimitteln enthalten sind.
Bei der Änderung der Apothekenbetriebsordnung kann sich der BAK-Präsident
jedoch vorstellen, daß einschlägige Anlagen, die die vorrätig zu haltenden
Prüfsubstanzen und geräte beschreiben, entfallen. Der Apotheker sollte lediglich
verpflichtet werden, nur für die tatsächlich anfallenden Prüfungen entsprechende
Geräte und Substanzen bereitzuhalten. Dann muß seiner Meinung nach allerdings
gewährleistet sein, daß bei Bedarf die fehlende Ausstattung kurzfristig beschafft
werden kann.
Nebensortimentsklausel fragwürdig
Ablehnend äußerte sich Schmall gegenüber der Aufgabe einer Positivliste für
apothekenübliche Waren entsprechend § 25 der Apothekenbetriebsordnung.
Standespolitikern würde zwar häufig vorgeworfen, "sie seien ewig von gestern,
hingen an alten Zöpfen und verhinderten notwendige Entwicklungen, die
Gestaltungsspielraum ermöglichen". Im Falle des Nebenssortiments erkenne er
jedoch keinen Fortschritt, wenn dieser durch eine Generalklausel beschrieben
würde. Außer man definiere den Schritt der Apotheke in Richtung drug store. Dieser
sei jedoch weder von Politik noch von den Apothekern gewollt.
Nach Schmalls Meinung erinnert die Klausel an die Quadratur des Kreises:
"Einerseits will der Staat für das apothekenübliche Sortiment den uneingeschränkten
Beibehalt des Status quo, andererseits will er aber eine Klausel, die ihn im
Zweifelsfall davon entbindet, bei Abgrenzungsfragen tätig zu werden." Dieser
schwarze Peter solle dann den Kammern zugeschoben werden. Schmall glaubt, daß
sich die Aufsichtsbehörden der lästigen Querelen um das Erscheinungbild der
Apotheken und ihres Nebensortiments entledigen wollen.
Der BAK-Präsident forderte jeden einzelnen Apotheker auf, durch Einrichtung
seiner Apotheke, durch die Warenpräsentation, durch die Zusammensetzung sowie
den Umfang seines Nebensortiments und durch sein Dienstleistungsangebot, "die
Waage auf der Seite Heilberuf zu belasten". Der Berufstand selbst bestimme,
welches Bild die Gesellschaft von ihm habe.
Beratung schon vor der Arzneimittelverordnung
Beratung und Information bleiben Dreh- und Angelpunkt der apothekerlichen
Tätigkeit. Als fachlich versierter Ansprechpartner trage der Apotheker in der
Selbstmedikation eine ganz besondere Verantwortung. Die zeitsparende Alternative,
Arzneimittel direkt zu erwerben, wird für Patienten interessanter, sagte der
Präsident. "Unser Vorteil gegenüber Anbietern von Dumpingpreismedikamenten ist
und bleibt die Sachkompetenz, und die müssen wir aktiv einbringen." Dieses
Know-how sei aber gleichermaßen auch bei der Verordnung einzubringen. Die
Hamburger Asthmastudie zeige sehr deutlich, wie wichtig der Apotheker als
Therapiebegleiter sei. Die Kooperation mit dem Arzt müsse jedoch schon vor der
Behandlung durch den Arzt einsetzten.
Hier sei jedoch gegenüber den Ärzten noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Das
könnte beispielsweise durch Verordnungsanalysen geschehen. "Wenn wir den
Ärzten nicht sparen helfen, werden es andere tun", betonte Schmall. Er erinnerte in
diesem Zusammenhang an die im SGB V vorgesehenen Möglichkeiten zum
Abschluß von Strukturverträgen. Würden solche Strukturverträge geschlossen, wäre
die Apothekerschaft einmal mehr passiver Erfüllungsgehilfe, dessen Tätigkeit sich auf
die Abgabe von verordneten Arzneimitteln beschränke.
PZ-Artikel von Ulrich Brunner, Meran
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