Politik
Rund 200 Teilnehmer
des Meraner Fortbildungskongresses der
Bundesapothekerkammer nahmen am frühen
Mittwochnachmittag die Möglichkeit wahr, sich über
Tendenzen und Gefahren der aktuellen Gesundheitspolitik
durch den BAK-Präsidenten Dr. Hartmut Schmall,
BAK-Vorstandsmitglied Dr. Franz-Joseph Schulte-Löbbert
und den Sprecher der ABDA-Geschäftsführung, Dr.
Johannes Pieck, unterrichten zu lassen.
Mit der Feststellung "das Haus brennt"
leitete Dr. Hermann Vogel, Vizepräsident der
Bundesapothekerkammer, als Moderator die traditionelle
berufspolitische Diskussion während des
BAK-Fortbildungskongresses ein. Mit dem Berliner
Vorstoß, das Apothekengesetz zu ändern, um die
Kompetenzen der Krankenhausapotheken auf Ambulanzen und
Pflegeheime zu erweitern, werde das bisherige System der
sauberen Trennung von stationär und ambulant in Frage
gestellt. Dabei gehe es auch um viel Geld. Vogel
appellierte an jede einzelne Apothekerin und jeden
einzelnen Apotheker, sich aktiv an der augenblicklichen
Diskussion zu beteiligen und in der Öffentlichkeit und
bei der Politik um Zustimmung für den Standpunkt der
Apothekerschaft zu kämpfen. "Sich jetzt passiv
gegenüber der Politik zu verhalten, ist genauso
gefährlich wie Passivrauchen", sagte Vogel.
Leider leisteten sich noch viel zu viele Apotheker den
Luxus des Verdrängens und den Mangel an Sensibilität:
Der Grundsatz der Abgabe des Arzneimittels in der
Apotheke lasse zum Beispiel eine Werbung für die
Zustellung frei Haus nicht zu. Solche Werbung
konterkariere die Bemühungen der ABDA, den Versandhandel
zu verhindern. Des weiteren gefährde Rabattgewährung
die Arzneimittelpreisverordnung und könne nur als
"schnelle Mark ohne Verstand" charakterisiert
werden. Sollte die Arzneimittelpreisverordnung fallen,
existiere auch der freie Heilberuf Apotheker nicht mehr.
Vogel reklamierte deshalb bei der Kollegenschaft mehr
Sensibilität: "Ein Ruck der Solidarität muß jetzt
durch die Kollegenschaft gehen!"
In der Formulierung des Berliner Gesetzentwurfes sieht
Pieck außerdem die Gefahr, daß den Ambulanzen für
wenige Tage das Dispensierrecht eingeräumt werden
könnte. Sollte die Ausweitung der Kompetenzen der
Krankenhausapotheken Wirklichkeit werden, erwartet er
gewaltige Umsatzeinbrüche für die öffentlichen
Apotheken. Auch Pieck interpretiert den Berliner
Gesetzentwurf als Systemveränderung. Er bedeute unter
anderem auch Fremd- und Mehrbesitz im Bereich der
ambulanten Arzneimittelversorgung. Außerdem würde
zwangsläufig das jetzige Preisbildungssystem unter Druck
kommen. Zur Zeit suche man den Konsens mit Industrie und
Großhandel. Auch die Ärzte seien sensibiliert worden.
Außerdem werde die ABDA die Einigung mit den
Krankenhausapothekern und krankenhausversorgenden
Apothekern suchen.
Schulte-Löbbert ging auf das zweites Reizthema
"Versandhandel" ein. Trotz des Verbotes in
Deutschland würde über Internet ein grenzenloser
Versand mit Arzneimitteln unter Mißachtung gesetzlicher
Regeln eröffnet. Testkäufe belegten nachhaltig die
Gesetzesverstöße bei dem Versandhandel über nationale
Grenzen. Arzneimittelsicherheit spiele offensichtlich
keine Rolle mehr. Im Kampf gegen den Versandhandel könne
die Apothekerschaft nicht auf die Hilfe der Krankenkassen
und auch nicht mit der Unterstützung aus Brüssel
rechnen. So schließe die europäische
Versandhandelsrichtlinie den Versand mit Arzneimitteln
nicht ausdrücklich aus und überlasse es den einzelnen
Mitgliedstaaten, ob sie den Arzeimittelversand
innerstaatlich verbieten. In den Forderungen der
Krankenkassen nach dem Versandhandel sieht auch
Schulte-Löbbert den Einstieg in eine Systemveränderung.
Bisher habe sich der Gesetzgeber gegenüber den
Forderungen resistent gezeigt. Allerdings forderte auch
Schulte-Löbbert von der Kollegenschaft mehr
Sensibilität: Rezeptsammelstellen, Heimbelieferungen,
Einzelzustellungen und Praxisbedarflieferungen würden
die Glaubwürdigkeit der ABDA-Forderung nach weiterem
Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln untergraben.
In der anschließenden Diskussion wurde die Auffassung
vertreten, in den eigenen Reihen zunächst Ordnung zu
schaffen. Es gebe keinen Grund mehr, Rezeptsammelstellen
oder Zweigapotheken zu genehmigen. Auch sollten die
Kammern jede Werbeaussage bezüglich der Zustellung von
Arzneimitteln berufgerichtlich verfolgen.
Schmall forderte die Apothekerinnen und Apotheker auf,
die Kooperation mit den Ärzten in den Arbeitskreisen
weiter auszubauen. Er sieht darin den Dreh- und
Angelpunkt bei der Umsetzung der ABDA-Thesen. In diesen
Arbeitskreisen lasse sich unter anderem auch die
Arzneimittelauswahl durch den Apotheker im gegenseitigen
Einvernehmen mit den Ärzten regeln. Schmall begrüßte
es, daß die Pharmazeutische Betreuung nicht mehr auf
Ablehnung bei den Ärzten stoße, sondern, wie begonnene
und durchgeführte Studien zeigen, auf eine Kooperation
mit den Ärzten gebaut werden könne. Bezüglich der
Strukturverträge zwischen Krankenkassen und Ärzten
gemäß der Neuordnungsgesetze sei Wachsamkeit angesagt.
Die Einbindung der Apotheker sei zwar nicht gelungen. Die
Apotheker sollten den Ärzten aber die Beratung anbieten,
sonst würden es andere machen. Schmall zog als Fazit,
daß die ABDA-Thesen aus dem Jahre 1993 nach wie vor
aktuell seien, und forderte alle Kolleginnen und Kollegen
auf, sie umzusetzen.
PZ-Artikel von Hartmut Morck, Meran
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