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Seehofer zeigt sich beeindruckt von den Datender Apothekenrechenzentren

23.03.1998  00:00 Uhr

- Politik

Govi-Verlag

Seehofer zeigt sich beeindruckt von den Daten
der Apothekenrechenzentren

Bei einem Besuch im Apotheken-Rechen-Zentrum (arz) in Darmstadt sowie in der Sitzung des Gesamtvorstandes der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in Eschborn hat sich Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer einen Überblick über die Abrechnungsmodalitäten in den apothekereigenen Rechenzentren verschafft. Sein Eindruck: "Die Apotheker stehen heute an der Spitze einer modernen, fortschrittlichen Bewegung". Der Minister wünschte, daß sich auch die Krankenkassen und Ärzteorganisationen anschickten, zu dieser Spitze aufzuschließen und von dem vorhandenen Datenmaterial Gebrauch zu machen.

Peter Milius, Geschäftsführer des arz Darmstadt, führte den Minister am 17. März durch den Betrieb, um zu erläutern, wie die Rezepte von über 3000 Apotheken aus Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen hier abgerechnet werden. Hochgeschwindigkeits-Belegleser erfassen 1800 Rezepte pro Minute, in der Spitze bis zu 800.000 am Tag und acht Millionen im Monat. Zwei dieser Geräte mit einem Anschaffungswert von je 7,5 Millionen DM stehen in Darmstadt. Erfassen heißt, das Rezept als Bild aufnehmen und anschließend die im Durchschnitt 100 Zeichen pro Rezept lesen. Fehlerhaft ausgefüllte Rezepte müssen "per Hand" am Bildschirm nachbearbeitet werden, wozu eine ganze Schar von Datentypistinnen zur Verfügung steht.

Das standeseigene Unternehmen in Darmstadt rechnet seit 29 Jahren die Rezepte der Apotheken aus den angeschlossenen Bundesländern ab. Inzwischen sind dies 82 Prozent der Apotheken. Das mit modernster Computertechnik und größtem Know-how ermittelte Daten- und Faktenmaterial hat nach Darstellung der arz-Geschäftsführung hohe Aussagekraft.

Im Besprechungsraum des arz erläuterte Bereichsleiter Martin Gernhardt, welcher Datenschatz nach der Bearbeitung der Rezepte vorliegt, wobei er klar stellte: "Unsere Aufgabe ist es, die Rezepte gegenüber den Krankenkassen abzurechnen, nicht aber die Daten, die wir im gleichen Zuge erfaßt haben, auszuwerten oder gar Kontrollfunktionen auszuüben".

Gernhardt demonstrierte, welche Daten vorliegen und mit welchen Filtern Daten unter Qualitäts- und Kostengesichtspunkten dargestellt werden können. So sind unter anderem pro Apotheke Umsatz und Zuzahlungen ersichtlich. Die Verordnungen können beispielsweise nach Festbetrags- oder Indikationsgruppen, aber auch nach verordnenden Ärzten ausgeworfen werden. Die Apotheker könnten mit diesen Daten die Verordnungen des Arztes analysieren. Ebenso könnten sie an Hand der Medikamentenliste eines Patienten auf unerwünschte Wechselwirkungen zwischen einzelnen Medikamenten aufmerksam werden.

Derzeit sind aus Sicht des arz Gespräche zwischen Ärzten und Apothekern über solche Verordnungsanalysen eher Ausnahmeerscheinungen. Die Ärzte befürchteten offenbar, daß die Apotheker die Qualität der Verordnungsgewohnheiten kontrollieren wollten. Wenn allerdings ein Arzt 350 verschiedene Arzneimittel innerhalb eines Monats verordnet, sei dies oft Folge der Besuche unterschiedlicher Pharmareferenten, erklärte Dr. Helmut Wittich, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands. Nur ein Beispiel für den Minister, daß interkollegiale Gespräche zu Fragen der Pharmakotherapie zwischen Ärzten und Apothekern durchaus sinnvoll wären.

