Neue Faktor-VIII-Generation kurz vor Einführung |
08.02.1999 00:00 Uhr |
Mit dem rekombinanten Faktor VIII ist Bayer vor 14 Jahren in die Biotechnologie eingestiegen. Das Unternehmen hatte sich damals wegen der ungünstigen politischen Rahmenbedingungen für die Bio- und Gentechnologie in Deutschland für Berkeley/USA als Stand-ort entschieden. Dort wurden bis heute rund 420 Millionen US-Dollar investiert, mittelfristig werden es über 600 Millionen sein. In Berkeley sind heute mehr als 800 Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung beschäftigt.
Die Feier des zehnjährigen Jubiläums von Kogenate® im letzten Jahr in Mainz war auch mit der Präsentation eines neu formulierten rekombinanten Faktor-VIII-Produktes verbunden, das 1999 eingeführt werden soll. In der zweiten Medikamentengeneration wird das als Stabilisator verwandte menschliche Blutprotein Albumin durch eine Kombination aus Saccharose, Aminosäuren und Salze ersetzt. Laut Dr. Robert Kuhn von Bayer in Berkeley ist es damit gelungen, ein gentechnisch produziertes Faktor-VIII-Protein in seinem natürlichen Aufbau ohne Eiweißzusatz zu stabilisieren. Die Formulierung garantiert, daß das Faktor-VIII-Protein nicht nur im Endprodukt optimal löslich und stabil ist, sondern auch während des Gefriertrocknens.
Nach Angaben von Dr. Eduard Gorina, Quimica Famacéutica Bayer S.A., Barcelona, laufen zur Zeit weltweit Studien mit Erwachsenen und Kindern, die den neuen rekombinanten Faktor-VIII-SF (rFIII-SF) erhalten. Seit zwei Jahren nehmen vorbehandelte erwachsene Patienten an einer Studie mit rFVII-SF teil, berichtete Professor Dr. Inge Scharrer vom Zentrum für Innere Medizin der Universität Frankfurt/Main. Sowohl in der Klinik als auch in der Heimselbstbehandlung konnte die gute Verträglichkeit und Wirksamkeit der Formulierung belegt werden. Auch bei Operationen, die kleine chirurgische Eingriffe wie Zahnextraktionen bis hin zur Entfernung eines Hirntumors umfaßten, war die blutstillende Wirkung ebenso effektiv wie beim herkömmlichen Präparat.
Eine Komplikation der Therapie besteht in der Bildung von Antikörpern, die das Faktor-VIII-Protein neutralisieren und somit unwirksam machen. Das Phänomen kommt in der Regel bei bisher unbehandelten Patienten (Previously Untreated Patients, PUPs) vor. Die Betroffenen leben ständig in der Gefahr, daß nicht oder nur schwer zu stillende Blutungen auftreten. Ab dem Jahr 1989 wurden auch PUPs in die Studien eingeschlossen. Privatdozent Dr. Wolfhart Kreuz von der Abteilung für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der Universität Frankfurt/Main berichtete, daß von den 101 PUPs der internationalen Studie mit rekombinaten Faktor-VIII-Präparat 21 Patienten (19,8 Prozent) Antikörper entwickelten. In vergleichbaren Studien, in denen die Bluterkranken Faktor VIII aus menschlichem Blutplasma erhielten, betrug die Rate der Antikörperbildung zwischen 17,5 und 33 Prozent. Nach den Worten von Professor Dr. Rainer Zimmermann, Kurpfalzkrankenhaus und Hämophiliezentrum Heidelberg, kann der rekombinante Faktor VIII auch bei der Immuntoleranztherapie erfolgreich eingesetzt werden. Bei Patienten, die neutralisierende Antikörper bilden, ist eine Behandlung mit sehr hohen Faktor-VIII-Dosen möglich, durch die eine Toleranz des Blutgerinnungsfaktors vom Immunsystem induziert wird.
Von acht Immuntoleranzbehandlungen in der internationalen PUPs-Studie führten fünf
zur Beseitigung des Antikörpers. Bei zehn von elf weiteren Patienten, die Antikörper
nach Gabe unterschiedlichster Präparate entwickelten und teilweise schon jahrelang mit
einem erhöhten Blutungsrisiko leben mußten, wurde der rekombinante Faktor VIII ebenfalls
erfolgreich eingesetzt. In seltenen Fällen entwickeln auch nicht-hämophile Patienten
nach einer schweren Erkrankung Antikörper gegen den Faktor VIII. Sie konnten mit einer
Kombination aus rekombinantem Faktor VIII, Immunglobulinen und Immunadsorption (Verfahren
zur Antikörperbeseitigung) erfolgreich therapiert werden.
© 1999 GOVI-Verlag
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