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Renaissance für einen alten Bekannten

14.06.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag PHARMACON MERAN

Renaissance für einen
alten Bekannten

Seit nahezu 35 Jahren sind die Betablocker ein unverzichtbarer Bestandteil der Bluthochdrucktherapie. Doch die betagte Arzneistoffgruppe ist trotz zahlreicher Innovationen nicht in die Jahre gekommen. Neue klinische Untersuchungen deuten vielmehr darauf hin, daß die Betablocker auch eine Herzinsuffizenz positiv beeinflussen. Diese galt ursprünglich als absolute Kontraindikation. Warum heute herzinsuffiziente Patienten auch mit Substanzen wie Metoprolol, Carvedilol oder Bisoprolol behandelt werden können, erklärte Professor Dr. Thomas Unger, Pharmakologe an der Kieler Christian-Albrechts-Universität.

Betablocker entfalten ihre hypotone Wirkung primär über beta1-Rezeptoren am Herzen sowie beta2-Rezeptoren an den Gefäßen. Durch Blockade der Rezeptoren am Myokard sinkt die Schlagfrequenz, die Pumpleistung sowie die Überleitungsgeschwindigkeit. Daraus ergeben sich für die Substanzgruppe die klassischen Indikationen Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, aber auch die Kontraindikation bei Herzinsuffizenz.

Sobald die Arbeitskraft des Herzens sinkt, startet der Organismus diverse Kompensationsmechanismen. Das Renin-Angiotensin-System wird aktiviert, durch Stimulation von Wachstumsfaktoren nimmt die Muskelmasse des Myokards zu, und sympathische Nervenbahnen werden verstärkt stimuliert. Je weiter die Pumpleistung des Herzens jedoch sinkt, desto uneffektiver greifen die körpereigenen Kompensationsmechanismen. Unger sprach von einem regelrechten Teufelskreis. Das erkläre auch die hohe Mortalität von Patienten mit Herzinsuffizenz nach NYHA-Klasse III und IV. Zwar schütte der Körper durch die verstärkte Bildung von Angiotensin II immer mehr Catecholamine aus. Deren hohe Konzentration führe dann aber zu Nekrosen und Apoptose der Herzmuskelzellen. Zusätzlich kontrahierten periphere Gefäße aufgrund der permanenten neuroendokrinen Stimulierung. Das Resultat: Flüssigkeitsretention, Gefahr von Arrhythmien und eine steigende Catecholamin-Unempfindlichkeit.

Genau über diese Unempfindlichkeit erkläre man sich heute den positiven Effekt der Betablocker bei Herzinsuffizienz, so Unger. Durch ständige Stimulation der beta-Rezeptoren komme es zu deren Entkoppelung durch Phosphorylierung membranständiger Strukturen. Im gesunden Organismus herrsche ein Gleichgewicht zwischen phosphorylierten und nicht-phosphorylierten Rezeptoren. Dieses sei bei Herzinsuffizienten jedoch gestört. Der Rezeptor schalte sich aufgrund der ständigen Reizung via Phosphorylierung selber ab. Schirme man nun mit beta-Sympathotonika die Rezeptoren ab, regenerierten sich diese langsam wieder. "Das ist wie Klavierspielen mit einem Dämpfer", so Unger.

An der Phosphorylierung sind Kinasen beteiligt. Im Tierversuch beobachteten Forscher nach Stimulation der beta-Rezeptoren eine erhöhte Kinasekonzentration, die jedoch nach Gabe des Betablockers Carvedilol wieder sank.

In zahlreichen Studien untersuchten Mediziner inzwischen unter anderem den Effekt von Metorolol, Bisoprolol und Carvedilol bei herzinsuffizienten Patienten. Je nach Studiendesgin fanden sie eine signifikant niedrigere Mortalität als unter Placebo. "Die Ergebnisse haben die Wissenschaft aufgerüttelt", so Unger. Heute könne man den Einsatz der Substanzen bei Herzinsuffizienz als evidence-based-medcine bezeichnen. Unklar sei jedoch noch, ob die Therapie nur durch die Kombination der Betablocker mit ACE-Hemmern und Diuretika erfolgreich verlaufe. "Vielleicht ist das auch ein Grund, warum im Vorfeld manche Studien mit Monotherapie keine positiven Ergebnisse brachten", interpretierte der Referent. Weitere Untersuchungen seien dringend notwendig, um den genauen Wirkmechanismus und eventuelle Langzeiteffekte aufzuklären.

Prinzipiell dürften Betablocker bei dieser Indikation nur langsam einschleichend dosiert werden, sagte Unger. Zudem sollten herzinsuffiziente Patienten, die diese Arzneistoffe erhalten, ausnahmslos stationär behandelt werden. Top

© 1999 GOVI-Verlag
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