Ein Mausklick am Computer zeigt an, wie sich die veranlaßten Leistungen eines Arztes zum Fachgruppendurchschnitt auf Landesebene verhalten. Für Seehofer und die ihn begleitenden Mitarbeiter seines Hauses, Ministerialdirektor Dr. Manfred Zipperer und Dr. Hermann-Josef Pabel, ein Grund mehr, die Apothekerschaft stärker in die Diskussionen um die Qualität der Arzneimittelversorgung einzubinden. "Während sich die Apothekerschaft Anfang der 90er Jahre, als es um die maschinenlesbare Auftragung der Pharmazentralnummer im Rahmen von § 300 SGB V ging, eher als Bremser einer sinnvollen Entwicklung dargestellt hatten, haben sie sich inzwischen an die Spitze einer fortschrittlichen Bewegung gesetzt", so Seehofer.

Warum sind die Krankenkassen an diesen Daten nicht interessiert?, wollte der Minister wissen. Hermann Stefan Keller, Vorsitzender des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz und Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) erklärte, daß die Krankenkassen den Prozentsatz der Apotheken, die über das arz abrechnen als nicht justitiabel und aussagekräftig abgelehnt haben. Darüber hinaus seien sie nicht willens, einen geringfügigen Betrag für die Daten aufzubringen, die schließlich mit erheblichem Investitionsbedarf und Aufwand erhoben worden seien.

Zu Gast im Apothekerhaus in Eschborn


In der Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes dankte der Minister den Apothekern ausdrücklich für den geleisteten Sparbeitrag. Während die Arzneimittelausgaben der GKV 1992 noch 27 Milliarden DM betrugen, konnte der Wert 1996 auf 26,7 und 1997 auf 25,6 Milliarden DM gesenkt werden. Damit seien die Arzneimittelausgaben niedriger als zu seinem Amtsantritt, so Seehofer. Dies könne keine andere Branche vorweisen.

Der Minister zeigte sich beeindruckt von der Bearbeitung der Rezepte. Er sehe keinen Anlaß, an der Einrichtung der Apotheke etwas zu ändern. Er lege Wert darauf, daß auch künftig freiberufliche Existenzen in Deutschland möglich sind. Innerhalb der kommenden acht Wochen will Seehofer Apotheker und Krankenkassen an einen Tisch bringen, um über die Möglichkeiten zu diskutieren, die Apotheker in Strukturverträge nach § 73 SGB V einzubeziehen. Das Datenmaterial sei für die dringend benötigte Gesundheitsberichterstattung geeignet.

ABDA-Präsident Hans Günter Friese fragte den Gast nach seinem gesundheitspolitischen Wahlprogramm. Seehofer: "Ich mache im Wahljahr 1998 keine anderen Aussagen als in Friedenszeiten. Das deutsche Medizinsystem ist Spitze". Der Minister weiter: "Wir wären von allen guten Geistern verlassen, wenn wir dieses System demontieren wollten". Dazu gehört, daß es keinen besseren Arzneimittelfachmann als den Apotheker gibt. Die Nachzulassung werde wie geplant abgewickelt. Und vor allem werde es mit ihm als Gesundheitsminister keine Listenmedizin geben. Als beachtlich bezeichnete Seehofer, daß die SPD in ihrem Wahlprogramm zum Beispiel die Zuzahlungen nicht zurückgenommen hat. Das Spargebot wird nach Seehofers Worten nicht aufgegeben. Mit Sparen allein könne das System aber nicht gerettet werden. Der Minister forderte mehr Eigenverantwortung der Versicherten und schlug erneut vor, den Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung einzufrieren.

"Werfen Sie Ihre Vorteile in die Waagschale", riet er dem Gesamtvorstand. Was heute getan werde, reiche weit bis ins nächste Jahrhundert hinein. Schließlich berge nichts so viel Hoffnung, wie das Arzneimittel und die zu erwartenden Innovationen, gleichzeitig werde nichts so kritisch betrachtet wie der Pharmabereich.

PZ-Artikel von Gisela Stieve, Eschborn/Darmstadt
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