Pharmazie
Pharmacon Westerland
Die Therapie von Infektionen erschöpft sich nicht nur im Einsatz von
Antibiotika. Sie ist eine interdisziplinäre Aufgabe, bei der auch der
Pharmazeut eine verantwortliche Rolle spielen sollte, so Dr. Margret
Seewald vom Institut für medizinische Diagnostik in Berlin, einer
privatwirtschaftlich geführten Institution, die sich neben der reinen
mikrobiellen Diagnostik unter anderem auch auf die Analyse regionaler
Resistenzbesonderheiten spezialisiert hat. Diese Analysen spielen
insbesondere als Beratungsunterlagen in Qualitätszirkeln eine wichtige
Rolle bei der Entscheidung über den Einsatz von Antibiotika. Häufig erlaubt
die klinische Situation des Patienten es nicht, auf eine Resistenzbestimmung
vor Therapiebeginn zu warten. In diesen Fällen darf trotzdem nicht ungezielt,
sondern muß kalkuliert behandelt werden. Seewald bezeichnete dieses
Vorgehen als Infektionsmanagement.
Als Konsequenz der breiten Anwendung und unter dem Selektionsdruck der
Wirkungslücken von Antibiotika, begegnen den Therapeuten immer mehr
multiresistente Keime. Verschiedenste Mechanismen bewirken diese herabgesetzte
Antibiotikaempfindlichkeit: Veränderung der Bindeproteine, Verzögerung
beziehungsweise Verhinderung des Transportes in die Bakterienzelle und Bildung
von b-Laktamasen. Als Problemkeime zählte die Referentin auf: Staphylokokkus
aureus, Enterokokken und Enterobakterien. In den Kliniken käme hinzu, daß das
Auftreten von Problemkeimen, sogenannte multiresistente Hospitalkeime, durch
weitere Faktoren begünstigt würde: ältere und/oder abwehrgeschwächte Patienten,
der gleichzeitig erhöhte Antibiotikabedarf und der Mangel an Hygiene, insbesondere
nicht ausreichende Händedesinfektion. Die Auswertung von Sensibilitätsprüfungen
sei deshalb ein unverzichtbarer Eckpfeiler für die Erkennung lokaler
Resistenzbesonderheiten und für die Auswahl einer Substanz zur kalkulierten
Chemotherapie. Die Qualität solcher Keimstatistiken hänge allerdings entscheidend
von der Qualität der eingeschickten Materialien zur bakteriologischen Diagnostik
und im weiteren von der Qualität der Laboranalytik ab. Nur mit validen Statistiken
ließen sich lokale oder regionale Trends in der Selektion und der
Resistenzentwicklung in Abhängigkeit vom Patientenklientel und den eingeführten
Antibiotika ableiten.
Sorgen bereiteten in der Klinik und im ambulanten Bereich zur Zeit Staphylokokken
bei Risikopatienten, vor allem bei Diabetikern. Eine gesteigerte Resistenz lasse sich
auch bei Enterobacter-Stämmen gegenüber Chinolonen feststellen. Auch
Pseudomonas aeruginosa-Stämme zeigten in 13 Prozent Resistenz gegenüber
Ciprofloxacin. Aus diesen Zahlen leitet Seewald die Empfehlung ab, den Einsatz von
Chinolonen in der Klinik und im niedergelassenen Bereich herunterzufahren. Relativ
wenig Resistenz wird bei Carbapenemen beobachtet, die nach Meinung der
Referentin noch als Monotherapeutikum eingesetzt werden können. In allen anderen
Fällen empfiehlt sie, insbesondere bei multiresistenten Keimen, eine
Kombinationstherapie.
Antibiotikaresistenz ist für die Referentin ein Qualitätsindikator. Nur durch eine
intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit aller auf dem Gebiet der Infektiologie
Tätigen, dazu gehörten auch die Pharmazeuten, ließen sich standardisierte
Diagnose-, Prophylaxe-, Therapie- und Hygieneverfahren unter Berücksichtigung
hausspezifischer Bedürfnisse erarbeiten, die allerdings einem Antibiotikaaudit
unterzogen werden müßten. Nach Meinung Seewalds kann nur auf einem solchen
Weg der Eskalation der Resistenzprobleme entgegengetreten werden.
PZ-Artikel von Hartmut Morck, Westerland
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