Plasmaproteine für Frühdiagnostik geeignet |
Christina Hohmann-Jeddi |
14.02.2024 17:30 Uhr |
Im Blut lassen sich verschiedene Proteine bestimmen, mit deren Hilfe man das Risiko für Demenzerkrankungen ermitteln kann. / Foto: Getty Images/busracavus
Da bei Demenzen wie einer Alzheimer-Erkrankung erst Symptome auftreten, wenn schon ein relevanter Anteil an Nervenzellen zerstört ist, wäre eine möglichst frühe Diagnose in der präsymptomatischen Phase wichtig. Nur dann kann noch rechtzeitig in die Pathologie eingegriffen und die kognitiven Funktionen geschützt werden. Entsprechend intensiv wird daher weltweit an verschiedenen Ansätzen zur Frühdiagnostik von neurodegenerativen Erkrankungen geforscht. In regelmäßigen Abständen werden etwa experimentelle Bluttests für Alzheimer vorgestellt, etwa solche, die fehgefaltetes β-Amyloid oder phosphoryliertes Tau-Protein erkennen.
Die bisherigen Ansätze hätten aber den Nachteil, dass sie sich auf einzelne Proteine als Biomarker konzentrierten und auch nur auf eine Demenzform, schreibt ein chinesisches Forschungsteam um Yu Guo von der Fudan Universität in Shanghai im Fachjournal »Nature Aging«. Es wählte daher für seine Suche nach Biomarkern einen breiteren Ansatz mithilfe der Proteomik – also der Untersuchung aller Proteine in einem Gewebe.
Die Forschenden analysierten Proteom-Daten aus Blutproben von mehr als 52.600 Personen mit einem Durchschnittsalter von 58 Jahren aus der UK Biobank, die zu diesem Zeitpunkt keine Demenz aufwiesen. Von diesen Personen erhielten 1417 in der Nachbeobachtungsphase von 14,1 Jahren eine Demenzdiagnose – 219 innerhalb von fünf Jahren, 833 innerhalb von zehn Jahren und 584 innerhalb von 15 Jahren .
In den Blutproben analysierten die Forschenden um Guo die Konzentration von 1463 Plasmaproteinen. Dabei stellten sie fest, dass höhere Spiegel der Proteine GFAP, NEFL, GDF15 und LTBP2 stark mit dem Auftreten von jeglicher Demenz (All Cause Dementia, ACD), Alzheimer-Demenz (AD) und vaskulärer Demenz (VD) assoziiert waren. Besonders deutlich war die Assoziation bei GFAP (saures Gliafaserprotein), das vor allem in Astrozyten vorkommt und bereits früher als möglicher Biomarker für Alzheimer aufgefallen war. Erhöhte Konzentrationen dieses Proteins waren mit einem mehr als doppelt so hohem Demenzrisiko assoziiert im Vergleich zu normalen Spiegeln. Zudem stieg der GFAP-Spiegel schon mehr als zehn Jahre vor der Diagnose an.
Mithilfe von maschinellem Lernen entwickelte das Team um Guo Algorithmen, die die Konzentrationen der vier Plasmaproteine zusammen mit den demografischen Faktoren Alter, Geschlecht, Bildungsgrad und Familienanamnese dafür nutzten, um das Demenzrisiko zu ermitteln. Das Modell konnte mit einer Sicherheit von jeweils etwa 90 Prozent das Auftreten der drei Demenzformen ACD, AD und VD voraussagen.
Die Forschenden erhoffen sich von dem von ihnen entwickelten Modell deutliche Fortschritte in der Frühdiagnostik von Demenzerkrankungen. Das vorgeschlagene Modell könnte erhebliche Kostenvorteile im Vergleich zu den bisherigen Verfahren – Lumbalpunktionen oder bildgebenden Scans – in der Diagnostik bieten, um Risikopersonen zu identifizieren, schreiben sie in der Publikation.
Andere Experten sehen aber noch Forschungsbedarf. So gibt Dr. Amanda Heslegrave vom University College London gegenüber dem Science Media Center UK zu bedenken, dass die neu identifizierten Biomarker erst weiter validiert werden müssten, bevor sie als Screening-Tools eingesetzt werden könnten. Zudem sei die UK Biobank stark kuratiert und bilde eventuell nicht alle Bevölkerungsgruppen ab.
Von der verwendeten Datenmenge und Technologie ist sie aber überzeugt. Die Ergebnisse scheinen ihrer Ansicht nach solide zu sein, vor allem wenn man bedenke, dass GFAP bereits in hohem Maße mit Alzheimer assoziiert. Die Botschaft, die sie insgesamt aus den Studienergebnissen gewinnt, ist, »dass wir für eine genaue Diagnose und Differenzierung zwischen Demenzerkrankungen gezielte Panels von Biomarkern benötigen«.