Politik
In Bayern ist der Wahlkampf zumindest für Apotheker vorüber, in
Deutschland ist er in vollem Gange. Was kommt nach der Bundestagswahl
im September? Politiker aller Couleur vertraten beim Bayerischen
Apothekertag am 25. April in Nördlingen die Positionen ihrer Partei, aber
auch die Standespolitiker sagten deutlich, welche Richtung die Apotheker
mittragen können und welche Entwicklung sie ablehnen. So war dieser
Apothekertag im bayerischen Schwaben geprägt durch den Austausch von
Standpunkten.
Etwa 400 Kolleginnen und Kollegen konnte der Präsident der Bayerischen
Landesapothekerkammer, Dr. Hermann Vogel, begrüßen; darunter eine große Zahl
von Ehrengästen und Vertretern des Staatsministeriums, des Landtages, der
Regierung von Schwaben sowie von den Apothekern nahestehenden Institutionen
und Organisationen. In seiner Rede sparte er nicht mit deutlichen Antworten auf die
politischen Statements; das Auditorium honorierte dies mit Beifall. Daß sich die
Apotheker keineswegs notwendigen Veränderungen entziehen wollen, betonte auch
der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbandes, Gerhard Reichert: Sparen
ja, aber an der richtigen Stelle, hieß sein Appell.
Merkl: Apotheker als Berater
Die Apotheker leisten ihren Beitrag zur Konsolidierung der Krankenversicherung,
stellte Dr. Gerhard Merkl, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, angesichts der
deutlich gesunkenen Arzneimittelausgaben der GKV fest. Die bayerische
Staatsregierung habe sich immer für individuelle Richtgrößen und gegen ein
Globalbudget ausgesprochen. In gleicher Weise wird sie das Versandhandelsverbot
in der 8. AMG-Novelle unterstützen.
Die "höchstpersönliche apothekerliche Leistung" forderte der Staatssekretär
besonders bei der Beratung zu Naturheilmitteln, Schlankheits- und
Nahrungsergänzungsmitteln. Ebenso sei der Apotheker gefragt bei der Abgrenzung
von Lebens- und Arzneimitteln. Den Lebensjahren mehr Qualität zu geben, dazu
könnten die Arzneitherapie und der Apotheker beitragen.
Vogel fordert deutliche Antworten
Klare Aussagen zur Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl forderte Vogel von
den Politikern - und bekam sie teilweise auch. Gesundheitspolitik dürfe nicht allein
Marktmechanismen ausgeliefert werden, sie bedürfe unbedingt der sozialen
Komponente. Und die Politiker sollten nicht vergessen, daß der Mittelstand nach
wie vor Motor der Wirtschaft und Garant für Wohlstand sei. Zu den Reiz- und
Schlagwörtern der letzten Monate reihte Vogel konkrete Fragen: Wie stehe die
Politik zu den Ordnungsprinzipien des Gesundheits- und des Apothekenwesens, zu
Bonusverträgen, die das jahrhundertealte Prinzip sprengen, daß der Arzt keinen
wirtschaftlichen Nutzen an der Verschreibung haben darf, und zu deren
Fokussierung auf Arzneimittel.
Der Kammerpräsident wiederholte die Standpunkte der Apotheker: Die Elemente
des Ordnungssystems können nicht einzeln in Frage gestellt werden, sondern nur
wenn gleichzeitig eine Gesamtalternative geboten werde. Die habe aber bislang noch
niemand vorgelegt. In Strukurverträgen müssen Krankschreibungen und
Krankenhauseinweisungen aufgenommen werden; Vogel lehnte strikt die reine
Konzentrierung der Bonusverträge auf den Arzneimittelbereich ab.
Verbesserungen oder grundlegende Änderungen?
Apothekerfreundlich zeigte sich Wolfgang Zöller, Mitglied des
Bundestagsausschusses für Gesundheit. Die Sicherung von Leistungsfähigkeit und
Finanzierung der GKV sei ein wichtiges Ziel der CSU. Die Kopplung der
Kassenbeiträge an die Grundlohnsumme sei nicht aufrechtzuerhalten; es müsse mehr
Geld ins System fließen, um die Versorgungsqualität zu sichern. Vorfahrt für die
Selbstverwaltung und neues Gleichgewicht von Solidarität und Eigenverantwortung
sind weitere Punkte aus dem Zukunftskonzept der Partei.
Ein klares Nein sagte Zöller zum Dispensierrecht für Ärzte, zu Versandhandel, zur
Lockerung von Fremd- und Mehrbesitz, zur Aufweichung des Systems durch
Umgehung der Apotheke. So erhöhe jede Ausdünnung des Versorgungsauftrages
die Fixkosten der Apotheke. Bonusverträge zu Lasten Dritter seien vom
Gesetzgeber nicht gewollt; ethisch nicht vertretbar sei es, wenn Einsparungen bei den
Verordnungen den Ärzten zufließen.
Ins gleiche Horn stieß der Ausschußvorsitzende Dr. Dieter Thomae von der FDP.
Weg vom Globalbudget, dafür Richtgrößen, keine Rationierung und Altersgrenzen
für medizinisch notwendige Leistungen und natürlich keine Zwei-Klassen-Medizin,
Einbeziehung der Versicherten, keine Positivliste - so einige Schlagworte seines
Statements. Thomae bezeichnete sich als Verfechter der
Arzneimittelpreisverordnung.
Petra Ernstberger von der SPD, ebenfalls Mitglied des Ausschusses, sieht das
Gesundheitswesen - »derzeit ein Selbstbedienungsladen mit ungebremsten
Ausgabenzuwächsen« - am ordnungspolitischen und sozialen Scheideweg. Mit
einem abgestuften Konzept will die SPD ein starkes, solidarisch finanziertes
Gesundheitssystem sichern. Sie sieht derzeit Überfluß im Arzneimittelbereich und bei
der Gerätemedizin, aber Mangel bei der Versorgung chronisch Kranker. Die Partei
setzt unter anderem auf Globalbudget, Positivliste und Senkung der
Patientenzuzahlung. Gleichwohl begrüßte Ernstberger die Anstrengung der
Apotheker zur Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung. Für die
Sozialdemokraten sei "die Apotheke der Vertriebsweg der Wahl".
"Wir wollen Sie als Mitglieder des Heilberufs belassen, nicht als Kaufleute", sagte
auch Theresia Schopper von Bündnis 90/Die Grünen. Für falsch hält ihre Partei die
"Mär von der Kostenexplosion". Schopper, Mitglied des Ausschusses für Sozial-,
Gesundheits- und Familienpolitik des Bayerischen Landtages, nannte die Ziele der
Grünen: Globalbudget - ohne Altersgrenze für medizinische Leistungen - und
Positivliste, Ausbau des Solidarprinzips mit langfristig anzustrebender Einbeziehung
von Selbständigen und Beamten in die GKV, bessere Verzahnung ambulanter und
stationärer Versorgung, Ausbau von Prävention und Aufklärung, Einbeziehung von
Import-Arzneimitteln und ganzheitliche Ausrichtung der Medizin.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler und Hartmut Morck, Nördlingen
© 1997 GOVI-Verlag
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