Politik
Der Bundestag
billigte nach dreistündiger kontroverser Debatte mit der
Mehrheit der Koalitionsparteien endgültig das zweite
Neuordnungsgesetz (NOG) für die gesetzliche
Krankenversicherung. Zuvor hatte der parlamentarische
Gesundheitsausschuß kurzfristig noch einige
Änderungsanträge formuliert, die vom Plenum übernommen
wurden.
Präzisiert wurden die Vorschriften über
Richtgrößen. Danach haben Krankenkassenverbände und
Kassenärztliche Vereinigungen künftig im Regelfall
getrennte arztgruppenspezifische Richtgrößen für die
Verordnung von Arzneimitteln sowie Verband- und
Heilmitteln zu vereinbaren. Beide Seiten können aber,
sofern der übereinstimmende Wunsch dazu besteht, auch
gemeinsame Richtgrößen festsetzen. Ausdrücklich
bekräftigt das Gesetz, daß sich die Vertragspartner
unabhängig von der gewählten Variante an den
Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der
Beitragssatzstabilität zu orientieren haben.
Mit dem endgültigen Votum des Bundestages müssen sich
die Krankenkassen darauf einstellen, bei Erhöhungen
ihrer Beitragssätze nach dem 11. März 1997 auch
gleichzeitig ihre Versicherten verstärkt an den
Krankheitskosten zu beteiligen. Ob der Stichtag nach der
jüngsten Erhöhungsrunde der Angestellten-Ersatz- sowie
einiger Orts- und Innungskrankenkassen tatsächlich unter
juristischen Aspekten Bestand haben wird, werden wohl
Gerichte entscheiden. Im übrigen bleibt es bei der von
Medizinerorganisationen und Kassenverbänden kritisierten
Pflicht der Vertragsärzte, Kassenpatienten künftig
über Leistungen und dabei entstandene Kosten zu
informieren.
Der Schlußabstimmung des Bundestages voran ging eine
mehr als dreistündige kontroverse Plenardebatte.
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer verteidigte
dabei die erhöhte Selbstbeteiligung bei Arznei- sowie
Heil- und Hilfsmitteln und bei der stationären
Versorgung als Beitrag der Patienten zu den steigenden
Kosten des medizinischen Fortschritts und der
demographischen Entwicklung. Der FDP-Abgeordnete Dieter
Thomae zeigte sich zufrieden darüber, daß es seiner
Partei gelungen sei, planwirtschaftlichen Elementen im
Gesundheitswesen Einhalt zu gebieten.
Dagegen unterstrichen für die sozialdemokratische
Opposition ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender
Rudolf Dreßler und Gesundheitsexperte Klaus Kirschner
die Absage an den gesundheitspolitischen Kurs der
Regierungskoalition. Beide sprachen von
"Wahlgeschenken an die Lobby der
Leistungsanbieter" und der Preisgabe des
Solidarprinzips in der Krankenversicherung.
PZ-Artikel von Hans Bernhard Henkel, Bonn
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