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Everolimus und Fulvestrant

29.03.2004  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Neu auf dem Markt

Everolimus und Fulvestrant

von Brigitte M. Gensthaler, München und Kerstin A. Gräfe, Eschborn

Im März sind in Deutschland zwei neue Arzneistoffe auf den Mark gekommen: Ein Proliferationsignalhemmer zur Verhinderung einer Organabstoßung nach einer Herz- oder Nierentransplantation sowie ein Östrogenrezeptor-Antagonist zur Brustkrebstherapie.

Everolimus

Nach Tacrolimus und Sirolimus ist seit Mitte März ein weiterer Vertreter der immunsuppressiv wirksamen Makrolide auf dem deutschen Markt. Auch Everolimus soll einer Organabstoßung nach Transplantation vorbeugen. Der Neuling ist jedoch nicht nur nach Nieren-, sondern auch nach Herzverpflanzung zugelassen (Certican® Tabletten mit 0,25, 0,5 oder 0,75 mg Everolimus, Novartis Pharma).

Everolimus wird semisynthetisch aus einem makrozyklischen Lacton hergestellt, das von Streptomyces hygroscopicus gebildet wird. Chemisch unterscheidet es sich nur marginal (in einer Seitenkette des Cyclohexanrings) von Sirolimus und hat auch den gleichen Wirkmechanismus. Beide hemmen die Proliferation von Antigen-aktivierten T-Lymphozyten.

Auf molekularer Ebene binden Tacrolimus (FK506), Sirolimus (Rapamycin) und Everolimus an das gleiche Zielenzym im Zytoplasma, das FK506-Bindungsprotein-12 (FKBP12). Der Tacrolimus-Proteinkomplex interagiert direkt mit der Phosphatase Calcineurin; in der Folge wird die Expression von Zytokinen gebremst und der Zellzyklus in der G0-Phase gestoppt. Dagegen interagieren der Sirolimus- und der Everolismus-FKBP12-Komplex mit einem weiteren Schlüsselprotein namens FRAP, das Zellmetabolismus, Wachstum und Proliferation regelt. FRAP steht für FKBP-Rapamycin-assoziiertes Protein und wird auch „mammalian target of rapamycine“ (m-TOR) genannt. Die Aktivität der FRAP-Kinase ist essenziell für den Übergang des Zellzyklus von der G1- in die S-Phase. Fällt die Kinase aus, stoppt die Zellproliferation.

Everolimus hemmt sowohl die durch T-Zell-spezifische Wachstumsfaktoren (Interleukin 2 und 15) stimulierte Vermehrung von T- und B-Zellen als auch den Zuwachs nicht hämatopoetischer Zellen, zum Beispiel glatte Muskelzellen in Gefäßen. Die Proliferation dieser Gefäßmuskelzellen spielt eine Schlüsselrolle bei der chronischen Transplantatabstoßung.

Nach einer Transplantation werden immer mehrere immunsuppressive Arzneistoffe kombiniert. Sirolimus und Everolimus werden initial mit einer Ciclosporin-Mikroemulsion und Corticosteroiden gegeben.

In klinischen Studien mit nierentransplantierten Patienten unterdrückte Everolimus (1,5 oder 3 mg/Tag) die akute Abstoßung und den Verlust der neuen Niere nach sechs und zwölf Monaten ebenso wirksam wie Mycophenolatmofetil. In einer Studie mit 237 Patienten erlitten innerhalb eines Jahres 25,9 Prozent der Patienten aus der 1,5-mg-Gruppe und 19,2 Prozent aus der 3-mg-Gruppe eine Organabstoßung. Die zusätzliche zweimalige Gabe des monoklonalen Antikörpers Basiliximab verringerte in einer weiteren Studie mit 256 Patienten die Abstoßungsraten auf 13,7 und 15,8 Prozent.

Bei 634 herztransplantierten Patienten wurde Everolimus mit Azathioprin (1 bis 3 mg/kg Körpergewicht) verglichen, jeweils kombiniert mit Ciclosporin, Corticosteroiden und einem Statin. Beide Dosierungen des Makrolids konnten Abstoßung und Verlust des übertragenen Herzens und den Tod des Patienten besser verhindern als Azathioprin. Wachstum der Intimadicke, Vaskulopathien und Infektionen mit Cytomegalieviren, die als Risikofaktoren für chronische Abstoßungsreaktionen gelten, waren signifikant seltener. Allerdings litten die Patienten unter 3 mg Everolimus deutlich häufiger an bakteriellen Infektionen.

Da Makrolide die Nierentoxizität von Ciclosporin verstärken, muss Sirolimus nach drei Monaten Therapie abgesetzt werden. Everolimus hingegen darf man mit reduzierten Ciclosporin-Dosen weiterhin geben. Die Blutspiegel von Everolimus sollten überwacht werden, insbesondere wenn der Patient CYP-3A4-Induktoren oder -Inhibitoren einnimmt. Denn das Makrolid wird hauptsächlich über dieses Cytochrom-Isoenzym verstoffwechselt.

