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Schmidts Entwurf in der Kritik

07.02.2005  00:00 Uhr
Prävention

Schmidts Entwurf in der Kritik

von Thomas Bellartz, Berlin

Prävention zählt zu den am häufigsten verwendeten Schlagworten von Gesundheitspolitikern. Das zeigt die Debatte um das Präventionsgesetz, das Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) jetzt in Berlin präsentierte.

Mit dem Präventionsgesetz, das in Parteien, in Ministerien und in den Krankenkassen nicht erst seit dem Amtsantritt der Aachenerin in verschiedensten Varianten gestrickt wird, will die Ministerin nach eigenem Bekunden die gesundheitliche Vorsorge der Deutschen verbessern. Die Resonanz der politischen Gegnerschaft auf die Ankündigung Schmidts war ebenso zwiespältig wie die der Leistungserbringer. Bereits im Sommer 2003 hatten sich Union und Koalition in den Verhandlungen zum GMG auf ein Präventionsgesetz verständigt. In der Folge hatte es häufig Kritik an der schleppenden Umsetzung gegeben. Problematisch erscheint neben der Finanzierung dieser immer wieder betonten »gesamtgesellschaftlichen Aufgabe« die Vernetzung von Angeboten und Leistungen.

»Durch gezielte Prävention und Gesundheitsförderung ist es möglich, die Gesundheit, Lebensqualität, Mobilität und Leistungsfähigkeit nachhaltig zu verbessern und einen großen Teil der sonst erforderlichen Kosten zu vermeiden«, sagte Schmidt in Berlin. Sie glaube fest daran, dass mit einer gezielten Prävention die Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung auf lange Sicht stabilisiert werden könnten. Kurz bevor die Ministerin das Werk vorstellte, hatte das Kabinett im Kanzleramt den Gesetzentwurf beschlossen.

Vorsorgemaßnahmen für Einzelne sollten in Kursen für Bewegung und gesunde Ernährung, Raucherentwöhnung und Rückenschulen bestehen, sagte Schmidt. Angebote solle es aber auch in Kindergärten und Schulen, in Betrieben und im kommunalen Bereich geben. Vorsorge solle die Entstehung chronischer Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf- und Rückenerkrankungen bremsen. Für die Behandlung von Rückenerkrankungen allein müssten die Krankenkassen jährlich rund 3,5 Milliarden Euro ausgeben. Die Kosten durch Arbeitsausfall seien dabei noch nicht mitgerechnet. Durch Vorsorge könnten die Ausgaben möglicherweise um 350 Millionen Euro gesenkt werden. Die Sozialversicherungen sollen nach Schmidts Plänen jährlich mindestens 250 Millionen Euro aufwenden. Davon soll eine »Stiftung Prävention« mit 50 Millionen Euro gemeinsame Projekte und Kampagnen fördern. Je 100 Millionen sollen für individuelle Maßnahmen und Gemeinschaftsangebote aller Sozialversicherungen verwendet werden.

180 Millionen von den Kassen

Die gesetzlichen Krankenkassen sollen 180 Millionen Euro beisteuern. So viel setzten sie bisher schon für Prävention an. Jedoch wurden nach Schmidts Angaben nur 110 Millionen Euro jährlich abgerufen. Als weitere Finanziers sind die Rentenversicherung, Unfallversicherung und Pflegeversicherung vorgesehen. Es gebe auch Gespräche über eine Beteiligung der privaten Krankenkassen. Mit einem regelmäßigen Bericht wolle die Ministerin die Fortschritte bei Prävention und Gesundheitsförderung begleiten. Alle vier Jahre soll über die Sinnhaftigkeit der eingeleiteten Maßnahmen referiert werden. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen missfällt der Entwurf erheblich ­ wohl auch, weil sie am stärksten in die Pflicht genommen werden bei dessen Finanzierung. Der Entwurf greife zentrale Forderungen der Verbände nicht auf, heißt es. Der Gesetzgeber müsse neue Verschiebebahnhöfe vermeiden. Zudem fordern sie eine Offenlegung und Fortschreibung der steuerfinanzierten Prävention und Gesundheitsförderung sowie Selbsthilfeförderung durch Bund, Länder und Gemeinden. Insbesondere die Absage der Bundesagentur für Arbeit sei ein falsches Signal. Überdies müsste die Finanzautonomie der Sozialversicherungsträger erhalten bleiben. Der Gesetzentwurf habe »zahlreiche handwerkliche und inhaltliche Mängel«. Es gebe mehr Bürokratie statt weniger und auch die Verbindung verschiedenster Präventionsebenen gelinge nicht.

Während die Verbände mauern, haben sich einige Krankenkassen zu einem Lob durchgerungen. Dr. Eckart Fiedler, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse (BEK), lobte den Gesetzentwurf, auch wenn es auf der Finanzierungsseite Klärungsbedarf gebe. Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sei es richtig »die Mitverantwortung der Prävention auf weitere Schultern zu legen«.

Neben grundsätzlicher Zustimmung für das Präventionsgesetz, kritisierten die CDU-Gesundheitspolitiker Andreas Storm und Annette Widmann-Mauz den aktuellen Entwurf als »Flickenteppich«. Dieser schaffe es nicht, »unkoordinierte Einzelmaßnahmen zu überwinden und einheitliche Präventionsziele festzulegen«. Die Union kritisierte, dass es im Entwurf zwar Aussagen zur Finanzierung durch die Sozialkassen gebe, aber die finanzielle Beteiligung von Bund und Ländern werde nicht geregelt. Angesichts der »prekären Finanzlage aller Sozialkassen« sei es falsch, den Beitragszahlern neue Lasten aufzubürden.

Überdies bestünden »nach wie vor« juristische Bedenken gegen den Gesetzentwurf. Im Mittelpunkt dieser Fragen stehe die Finanzierung staatlicher Aufgaben aus Beitragsmitteln, Eingriffe in die Selbstverwaltung sowie Verstöße gegen das Stiftungsrecht. Schmidt müsse »nachsitzen« und das Gesetz noch einmal gründlich überarbeiten.

Für die FDP kritisierte Bundestagsabgeordneter Detlef Parr den Gesetzentwurf. Geld aus den Sozialkassen werde in die Verfügungsgewalt von Bund, Ländern und Kommunen geleitet, befürchtet er. Mit einem eigenen Antrag will die FDP klären, wer für die Finanzierung Verantwortung trägt. Prävention sei eine gesellschaftliche Aufgabe, allerdings auch eine individuelle Herausforderung. Top

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