Pharmabranche warnt vor höheren Preisen wegen Abwasser-Regelung |
Cornelia Dölger |
11.09.2024 14:30 Uhr |
Laut der neuen EU-Richtlinie müssen Wirtschaftszweige wie Pharmaunternehmen und Kosmetikhersteller mindestens 80 Prozent der Kosten für die Beseitigung von Mikroschadstoffen tragen. / Foto: Adobe Stock/Matthias Buehner
Der Herstellerverband Pharma Deutschland hat bei seiner ersten ordentlichen Mitgliederversammlung nach der soeben abgeschlossenen Umstrukturierung die Schwerpunkte der Verbandsarbeit der kommenden Jahre skizziert. Auf der Agenda hat der Verband insbesondere die unlängst beschlossene EU-Abwasserrichtlinie, weil diese finanzielle Folgen auch für das deutsche Gesundheitssystem haben werde, so der Vorstandsvorsitzende Jörg Wieczorek laut einer Mitteilung.
Die Richtlinie wurde noch in der letzten Legislaturperiode des Europäischen Parlaments beschlossen und sieht vor, den Großteil der Kosten für die europaweite Einführung einer vierten Klärstufe der Pharmabranche und der Kosmetikbranche zuzuweisen.
Wie die EU-Kommission dazu bereits im Januar mitteilte, solle mit der neuen Richtlinie das Verursacherprinzip in der Wasserwirtschaft erstmals konkret umgesetzt werden. Demnach müssen die umweltschädlichsten Wirtschaftszweige wie Pharmaunternehmen und Kosmetikhersteller mindestens 80 Prozent der Kosten für die Beseitigung von Mikroschadstoffen tragen. Dadurch sollten die durch die neuen Anforderungen bedingten Kosten für die Bürgerinnen und Bürger begrenzt werden.
Die Umsetzung der neuen Richtlinie könnte offenbar teuer für die Pharmaindustrie werden. Etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr würden Bau und Betrieb der vierten Klärstufe kosten, so Wieczorek. Über daraus resultierende finanzielle Folgen für das deutsche Gesundheitssystem werde Pharma Deutschland Politik und die Öffentlichkeit informieren, kündigte Wieczorek an.
Was die Kostenübernahme für Umweltauflagen betrifft, bietet sich dem Verband demnach ein widersprüchliches Bild: Einerseits befürworteten laut einer vom Verband in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage 78 Prozent der Befragten, dass die Kosten von den Verursachern getragen werden sollten – also den Herstellern.
Auf der anderen Seite sei eine Mehrheit – 60 Prozent – nicht bereit, dadurch hervorgerufene höhere Arzneimittelpreise in Kauf zu nehmen. Um eben jene komme man aber nicht herum, heißt es vom Verband. »Die Kosten der Finanzierung der Klärstufe verteuern die Arzneimittel«, konstatierte Wieczorek.
Betroffen seien vor allem Antibiotika und Analgetika und damit die Arzneimittel, die in großen Mengen benötigt würden und unter hohem Preisdruck stünden. »Die Belastung von Antibiotika und anderen Generika mit rund 2 Milliarden Euro pro Jahr würde die angespannte Situation im Gesundheitsfinanzierungssystem weiter verschärfen«, warnte der Vorstandsvorsitzende.
Die Bedeutung der Pharmaunternehmen müsse künftig stärker hervorgehoben werden. Sie spiele »mit hohen Investitionen, zahlreichen Arbeitsplätzen und innovativen Produkten« seit Langem eine tragende Rolle in der Volkswirtschaft.
Pharma Deutschland hatte erst gestern einen längeren Umstrukturierungsprozess abgeschlossen. Mit dem Landesverband Ost wurde der letzte von sechs Landesverbänden gegründet, mit denen der Verband mehr Präsenz in den Regionen zeigen will.
Im vergangenen Herbst war die Fusion von Pharma Deutschland (ehemals Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller – BAH) mit dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gescheitert. Mehr politische Interessenvertretung der Branche auf EU-Ebene will der Verband unter anderem mit einem eigenen Büro in Brüssel erreichen, das seit dem 1. September besetzt ist.