Fulvestrant

Seit Anfang März ist Fulvestrant (Faslodex®, AstraZeneca) als Second-line-Therapie bei fortgeschrittenen Mammakarzinom in Deutschland zugelassen. Dabei gilt die Zulassung für die Behandlung postmenopausaler Frauen mit Estrogenrezeptor-positivem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs, bei Rezidiv während oder nach adjuvanter Antiestrogentherapie sowie bei Progression der Erkrankung unter einer Antiestrogentherapie. Der Estrogenrezeptorantagonist ist in 5-ml-Fertigspritzen mit 250 mg Wirkstoff erhältlich und wird einmal pro Monat intramuskulär injiziert.

Fulvestrant (IC 182780) bindet kompetitiv an den Estrogenrezeptor mit einer dem Estradiol vergleichbaren Bindungsaffinität. Die Substanz unterscheidet sich in ihrem Wirkmechanismus grundlegend von den SERM-Wirkstoffen (selektiven Estrogenrezeptormodulatoren) wie Tamoxifen. Sie verhindert durch eine lange Seitenkette die notwendige Konformationsänderungen des Rezeptors und infolgedessen die Aktivierung der Transkriptions-Aktivierungsfaktoren AF1 und AF2. Da die Substanz keine partiell agonistische Wirkung wie Tamoxifen besitzt, wird erstmals eine vollständige Deaktivierung des Estrogenrezeptors erreicht. Zusätzlich verhindert Fulvestrant die Rezeptordimerisierung. Dadurch bleibt der Rezeptor gänzlich inaktiv und wird beschleunigt abgebaut (Downregulation). Des Weiteren weist Fulvestrant im Gegensatz zu den SERMs keine Kreuzresistenzen zu anderen Antiestrogenen oder Aromatasehemmern auf.

Nach der intramuskulären Injektion wird die Substanz langsam resorbiert, maximale Plasmaspiegel werden nach etwa sieben Tagen erreicht. Der Resorptionsprozess hält länger als einen Monat an, die monatliche Anwendung führt zu einer ungefähr zweifachen Akkumulation. Die terminale Halbwertszeit wird auf circa 50 Tage geschätzt. Fulvestrant unterliegt einer extensiven und schnellen Verteilung und wird zu 99 Prozent an Plasmaproteine gebunden.

Der genaue Metabolismus ist nicht vollständig geklärt, setzt sich aber aus Kombinationen verschiedener Biotransformationswege zusammen, die denen von endogenen Steroiden entsprechen. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über den Fäces, weniger als 1 Prozent wird über den Urin eliminiert.

Grundlage für die Zulassung sind die Daten von zwei multizentrischen, randomisierten Phase-III-Studien, in denen die einmal monatliche intramuskuläre Injektion von 250 mg Fulvestrant mit der täglichen Gabe von 1 mg des Aromatasehemmers Anastrozol (Arimidex®) verglichen wurde. Insgesamt nahmen an den Studien 851 postmenopausale Frauen teil, deren metastasiertes Mammakarzinom unter vorheriger endokriner Therapie rezidivierte oder weiter fortschritt. In der gemeinsamen Analyse zeigte sich Fulvestrant (428 Patientinnen) ebenso wirksam wie Anastrozol (423 Patientinnen). Nach einer Beobachtungszeit von 27 Monaten war die durchschnittliche Überlebenszeit gleich. Hinsichtlich der objektiven Ansprechrate (komplette plus partielle Remission) und dem klinischen Benefit (komplette plus partielle Remission plus Stabilisierung der Krankheit für mindestens 24 Wochen) zeigte sich Fulvestrant dem Aromatasehemmer tendenziell überlegen (19,2 versus 16,5 Prozent und 43,7 versus 41,1 Prozent). Zudem war die Ansprechdauer unter Fulvestrant mit durchschnittlich 16,7 Monaten höher als unter Anastrozol mit 13,7 Monaten.

Beide Substanzen waren gut verträglich und unterschieden sich nicht in Bezug auf unerwünschte Wirkungen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren gastrointestinale Beschwerden, Hitzewallungen, Harnwegsinfekte sowie thromboembolische Ereignisse. Allein Gelenkbeschwerden traten unter Fulvestrant signifikant seltener auf (5,4 versus 10,7 Prozent). Studienabbrüche wurden in 2,8 Prozent (Fulvestrant) und 1,9 Prozent der Fälle (Anastrozol) registriert.

Verschiedene kleinere Untersuchungen untersuchen zurzeit die Wirksamkeit von Fulvestrant nach mehreren Hormon- und Chemotherapien (third line). So konnte in einer Phase-II-Studie mit 32 Patientinnen, die bereits zwei endokrine Therapien mit einem Aromatasehemmer und Tamoxifen erhalten hatten, noch ein klinischer Benefit bei 34 Prozent der Frauen festgestellt werden. Top

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