Politik
Entgegen bisherigen
Ankündigungen sind die letzten Entscheidungen über
Änderungsanträge der Regierungskoalition zum zweiten
Neuordnungsgesetz für die gesetzliche
Krankenversicherung noch nicht gefallen.
"Beratungsbedarf" in der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, so hieß es nach einem
Koalitionsgespräch am vergangenen Dienstag, verzögere
das parlamentarische Prozedere. Die Anträge sind deshalb
auch noch nicht im Detail ausformuliert und von den
Abgeordneten der Regierungsparteien abschließend
gebilligt worden.
Nach vorliegenden Informationen ist vor allem
die bereits im ersten GKV-Neuordnungsgesetz verzögerte
Koppelung von Krankenkassen-Beitragssatzerhöhungen und
Patienten-Selbstbeteiligung umstritten. Teile der Union
wehren sich dagegen und verlangen eine Korrektur.
Erkennbar ist unterdessen, daß sich CDU/CSU und FDP
darauf verständigt haben, das Arzneimittelbudget durch
individuelle arztbezogene Richtgrößen abzulösen.
Kassenärztlichen Vereinigungen und
Krankenkassenverbänden will die Koalition aufgeben,
entsprechende Verträge auf Landesebene abzuschließen.
Ungeklärt ist nach vorliegenden Informationen ein
künftiges Mitspracherecht der pharmazeutischen Industrie
bei Arzneimittel tangierenden Entscheidungen des
Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen. Der
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie zeigte sich
bereits erfreut darüber, daß der Branche hier ein
"qualifiziertes Mitspracherecht" eingeräumt
werde. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller
dementierte prompt.
Die unerwartet langwierigen Beratungen erzwingen
gegenüber der ursprünglichen Initiative von
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer ferner einen
Aufschub bereits terminierter Zuzahlungserhöhungen.
Jetzt soll die Selbstbeteiligung über alle dafür in
Frage kommenden Bereiche hinweg einheitlich erstmals zum
1. Juli 1999 dynamisiert werden. Dafür maßgebender
Indikator ist die Entwicklung der Löhne und Gehälter
der Beschäftigten.
Dem Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen wollen die
Regierungsparteien den Auftrag erteilen, Richtlinien für
die Verordnung häuslicher Krankenpflege zu erlassen. In
den Richtlinien wäre ausdrücklich festzulegen, mit
welchen Zielen die häusliche Krankenpflege vom
Vertragsmediziner zu verordnen ist und in welchem Umfang
er mit den jeweiligen Leistungserbringern
zusammenarbeiten muß.
Gegenüber der ursprünglichen Fassung soll im Gesetz nun
vorgegeben werden, daß die Spitzenverbände der
Krankenkassen mit den maßgeblichen Organisationen der
Erbringer von Leistungen zur ambulanten und stationären
Vorsorge und Rehabilitation auf Bundesebene
Rahmenverträge abschließen. Darin sollen die Ziele und
Inhalte aller Maßnahmen sowie ein Indikationskatalog
ebenso festgelegt werden wie die individuellen
Voraussetzungen für medizinische Vorsorge- und
Rehabilitationskuren. Der Vorrang ambulanter
Therapiemöglichkeiten ist zu beachten.
Verbessert werden soll im zweiten GKV-Neuordnungsgesetz
die Position des ambulanten Operierens. Die
Vertragsparteien sollen dazu gesondert Eingriffe
bestimmen, die vollstationär nur noch erbracht werden
dürfen, wenn die Krankenkasse vor der Aufnahme in das
Krankenhaus die Übernahme der Kosten schriftlich
zugesagt hat. Schließlich sollen die ärztlichen
Leistungen wieder nach einem festen Punktwert vergütet
werden, der vorab zwischen Vertragsärzten und
Krankenkassen zu vereinbaren ist.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn
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