Pharmaindustrie befürchtet Lieferengpässe |
Ev Tebroke |
25.08.2023 13:30 Uhr |
Aufgrund neuer EU-Regularien für die Herstellung von sterilen Arzneimitteln befürchtet die Pharmaindustrie Lieferengpässe bei zahlreichen lebensnotwendigen Präparaten, amgefangen bei Elektrolyt-Lösungen bis hin zu Radiotherapeutika/-diagnostika. / Foto: Boehringer Ingelheim
Für die Herstellung steriler Arzneimittel gelten seit dem 25. August 2023 europaweit verschärfte gesetzliche Vorschriften. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hält die neuen Regeln für überzogen und praxisfern und warnt vor drohenden Liefenengpässen bei wichtigen Produkten wie bestimmten Parenteralia, Sterilprodukten und Radiotherapeutika sowie -diagnostika.
Unmut gibt es vor allem auch, weil die Neufassung des entsprechenden europäischen Regelwerks, dem Anhang 1 der »Good Manufacturing Practice« (GMP) zur Herstellung von sterilen Arzneiprodukten, aus Sicht der Industrie völlig überzogen und zudem nicht notwendig war.
»Die neuen, Anforderungen schießen weit über das Ziel hinaus und sind zudem völlig ohne Not entstanden«, kritisiert der BPI-Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier. Demnach habe es für eine Vielzahl der verschärften Produktionsvorgaben keinen bekannten konkreten Anlass gegeben.
Weder habe es in den vergangenen Jahren Zwischenfälle mit steril gefertigten Arzneimitteln und Diagnostika gegeben, die auf systematische Unzulänglichkeiten in der aseptischen Herstellung zurückzuführen waren, noch könne von einer Gefährdung der Gesundheit von Patientinnen und Patienten die Rede sein, betont der BPI in einem Positionspapier.
Die auf dem Markt befindlichen Sterilprodukte seien korrekt zugelassen, würden in angemessener Qualität seit Jahren sicher hergestellt und unterlägen nicht zuletzt einer anspruchsvollen behördlichen Überwachung. Die verschärften Vorgaben sind für den BPI kontraproduktiv. »Sie führen absehbar statt zu einer verbesserten Versorgung, zu vermehrten Lieferengpässen«, betont Feldmeier.
Als Beispiel nennt er etwa Filtersysteme. Ab sofort sind demnach Filter für die Sterilproduktion nach jeder Chargenherstellung automatisch auszutauschen. Bislang wurden sie regelmäßig überprüft und validiert. »Das führt nicht nur zu aberwitzig mehr Sondermüll, sondern verschwendet auch knappe Ressourcen und finanzielle Mittel«, so der BPI-Vorsitzende.
Es sei zu befürchten, dass Steril-Filter bei denen bereits jetzt Lieferschwierigkeiten bestehen, zum Teil nicht mehr beschaffbar seien und Produkte im Rahmen der Herstellung wesentlich teurer würden. »Damit wird die Gefahr geschürt, dass niedrigmargige Produkte vom Markt verschwinden«, heißt es im Positionspapier.
Grundsätzlich führe die notwendige Anschaffung neuer Herstellungsausrüstungen und erhöhter regulatorischer Aufwand zu einem finanziellen Aufwand »bislang nicht bekannten Ausmaßes«. Insbesondere bei kleinen Chargengrößen (wie in der Nuklearmedizin, aber auch in anderen Therapiebereichen üblich) und angesichts der geringen Erlöse, die mit den meisten dieser Produkte zu erzielen sind, sei deren Produktion wirtschaftlich nicht mehr verantwortbar, weshalb die Hersteller auf solche Zulassungen bereits verzichtet hätten oder in Zukunft verzichten würden, konstatiert der Verband.
»Ähnlich wie in der Vergangenheit bei bestimmten Zytostatika wird es auch hier zum Zusammenbruch der Versorgung mit einer Reihe von Diagnostika beziehungsweise Therapeutika kommen, was, weil in vielen Fällen ohne therapeutische Alternative, die Gesundheit der Bevölkerung nachhaltig gefährden wird.«