Fortbildungswille ungebrochen |
02.02.2004 00:00 Uhr |
Trotz Beitragssatzsicherungsgesetz und GKV-Modernisierungsgesetz ist der Fortbildungswille der Apothekerinnen und Apotheker ungebrochen. So konnte der Präsident der Bundesapothekerkammer, Johannes M. Metzger, mehr als 1200 Teilnehmer zur Eröffnung der 34. Internationalen Fortbildungswoche in Davos begrüßen – deutlich mehr als im Vorjahr.
Fortbildung sei für die Zukunft des Berufsstandes unverzichtbar und das Pfund, mit dem Apothekerinnen und Apotheker wuchern müssten, stellte Metzger fest. Deutschland stecke in der Krise, deshalb sei jeder aufgefordert, den künftigen Erfolg vorzubereiten. Ein wesentliches Werkzeug sei dabei die fachliche Fortbildung.
Deutschland leide unter einer Vertrauenskrise, stellte Metzger fest. Bei der wirtschaftlichen Gesamtleistung habe „die einstmalige Wirtschaftslokomotive Deutschland den Rückwärtsgang eingelegt“. Die Reformbemühungen der Bundesregierung seien bisher fehlgeschlagen. Die Bevölkerung sei resigniert und glaube nicht mehr an einen dauerhaften Erfolg der Reformen.
Das „Geiz ist geil“-Motto in unserem Lande und der Zwang wegen schrumpfender Nettoeinkommen auf niedrige Preise zu achten, zwinge die Produzenten, ihre Waren im kostengünstigeren Ausland herstellen zu lassen. Dies sei nicht gerade wirtschaftsfördernd. Die Parteien wollen es mit Blick auf die Wahlen allen Recht machen. Zudem fehle ihnen der Mut, den Bürgern die Wahrheit zu sagen und einen grundsätzlichen Sinneswandel einzuleiten. Deutschland ist Mittelmaß geworden, so die Analyse des BAK-Präsidenten.
Angesichts der demographischen Entwicklung und der damit verbundenen Überforderung der Sozialsysteme könne sich Deutschland eine Stagnation nicht länger leisten. In die Bildung zu investieren, sei sicher der richtige Weg in die Zukunft. Allerdings könne man der Regierung nicht trauen: Einerseits habe die SPD in Weimar 2004 zum Jahr der Bildungsoffensive deklariert, andererseits würden die Mittel für Bildung weiter gekürzt. Deutschland liege schon seit Jahren in seinen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung weit unter dem europäischen Durchschnitt.
Ressource Bildung
Natürlich müsse Deutschland sparen. Doch könne hier nicht die einzige zukunftsträchtige Ressource des Landes, die Bildung, im Mittelpunkt stehen. Elite-Universitäten würden nach Metzgers Einschätzung nicht aus dieser Krise führen. Man brauche eine andere Hochschulpolitik. Er schloss sich damit dem Urteil des DFG-Präsidenten Professor, Dr. Ernst Ludwig Winnacker, über die augenblickliche Hochschulpolitik an: Sie sei risikoscheu, bildungsbürokratisch und heuchlerisch. Nur eine breite bessere Finanzierung von Schulen und Hochschulen würde in Deutschland zu mehr Wachstum und Produktivität führen und der älter werdenden Gesellschaft den Wohlstand erhalten.
Die Situation der Pharmazie und damit auch der Apotheken sei ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Lage. Mit der mittelstandsfeindlichen Politik der letzten Jahre seien die Apotheken geschwächt worden. Damit seien Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren gegangen. In dieser Tradition hätten auch die ersten Entwürfe zur Gesundheitsreform gestanden. Die Regierung habe mit einer fehlgeleiteten Deregulierung den Klein- und Mittelbetrieb Apotheke durch ein Oligopol ersetzen wollen. Eine solche Strukturänderung würde nach Meinung des BAK-Präsidenten zu schlechteren Leistungen, höheren Preisen und zu einer Verarmung der Dienstleistungsmärkte führen. Länder mit Apothekenketten seien der Beleg für diese Behauptung.
Dachmarke gefährdet Apotheke
Der Apothekerschaft sei es allerdings in einer enormen politischen Anstrengung gelungen, das Grundprinzip der ausschließlich von Apothekern geführten Apotheke zu verteidigen. Dieser politische Erfolg könnte, so Metzger, durch Dachmarkenkonzepte wieder zunichte gemacht werden. Denn für Verbraucher und Politik seien solche Kooperationen nichts anderes als Kettenbildung im Apothekenmarkt. Die Politik würde sich zwangsläufig die Frage stellen, warum ein Surrogat im Markt, wenn man die Originalkette wolle.
Metzger dankte ausdrücklich den Großhändlern, die den für den Erhalt der Apotheke in Apothekerhand zwingenden Argumenten gefolgt seien, und von ihren Konzepten wieder Abschied genommen haben. Leider lade noch eine Gruppe wirtschaftsaktiver Apotheker, die sich im logistischen Umfeld eines Großhändlers als Einkaufgemeinschaft positioniert habe, unverdrossen zu ihrem Dachmarkenkonzept Linda ein. Im gemeinsamen Interesse forderte Metzger seine Kolleginnen und Kollegen auf, den Initiatoren die rote Karte zu zeigen.
Nach den Ergebnissen des schweizerischen Meinungsforschungs-Institutes Prognos werden der Gesundheitsmarkt und die Dienstleistungsbranche in Deutschland bis 2020 deutlich wachsen. Das stärke die Begehrlichkeiten großer nationaler und internationaler Handelskonzerne in diesem Bereich, um so andere schrumpfende Märkte und den Preisverfall zu kompensieren. Diesen Kräfte könne man nur begegnen, indem man leiste, was diese Konzerne nicht leisten können: Die individuelle Betreuung der Menschen.
Unter Beobachtung
Mit Testkäufen versuchten zurzeit allerdings interessierte Kreise, die Leistungen der Apotheken in Frage zu stellen. Schlechte Testergebnisse machten die Apothekerschaft angreifbar, deshalb will die BAK das Jahr 2004 zum Jahr der weiterentwickelten Beratung machen und die PTAs mit einbeziehen. Eine Bestandteil ist die Selbstkontrolle, auf die das Pseudo-Customer-Konzept aufgebaut ist.
Metzger forderte seine Zuhörer auf, ihren Sachverstand in Hausapothekenkonzepte und Disease-Management-Programme einzubringen und die Selbstmedikation beratend zu begleiten. Wenn die Apothekerschaft keine Kompetenz beweise, sei der Weg zum Arzneimittel aus dem SB-Markt nicht mehr weit.
Seine Rede beschloss Metzger mit der Feststellung, Deutschland sei zwar
in der Vertrauenskrise, er sei aber Optimist, und es gelte nach wie vor
der Satz: „In der Krise muss der künftige Erfolg vorbereitet werden.“ An
diesem Erfolg für die Pharmazie sollten alle gemeinsam weiterarbeiten.
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