Plus 60 Prozent GKV-Ausgaben im Versand |
Melanie Höhn |
14.05.2025 12:12 Uhr |
ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie Claudia Korf kritisierte, dass es bei Weitem keine »gleichlangen Spieße« gebe. / © DAV-Wirtschaftsforum / André Wagenzik
Beim DAV-Wirtschaftsforum in Berlin stellten Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, und Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales bei der ABDA, den Apothekenwirtschaftsbericht 2025 vor.
Eine sehr beunruhigende Entwicklung ist laut Korf der Anteil des ausländischen Versandhandels an den Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung: Dieser hat im Jahr 2024 um 59,7 Prozent im Vergleich zu 2023 zugenommen und betrug damit 658 Millionen Euro. Im Jahr 2023 waren dies 412 Millionen Euro – damals eine Steigerung von nur 8 Prozent im Vergleich zu 2022. Der Arzneimittelumsatz des OTC-Versandhandels umfasste 533,7 Millionen Euro im ersten Quartal 2025 und hat sich im Vergleich zum ersten Quartal 2024 um 52 Millionen Euro gesteigert.
»Das sind wahnsinnige Steigerungsraten. Das ist irre. Der Trend setzt sich gnadenlos fort«, sagte Korf. Inzwischen habe dies eine Dynamik entfaltet, die sehr genau von den Apotheken beobachtet werden müsse. »Wir sollten das in unsere eigene Strategie für die öffentliche Apotheke mit einbeziehen.« Korf kritisierte, dass es bei Weitem keine »gleichlangen Spieße« gebe. »Wir haben einfach keine fairen Wettbewerbsbedingungen.«
Der Anstieg des Versandhandels lasse sich nicht nur auf ein verändertes Kaufverhalten der Verbraucher zurückführen, sondern auch auf die zunehmende Nutzung des E-Rezepts, das zu einer Verlagerung von Bestellungen in den Onlinebereich führe. Generell gebe es tiefgreifende strukturelle Veränderungen im Markt, auch weil viele Menschen inzwischen vieles online bestellen.
Korf stellte eine weitere beunruhigende Entwicklung vor: Die Zahl der Apotheken ist im Jahr 2024 weiter um 530 auf 17.041 gesunken – 2023 waren es noch 17.571 Betriebsstätten. Die Apothekenentwicklung im Jahr 2025 zeigt weiter sinkende Zahlen: Zum Ende des ersten Quartals gab es nur noch 16.908 Apotheken. »Es ist tragisch und es wird jedes Jahr mehr«, so Korf. Im laufenden Jahr erwartet sie eine weitere Steigerung der Schließungen: »Wir werden bei 600 landen.« Korf warnte, das das Netz mittlerweile an Stellen ausdünne, die für die Versorgung der Bevölkerung relevant gewesen wären.
Es ergebe »ein trauriges Bild«, wenn man insgesamt die Zeitlinie verfolge: Sowohl die Einzelapotheken als auch die Filialen haben einen Rückgang zu verzeichnen. Inzwischen sei man auf einem Niveau von vor 1980 angekommen. Es sei gut und richtig, dass die Politik mittlerweile darauf reagiere. »Man muss jetzt einfach etwas tun. Wenn ein Fünftel der Betriebsstätten nicht mehr da sind, kann man nicht davon ausgehen, dass das Versorgungsniveau für die Bevölkerung bestehen bleibt«, sagte sie.
Der Gesamtabsatz in den öffentlichen Apotheken stagniert: Waren es 1,389 Millionen Packungen im Jahr 2024, ist dies nahezu deckungsgleich zu 1,388 Millionen Packungen im Jahr 2023. Rx-Arzneimittel machten davon 58,2 Prozent aus. Der Gesamtumsatz betrug 70,40 Milliarden Euro im Jahr 2024, ein leichtes Plus im Vergleich zu 2023 mit 66, 36 Milliarden Euro. Rezeptpflichtige Arzneimittel bildeten mit 84,5 Prozent den größten Anteil am Gesamtumsatz der Apotheken im Jahr 2024.
Die Apothekendichte hat in Deutschland deutlich abgenommen und entfernt sich immer mehr vom EU-Durchschnitt: Inzwischen gibt es hierzulande nur noch 20 Apotheken je 100.000 Einwohner.
Korf hat klare Forderungen an die Politik: Unterfinanziert seien Sonderleistungen wie der Botendienst, Rezepturen oder die Dokumentationsgebühr. Mit Blick auf den ausländischen Versandhandel gebe es einen deutlich unterschiedlichen Regulierungsrahmen. Zudem erklärte sie: »Ein einheitlicher Abgabepreis bei Rx ist Verbraucherschutz«. Des weiteren brauche es »ein klares ja« der Politik, damit die Apotheken den Sicherstellungsauftrag erfüllen können. Zudem sei die Bewältigung von Lieferengpässen eine pharmazeutische Dienstleistung, die mit dem Fixum nicht abgegolten ist.
Ziel sei, die Kernkompetenz öffentlicher Apotheken zu erhalten und die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Wichtig sei zudem, dass Betriebsstätten durch ein erweitertes Aufgabenspektrum mit Fixkostendeckungsbeitrag, regionale Verzahnung mit ärztlicher Grundversorgung, Übernahme entgeltlicher Serviceleistungen für Patientinnen und Patienten, leistungskorrelierte Versorgungssicherungszuschläge und Diversifizierung der Geschäftsmodelle (Chroniker, Pflege, assistierte Telemedizin, Prävention) stabilisiert werden.
Mit 1,8 Prozent Anteil an den Gesamtausgaben im Jahr 2024 bleibt das Apothekenhonorar einer der kleinsten Ausgabenblöcke der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Jahr 2023 waren es noch 1,9 Prozent. »Das gibt es mit Goldrand ins Poesiealbum der GKV«, sagte Korf. Zum Vergleich: Der Posten Krankenhaus umfasste 31,1 Prozent, Ärztinnen und Ärzte 15,3 Prozent und Arzneimittel 12,9 Prozent der GKV-Ausgaben im Jahr 2024.
Auch auf die schwierige Weltlage ging Korf ein. Die aktuelle Wirtschaftslage bezeichnete sie »alles andere als rosig« und erklärte: »Mit der aktuellen Wirtschaftskraft kommen wir nicht in die Zukunft«. Im deutschen Gesundheitswesen sei eines der größten Probleme die immer älter werdende Gesellschaft, eine zunehmende Zahl von Chronikern, nicht genug Leistungserbringer und Fachkräfte sowie immer weniger Beitragszahler.