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Interview
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Pilsinger: »Apothekenreform ohne Fixums-Erhöhung macht wenig Sinn«

Stephan Pilsinger (CSU) ist seit Ende November der neue Apothekenberichterstatter der Union. Im Interview mit der PZ erläutert er, warum eine Apothekenreform aus seiner Sicht nur mit einer Erhöhung des Fixbetrags denkbar ist und warum die Honorarentwicklung für Apotheken grundsätzlich keine politische Angelegenheit sein sollte.
AutorKontaktAlexandra Amanatidou
Datum 22.12.2025  13:00 Uhr

PZ: Sie sind der neue Berichterstatter für Apotheken und Arzneimittel Ihrer Fraktion. Wie kam es dazu?

Pilsinger: Zuletzt habe ich Sebastian Schmitt als Co-Berichterstatter unterstützt. Da er jedoch immer mehr Aufgaben im Innenausschuss übernommen hat, konnte er sich diesen Themen immer weniger widmen. Daraufhin hat mich die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Simone Borchardt, gefragt, ob ich mir vorstellen könne, Berichterstatter auch für Apotheken und Arzneimittel für die Union zu werden. Ich habe zugesagt und betreue das Thema nun zusätzlich zu meinen anderen Berichterstattungen. Das ist eine Aufgabe, die bestimmt herausfordernd ist, mir aber auch Spaß macht. Die Themen sind mir nicht neu. So habe ich mich schon letzte Wahlperiode beispielsweise im Rahmen von Einzelanfragen und wissenschaftlichen Gutachten mit dem Thema Kühlketten bei Arzneimitteln befasst. Außerdem war ich bei den Koalitionsverhandlungen dabei, in denen die Apotheken explizit Verhandlungsgegenstand waren.

PZ: Wie waren die ersten Reaktionen aus der Apothekerschaft?

Pilsinger: Ich bin seit acht Jahren Abgeordneter im Bundestag und kenne viele Akteure im Gesundheitswesen. Ich habe von vielen geschrieben bekommen: »Freut mich, dass wir jetzt noch enger zusammenarbeiten werden.« Man kennt sich, und ich glaube, wir haben einen guten Austausch miteinander.

PZ: Es sind turbulente Zeiten für Apotheken, eine große Reform steht an. Was war Ihr erster Gedanke, als Frau Borchardt Sie angerufen hat?

Pilsinger: Ich habe mich gefreut. Ich habe mir gedacht, das sind spannende Themen und eine tolle Herausforderung. Unserem Gesundheitssystem wird in Zukunft noch mehr Bedeutung beigemessen werden – aus Sicht der Patienten, aber auch als Wirtschaftsfaktor. Eine wichtige Frage wird sein: Wie können wir die Apotheke vor Ort langfristig als einen zentralen Akteur im Gesundheitswesen etablieren? Im Koalitionsvertrag wurde ein Primärversorgungssystem festgehalten, in dem Apotheken eine neue Rolle mit neuen Aufgaben übernehmen werden. Minister Lauterbach hatte Kioske als Anlaufstelle im Sinn. So etwas brauchen wir auf keinen Fall! Wir haben eine Vor-Ort-Apotheke, die eine wichtige Aufgabe übernimmt, und wir sollten darüber diskutieren, wie wir bestehende Strukturen stärken.

Eine Apothekenreform ohne die realistische Aussicht auf eine Erhöhung des Fixbetrags macht für mich eigentlich wenig Sinn.
Stephan Pilsinger, CSU

PZ: Wie bewerten Sie grundsätzlich die aktuellen BMG-Reformpläne für Apotheken? Wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?

Pilsinger: Entscheidend ist, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, am Ende auch umgesetzt wird. Und da steht eben drin, dass wir das Fixum einmalig auf 9,50 Euro erhöhen – je nach Versorgungsgrad sogar bis auf 11 Euro, bevor die Apothekerschaft ihre Vergütung künftig selbst mit dem GKV-Spitzenverband aushandelt. Die Honorarentwicklung sollte grundsätzlich keine Sache der Politik sein. Wir brauchen ein eigenständiges Verhandlungsverfahren mit dem GKV-Spitzenverband – ähnlich wie bei den niedergelassenen Ärzten – bei dem sich das Fixum automatisch erhöht, zum Beispiel anhand von Kostensteigerungen oder der Inflation. Bis die Verhandlungen greifen, muss es jetzt erst einmal über die Politik gehen, aber nicht dauerhaft.

