»Pille für den Mann« kommt auf die Agenda der EU |
| Melanie Höhn |
| 03.11.2025 13:58 Uhr |
Die EU-Politiker Peter Liese und Katarina Barley haben EMA-Chefin Emer Cooke geschrieben und gebeten, spezifische Zulassungsregeln für die männliche Verhütung zu erarbeiten. / © Imago Images/imagebroker
Sind Missverständnisse und mangelnder Dialog die Ursache dafür, dass die Last der Verhütung in Europa nach wie vor hauptsächlich bei Frauen liegt, obwohl es vielversprechende wissenschaftliche Ansätze für eine »Pille für den Mann« gibt? Laut der beiden Europaabgeordneten Peter Liese (EVP) und Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, legt eine Antwort von Emer Cooke, Chefin der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), dies nahe.
Liese und Barley hatten Cooke nach eigenen Angaben geschrieben und gebeten, spezifische Zulassungsregeln für die männliche Verhütung zu erarbeiten. »Sowohl die Industrie als auch nicht-kommerzielle Forscherteams haben sich bisher gescheut, die hohen Investitionen für klinische Prüfungen zu tätigen. Spezifische Regeln könnten ihnen den Weg ebnen«, teilten die beiden Abgeordneten mit.
Konkret müsse das Konzept von Risiken und Nutzen angepasst werden: Bisher sei es so, dass der Verhütungseffekt bei Männern nicht als Nutzen gewertet wird, da sich eine Schwangerschaft nur auf den Körper der Frau auswirke. Daher könnten bislang für Männer nur Präparate zugelassen werden, die wenig bis keine Nebenwirkungen haben. »Ferner gibt es für männliche Verhütungsmethoden deutlich günstigere und schnellere Effizienzmaßstäbe als den Pearl Index. Das sollte ebenfalls in spezifischen Zulassungsregeln zum Ausdruck kommen, da es die Hemmschwelle für die Entwicklung solcher Präparate senken würde«, erklärten sie. Laut des Verbunds Pro Familia ist der Pearl-Index das Beurteilungsmaß für die Sicherheit von Verhütungsmitteln: Je kleiner der Pearl-Index, desto sicherer die Verhütungsmethode.
In ihrem Antwortschreiben habe Cooke nun mitgeteilt, dass der Grund für die bislang nicht angepassten Regeln im mangelnden Dialog zwischen Forschenden und Behörden liege. Es habe in den letzten 20 Jahren keinerlei Anfragen gegeben.
»Die Antwort der EMA ist enttäuschend, aber gleichzeitig gibt sie Hoffnung. Offensichtlich handelt es sich um ein typisches Henne-Ei-Problem. Die Forscher und die Unternehmen sagen, es gäbe bei den Zulassungsbehörden die falschen Regeln, und die Zulassungsbehörde sagt, niemand habe sich bei ihnen gemeldet. Hier braucht es politisches Engagement und Dialog«, sagte Liese. »Ich bin sicher, wir können das Problem lösen. In einem ersten Schritt haben wir deshalb die Experten, die sich mit dem Thema männliche Verhütung beschäftigen, und die Europäische Arzneimittelagentur sowie die Europäische Kommission gebeten, an einem Dialog am 4. November im Europäischen Parlament teilzunehmen. Es kann nicht sein, dass Missverständnisse dazu führen, dass Frauen weiterhin unter den Nebenwirkungen der Pille leiden und Männer, wenn sie wollen, keine Alternative haben.«
Katarina Barley ergänzte, dass in einer modernen Partnerschaft Mann und Frau gemeinsam entscheiden sollten, wer sich wie um die Verhütung kümmert. »Das Argument, dass Männer von der Verhütung ja keinen Vorteil hätten, scheint mir veraltet zu sein. Ich hoffe, dass durch den Dialog eine Lösung herbeigeführt werden kann«, so Liese abschließend.«
Barley begrüßt, dass sich die EMA auf ihre und Peter Lieses Initiative hin des Themas nun annimmt: »Der Aufschlag für gleichberechtigte Verhütung in der EU ist gemacht. Jetzt sollte die EMA im Austausch mit den relevanten Expert*innen Zulassungsrichtlinien entwickeln, die den Weg für neue männliche Verhütungsmethoden ebnen. So zu tun, als hätten Männer kein eigenes Interesse an wirksamer Verhütung, ist absurd. Dieses Interesse muss in die Abwägung von Nutzen und Risiken eines Präparates einbezogen werden.«