Pharmabranche braucht mehr Planungssicherheit |
Diskutierten über den Pharmastandort Deutschland (von links): Markus Born (BPI), Andreas Heigl (Servier), Heinrich Moisa (Novartis) und die frühere bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (MdL). Auf dem Bild fehlt BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen. Manfred Schubert-Zsilavecz moderierte. / © Alois Mueller
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Die Gesundheitswirtschaft wächst und schafft immer mehr Arbeitsplätze. Zugleich ächzen pharmazeutische Unternehmen unter überbordender Bürokratie und klagen über fehlende Planungssicherheit. Viele wichtige Arzneimittel werden in Fernost produziert. Die Folge sind Engpässe bei derzeit rund 500 Medikamenten.
Über Bedingungen und Perspektiven für den Pharmastandort Deutschland diskutierten die bayerische Landtagsabgeordnete und frühere Staatsministerin Melanie Huml sowie Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), und Markus Born, Geschäftsführer des BPI-Landesverbands Bayern. Auf dem Podium saßen außerdem Heinrich Moisa, Vorsitzender der Geschäftsführung von Novartis, sowie Andreas Heigl, Leiter Gesundheitspolitik von Servier Deutschland. Die Moderation übernahm Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglied der externen PZ-Chefredaktion.
»Wenn wir den Pharmastandort Deutschland stärken wollen, brauchen wir Planungssicherheit und Vertrauen und mehr Miteinander«, brachte es die frühere bayerische Gesundheitsministerin Huml auf den Punkt. Wichtig sei, auch die wirtschaftliche Seite zu sehen und die Finanzierung zu sichern. Allein in Bayern schaffe die Pharmabranche rund 40.000 Arbeitsplätze. »Wenn wir merken, dass Gesetze zu Fehlentwicklungen führen, konkret zu Lieferengpässen, da nur im Ausland produziert wird, dann muss man bereit sein, zu reagieren«, appellierte sie an die Politik im Bund. Das fehle ihr. Vor diesem Hintergrund sei der gerade wirksam gewordene 20-prozentige Abschlag für Kombinationstherapien das falsche Signal.
Huml informierte über die Pharmainitiative Bayern, die sie 2013 als Gesundheitsministerin initiiert hatte. Daraus sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Industrie entstanden. »Der Pharmadialog war ein Erfolgsrezept und könnte auch eine Blaupause für den Bund sein«, zeigte sich Huml überzeugt.
BPI-Hauptgeschäftsführer Joachimsen bezeichnete den Dreiklang aus Forschung, Produktion und Markt als zentrale Säulen der Arzneimittelherstellung. An allen Stellschrauben müsse gedreht werden. Das Medizinforschungsgesetz sei zwar ein erster wichtiger Schritt, um beispielsweise klinische Studien zu erleichtern. Es müsse aber noch ausgebaut werden.
Was die Produktion angehe, bräuchten die Hersteller dringend Planungssicherheit. »Die Unternehmen ersticken in einem Bürokratiewust, das muss weniger werden«, forderte Joachimsen. Zudem verlangte er bessere Marktbedingungen. Derzeit sei Deutschland noch der viertgrößte Arzneimittelmarkt der Welt, doch dies sei in Gefahr, da hierzulande Vieles zu kompliziert sei. Konkret forderte er, die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführten AMNOG-Leitplanken zu korrigieren. Die Leitplanken sehen vor, dass die Kosten für neue Arzneimittel nur erstattet werden, wenn die Hersteller einen Zusatznutzen nachweisen können. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde 2011 zur Preisregulierung eingeführt.
Kritik an den Leitplanken übte auch Moisa von Novartis und forderte Korrekturen. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz habe »fürchterliche Auswirkungen« gehabt. Bessere Medikamente sollten mehr kosten dürfen; diesen Mechanismus habe das Gesetz »ausgehebelt«. Die Folge sei, dass die Hersteller keine Planungssicherheit mehr hätten und nicht wüssten, ob sie ein neues Medikament in den Markt bekämen. »Wir brauchen dringend Planungssicherheit«, forderte auch er. Hingegen lobte er das Medizinforschungsgesetz als »gutes Gesetz«, das allerdings auch umgesetzt werden müsse.
Heigl von Servier Deutschland bemängelte, dass hierzulande die Preise für Arzneimittel durchreguliert seien. Daher gebe es unter den Herstellern keinen Preis- oder Qualitätswettbewerb, sondern einen Wettbewerb um Innovationen. Er monierte, dass der Pharmastandort Deutschland bei wichtigen Wirkstoffen wie Antibiotika nicht wettbewerbsfähig sei. Man habe lange »von der Substanz gelebt«, das räche sich nun.
Born, Geschäftsführer des BPI-Landesverbands Bayern, lobte den Standort Bayern. Dort habe die Gesundheitsbranche ein »unglaubliches Potenzial«. Sie generiere eine Wertschöpfung von rund 60 Milliarden Euro und schaffe jeden sechsten Arbeitsplatz. »Wir sind gut aufgestellt«, stellte er fest.
Hingegen kritisierte Moisa die zu starke Preisregulierung in Deutschland. »Den Generikamarkt haben wir schon kaputtgespart«, monierte er. Darüber hinaus mahnte er, dass die Digitalisierung hierzulande dringend vorankommen müsse. Dadurch könnten 30 bis 40 Prozent der Kosten gespart werden, so Moisa.