PZ: In den aktuellen Reformplänen ist eine Verhandlungslösung zum Honorar vorgesehen, bei der die Verhandlungen nach jetzigem Stand bei 8,35 Euro starten sollen. Warum nicht bei 9,50 Euro?

Pilsinger: Für mich als CSU-Abgeordneten ist – wie gesagt – der Koalitionsvertrag verbindlich. Aktuell sind es 8,35 Euro im Entwurf, aber wir werden jetzt noch einmal darüber reden müssen. 

PZ: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat eine Erhöhung des Apothekenfixums vorerst auf Eis gelegt, betont aber gleichzeitig, dass diese nicht vom Tisch sei. Wie schätzen Sie die Aussichten ein?

Pilsinger: Eine Apothekenreform ohne die realistische Aussicht auf eine Erhöhung des Fixbetrags macht für mich eigentlich wenig Sinn. Deswegen muss absehbar ein Zeitpunkt festgelegt werden, zu dem es erhöht wird. Ansonsten greift die Apothekenreform einfach zu kurz. Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass am Ende des Gesetzgebungsprozesses eine Bestimmung darüber getroffen wird, wann das Fixum erhöht wird. Es ist jetzt noch zu früh, um das festzulegen, aber am Ende des Verfahrens muss ein konkretes Datum feststehen.

PZ: Macht es den Job einfacher, dass die Pharmaindustrie gerade zur Leitindustrie werden soll?

Pilsinger: Im Koalitionsvertrag haben wir festgehalten, dass wir die industrielle Gesundheitswirtschaft voranbringen wollen. Deshalb haben wir den Pharmadialog ins Leben gerufen, bei dem ich als Parlamentarier für die Unionsfraktion anwesend sein darf. Ziel des Dialogs ist ein neues AMNOG-Verfahren.

Wenn Trump sagt, es könne nicht sein, dass der amerikanische Steuerzahler die Innovationen der gesamten Welt finanziert, dann hat er da ein Argument.
Stephan Pilsinger, CSU

PZ: Was schwebt Ihnen vor?

Pilsinger: In der Pharmaindustrie gab es zwar enorme Entwicklungen, zum Beispiel im Bereich der Gentherapie oder der personalisierten Medizin, doch das AMNOG-Verfahren hat sich in den letzten 15 Jahren kaum weiterentwickelt. Die Frage ist: Wie können wir erreichen, dass innovative Arzneimittel schnell auf den Markt kommen und gleichzeitig ein empirisch belegter, fairer Preis bestimmt wird? Deshalb muss am Ende dieses Dialogs ein gesetzgeberischer Prozess stehen, in dem ein AMNOG-Verfahren 2.0 entwickelt wird. Dass ich bei so etwas Entscheidendem für die Zukunft dabei sein darf, ist für mich als Parlamentarier ein ganz spannender Moment.

PZ: Zudem wird diskutiert, ob der Herstellerabschlag von 7 auf 9,5 Prozent erhöht werden soll. Was ist Ihre Meinung dazu?

Pilsinger: Wir müssen wieder mehr darüber nachdenken, wie wir Deutschland attraktiver machen können. Auch über die AMNOG-Leitplanken sollte wieder geredet werden, damit Arzneimittelinnovationen entsprechend vergütet werden. Diese haben nur einen geringen Einspareffekt, richten aber einen nicht unerheblichen Schaden in der Pharmaindustrie an. Eine Erhöhung des Abschlags könnte auch Auswirkungen in den USA haben. Wenn Trump sagt, es könne nicht sein, dass der amerikanische Steuerzahler die Innovationen der gesamten Welt finanziert, dann hat er da ein Argument. Außerdem will er einführen, dass die Arzneimittelkosten in den USA maximal so hoch sein dürfen wie in anderen vergleichbaren Industrieländern. Wenn wir also durch eine Erhöhung des Abschlags einen niedrigeren Arzneimittelpreis zahlen, kann das dazu führen, dass dieses Arzneimittel in den USA ebenfalls im Preis gedrückt wird. Bei der Most-Favoured-Nation-Problematik den Preis zu drücken und dadurch das Risiko einzugehen, dass bestimmte Arzneimittel in Deutschland vielleicht nicht mehr verfügbar sind, halte ich für keine nachhaltige Strategie. Ich will nicht sagen, dass es am Ende überhaupt keine Einsparungen mehr geben kann, aber ich glaube, man sollte jetzt den Pharmadialog darüber nachdenken lassen und dann auf die richtigen Impulse insgesamt setzen.

