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Mikro- und Nanoplastik

Plastik in Plaques erhöht Herzinfarktrisiko drastisch

Präklinische Studien haben gezeigt, dass Mikro- und Nanoplastik einen potenziellen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen darstellen. Jetzt belegt eine Publikation die klinische Relevanz der massiven Umweltbelastung. Die Ergebnisse sind alarmierend.
Theo Dingermann
07.03.2024  15:30 Uhr

»Das ist nicht wie eine Fliege in meiner Suppe. Es ist ernst«, schreibt der US-amerikanische Kardiologe Professor Dr. Eric Topol in einem Blogbeitrag als Reaktion auf eine aktuelle Publikation im »New England Journal of Medicine« (NEJM). Forschende um Professor Dr. Raffaele Marfella von der University of Campania Luigi Vanvitelli in Italien veröffentlichen in dieser Arbeit die Ergebnisse einer prospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudie mit Patienten, bei denen ein Gefäßverengung der Halsschlagader (Carotis) operativ entfernt worden war (Carotis-Endarteriektomie).

Von den 257 Patienten wurde bei 150 (58 Prozent) Mikro- und Nanoplastik (MNP) in den entfernten Plaques gefunden. Das allein ist schon ein besorgniserregendes Ergebnis. Die Daten der Forschenden zeigen aber auch, dass der Nachweis von MNP mit einem stark erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert war: Patienten, deren Plaques MNP enthielten, hatten im Vergleich zu denjenigen mit MNP-freien Plaques während der Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 34 Monaten ein 4,5-fach höheres Risiko, im späteren Verlauf einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder zu versterben (zusammengesetzter primärer Endpunkt): Statt 2,2 Ereignissen pro 100 Patientenjahre waren 6,1 Ereignisse pro 100 Patientenjahre zu verzeichnen.

Erhöhte Entzündungswerte bei MNP-Nachweis

Insgesamt wurden in den Plaques elf verschiedene Plastikarten nachgewiesen, am häufigsten Polyethylen (150 Patienten), seltener auch Polyvinylchlorid (31 Patienten). Der mittlere Gehalt der Plaques an diesen beiden Plastikarten betrug 22 µg/mm Polyethylen und 5 µg/mm Polyvinylchlorid (PVC). In der Elektronenmikroskopie waren gezackte Fremdpartikel zwischen den Plaquemakrophagen gut erkennbar. Röntgenologische Untersuchung zeigten zudem, dass einige dieser Partikel Chlor enthielten, dessen Isotopenverhältnis auf einen PVC-Ursprung hinwies.

Da aus früheren Studien bekannt war, dass MNP proinflammatorische Signalwege induzieren können, wurden vier Entzündungsmarker quantifiziert: Interleukin-18, Interleukin-1β, Interleukin-6 und TNF-α. Die Konzentrationen dieser proinflammatorischen Zytokine lagen bei vielen der Patienten mit MNP-haltigen Plaques höher als bei den Patienten, bei denen keine MNP-Kontaminationen nachweisbar waren.

Der Kollagengehalt der Plaques und die Konzentrationen von CD3 und CD68, zwei Marker für die Infiltration von Lymphozyten beziehungsweise Makrophagen, korrelierten mit der Menge des vorhandenen Polyethylens.

Verzicht auf Kunststoffe dringend geboten

In einem begleitenden Editorial erinnert Professor Dr. Philip J. Landrigan vom Boston College in Boston daran, dass die Menge des weltweit produzierten Kunststoffs von weniger als 2 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf heute etwa 400 Millionen Tonnen angestiegen ist. Die Produktion werde sich voraussichtlich bis 2040 noch einmal verdoppeln und bis 2060 verdreifachen.

Einwegartikel machen etwa 40 Prozent der derzeitigen Produktion aus und tragen unverhältnismäßig stark zur Anhäufung von Kunststoffabfällen bei. Kunststoffabfälle sind in der Umwelt allgegenwärtig und zerfallen dort zu extrem schädlichen Mikroplastik- und Nanoplastikpartikeln.

Dass sich MNP in menschlichen Organen anreichern, hätten viele Studien bereits gezeigt, so Landrigan. Die vorliegende Studie liefere nun auch den Beweis dafür, dass MNP für die Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beim Menschen mitverantwortlich sein können.

Die Kunststoffkrise habe sich schleichend entwickelt, während sich alle Augen auf den Klimawandel gerichtet haben. Wie beim Klimawandel scheint auch für das Kunststoffproblem eine Lösung darin zu bestehen, weitgehend auf fossilen Kohlenstoff zu verzichten. Dies werde nicht einfach sein, »aber Untätigkeit ist keine Option mehr«, so Landrigan.

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