Plätze auf Kinderintensivstationen wieder knapp |
Christina Hohmann-Jeddi |
21.02.2024 16:04 Uhr |
Ungeschützte Säuglinge können in ihren ersten Lebensmonate schwere Verläufe von RSV-Infektionen entwickeln. / Foto: Getty Imasges/Sergey Novikov/Ripicts.com
Weniger als ein freies Bett pro Standort ist in Deutschland aktuell auf Kinderintensivstationen frei. Das ergab eine Ad-hoc-Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), an der sich 91 Kliniken deutschlandweit beteiligten. »Aufgrund des eklatanten Pflegemangels sowie akuter Krankheitsausfälle des Personals waren am Stichtag nur 65 Prozent der pädiatrischen Intensivbetten überhaupt in Betrieb«, heißt es in einer DIVI-Mitteilung. Knapp 40 Prozent dieser betreibbaren Betten würden für Kinder mit schweren Verläufen von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV) oder anderen saisonal bedingten Infekten benötigt.
Nach Ansicht der Fachgesellschaft könnten Impfungen der Kinder gegen RSV und Influenza die begrenzten Ressourcen der Kindermedizin schonen und die kritische Situation im Winter entspannen. »Die Möglichkeiten sind da. Wir müssen sie nur ergreifen«, appelliert Professor Dr. Florian Hoffmann vom Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München. Die DIVI fordert deshalb die Ständige Impfkommission (STIKO) auf, nach kritischer Analyse der Datenlage Empfehlungen für RSV- und Influenza-Impfungen für Kinder auszusprechen. Zum Hintergrund: Gegen RSV stehen seit Kurzem ein Impfstoff und eine passive Immunisierung zum Schutz für Kinder zur Verfügung, werden aber kaum eingesetzt, weil es keine Empfehlung und damit keine geregelte Kostenübernehme für die Präparate gibt.
In anderen Ländern ist die Situation anders. »Wir beobachten die Strategien im Ausland gerade sehr genau«, sagt Hoffmann. In Frankreich, Luxemburg, Spanien und den USA wird bereits seit Längerem eine Influenza-Impfung für Kinder empfohlen. Zudem erhalten Säuglinge in den genannten Ländern seit dieser Saison eine nur einmal notwendige passive Immunisierung mit dem neu zugelassenen Antikörper Nirsevimab (Beyfortus®) von Sanofi gegen RSV. Hier gebe es erste Ergebnisse, die sehr vielversprechend seien. Einer Untersuchung aus Luxemburg zufolge ist die Rate schwerer RSV-Erkrankungen in dem Land deutlich gesunken, seitdem ab Oktober 2023 alle Neugeborenen den Antikörper zur Prophylaxe einer RSV-Infektion erhielten und auch ältere Kinder zum Teil immunisiert wurden.
Im Sommer seien die Kinderintensivstationen schon ausgelastet, im Winter kämen dann die RSV- und Grippewellen hinzu, heißt es von der DIVI. Dies führe zum Teil dazu, dass kritisch kranke Kinder über weite Entfernungen hinweg verlegt werden und planbare Operationen verschoben werden müssten. Impfempfehlungen könnten hier Entlastung schaffen.
Aufgrund der fehlenden STIKO-Empfehlung ist die RSV-Impfung bislang keine Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Dennoch bieten bereits mehr als 25 Krankenkassen, das entspricht knapp einem Viertel der gesetzlichen Kassen, ihren Versicherten eine Impfung auf freiwilliger Basis an. Darüber informierte der Impfstoffhersteller Pfizer in einer Mitteilung vom 20. Februar.
Das Unternehmen erhielt im August 2023 die Zulassung für den RSV-Impfstoff Abrysvo®. Der bivalente Proteinimpfstoff ist zur Immunisierung von Senioren (ab 60 Jahren) und zur maternalen Immunisierung zum Schutz von Säuglingen zugelassen. Bei Letzterem erhält die Mutter in der Schwangerschaft eine Impfung und gibt die daraufhin gebildeten Antikörper als sogenannten Nestschutz an ihr ungeborenes Kind über die Nabelschnur weiter. Vor allem Säuglinge können in ihren ersten Lebensmonate – wenn nicht geschützt – schwere Verläufe von RSV-Infektionen mit Bronchiolitis, Pneumonie oder Tracheobronchitis entwickeln.