PZ: Die Krankenkassen fordern eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent. Was halten Sie davon?

Pilsinger: Grundsätzlich finde ich es richtig, den Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel entsprechend abzusenken, da es bei anderen Produkten des täglichen Bedarfs, etwa bei Grundnahrungsmitteln, ebenfalls einen gesenkten Mehrwertsteuersatz gibt. Das wäre allerdings keine dauerhafte Lösung für die Finanzierungsproblematik. Wir müssten trotzdem über Reformen sprechen und das Gesundheitssystem effizienter gestalten. Wir geben pro Kopf sehr viel Geld für unser Gesundheitswesen aus, aber ineffizient. Gerade beim Thema Lebenserwartung und Krankheitslast sehen wir, dass Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten sehr schlechte Ergebnisse erzielt. Wir brauchen mehr Steuerung im System und müssen darüber nachdenken, welche nichtärztlichen Berufe noch Tätigkeiten übernehmen können, die aktuell von Ärzten ausgeführt werden. Apotheken könnten dabei und auch bei der Primärversorgung eine entscheidende Rolle spielen. Das Thema Impfen ist ein Schlüsselfaktor. Als Hausarzt in meiner Region sehe ich, dass wir bei Influenza eine Durchimpfungsrate von knapp 20 Prozent haben. Das ist ein dramatisch schlechter Wert. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob entsprechend geschultes anderes Personal Impfleistungen in der Apotheke durchführen kann.

Wir brauchen mehr Steuerung im System und müssen darüber nachdenken, welche nichtärztlichen Berufe noch Tätigkeiten übernehmen können, die aktuell von Ärzten ausgeführt werden.
Stephan Pilsinger, CSU

PZ: Meinen Sie PTA?

Pilsinger: Ich glaube nicht, dass grundsätzlich jede PTA impfen kann. Meine medizinischen Fachangestellten, die dafür geschult sind, können das jedoch gut und dürfen es auch. Ich bin der Meinung, dass man durchaus darüber reden kann, dass nach einem entsprechenden Schulungsprogramm und der entsprechenden Abklärung auch PTA oder insgesamt entsprechend geschultes medizinisches Personal diese Impfleistungen durchführen können.

PZ: Es gibt auch viele Kollegen von Ihnen, also Ärzte, die dagegen sind. Was würden Sie ihnen sagen?

Pilsinger: Das ist zum einen eine Generationenfrage und zum anderen natürlich auch eine Ortsfrage. Ich habe eine Praxis im ländlichen Raum, genauer gesagt in Günzburg in Bayern. Dort sind einige Arztsitze unbesetzt und es gibt immer weniger Ärzte in der Fläche. Ich mache mir keine Sorgen, dass mir die Apotheken Konkurrenz machen könnten, denn ich kann gar keine Patienten mehr aufnehmen. Ich bin glücklich, wenn die Patienten entsprechend versorgt sind und der Apotheker impft. In der Vergangenheit hatten wir allerdings eine ganz andere Situation, nämlich eine Überversorgung mit Ärzten. Ich glaube, dass sich in Zukunft gerade in der ärztlichen Versorgung viel ändern wird. Es werden viel weniger Ärzte zur Verfügung stehen und durch ein Primärversorgungssystem wird viel mehr Last auf die Hausarztpraxen zukommen. Wenn mehr Last auf die Praxen zukommt, müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir sie entsprechend entlasten können. Wenn Apotheker sagen, dass sie Lust auf manchen Aufgaben haben, dann finde ich, sollte man ihnen auch die Möglichkeit geben, das zu machen. 

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