Pharmabranche ist im Aufwind |
Die Pharmaindustrie ist auf Wachstumskurs. Gemessen an den Investitionen, dem Produktionswert und der Zahl der Beschäftigten legt die Branche laut einer IW-Studie stärker zu als die Autobranche. / Foto: imago images/Future Image
Zwar erzielt die Autoindustrie zehnmal mehr Umsatz als die Pharmabranche. Laut der Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für das »Handelsblatt« entwickelt sich die Pharmaindustrie aber wesentlich erfreulicher. So sei dieser Sektor sowohl gemessen an den Investitionssummen, dem Produktionswert und der Zahl der Beschäftigten nach der Finanzkrise 2008/09 deutlich stärker gewachsen als die Autoindustrie.
»In einigen Bereichen war die Pharmabranche in den vergangenen Jahren viel dynamischer als andere Branchen«, zitiert das »Handelsblatt« Jasmina Kirchhoff, Projektleiterin für den Pharmastandort Deutschland beim IW. Zudem sei der Sektor stabil durch Corona und andere konjunkturelle Krisen gekommen. »Wenn es wirtschaftlich schlechter läuft, lässt sich der Kauf eines Autos oder Kühlschranks verschieben, nicht aber auf ein notwendiges Medikament verzichten«, sagte Kirchhoff.
Rolf Fricker, Pharmaexperte bei der Beratungsfirma Oliver Wyman, bezeichnet den Sektor laut »Handelsblatt«-Bericht sogar als eine der «wenigen Industrien in Deutschland, die noch funktionieren«. So liegt die Bruttowertschöpfung, also der im Produktionsprozess geschaffene Mehrwert der Branche, laut IW-Auswertung mit 210.099 Euro je Beschäftigten zwar hinter Kokerei und Mineralölverarbeitung (261.672 Euro), aber deutlich vor der des Fahrzeugbaus mit 151.414 Euro je Mitarbeitenden.
Auch die Zahl der Beschäftigten wächst demnach in der Pharmabranche schneller als in der Autoindustrie. Im Vergleich zu 2010 arbeiteten 2023 mit knapp 133.000 Menschen rund 30 Prozent mehr bei den Arzneimittelherstellern. Die Autobranche hat zwar insgesamt mehr als 796.000 Beschäftigte, ihre Zahl nahm der Auswertung zufolge im gleichen Zeitraum aber nur um rund elf Prozent zu.
Außerdem habe die Pharmaindustrie ihre Investitionen in Sachanlagen seit 2010 fast verdoppelt. 2022 habe die Summe bei 2,5 Milliarden Euro gelegen, was einem Wert von knapp 20.500 Euro je Beschäftigtem entspricht. Die Kraftfahrzeugindustrie habe zwar insgesamt mit knapp 15 Milliarden Euro deutlich mehr investiert, allerdings seien die Investitionen seit 2010 nur um 43 Prozent gewachsen.
Die Pharmaindustrie investiert zudem traditionell viel in Forschung und Entwicklung. So habe die Branche 2022 insgesamt 9,4 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben, und damit rund 16 Prozent des Branchenumsatzes. Der Fahrzeugbau sei 2022 mit 44,5 Milliarden Euro Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf knapp neun Prozent des Umsatzes gekommen.
Für den Schweizer Pharmakonzern Novartis spielt der Standort Deutschland demnach bei Investitionen in Forschung und Entwicklung eine »gewachsene starke Rolle«. Eli Lilly hat sich nach eigenen Angaben bewusst für Deutschland für sein neues Werk entschieden. Das Schweizer Unternehmen Roche steckte zwischen 2019 und 2023 mehr als drei Milliarden Euro in den Ausbau von Produktions-, Forschungs- und Verwaltungsgebäuden und Anlagen. Durchschnittlich investierte Roche in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt demnach mehr als eine halbe Milliarde Euro jährlich.
Die Branche profitiert auch davon, dass die Ampelregierung den Pharmastandort Deutschland stärken will. Teil der Pharmastrategie ist das Medizinforschungsgesetz, das der Bundestag am 4. Juli verabschiedete. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland verbessern und Anreize für mehr Forschung setzen. Pharma Deutschland und der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) begrüßten das Gesetz, das noch in diesem Jahr in Kraft treten soll.