Pharmazie
Erythromycin gehört zur Gruppe der Makrolid-Antibiotika und enthält
neben der Hauptkomponente Erythromycin A noch bis zu fünf Prozent
Erythromycin B und in geringer Menge Erythromycin C. Erythromycin wird
durch Extraktion der Kulturlösung von Streptomyces erythreus bei
alkalischem pH mit einem organischen Lösungsmittel gewonnen. Hieraus
läßt sich das Antibiotikum sauer ausschütteln und reinigen. Im Verlauf des
Reinigungsverfahrens werden Lösungsmittelreste entfernt. In der früheren
DAB-9-Monographie wird das Erythromycin unter "Eigenschaften" als
geruchlos bezeichnet. Erythromycinproben sind jedoch selten geruchlos. Sie
besitzen häufig einen charakteristischen aminartigen Geruch. In der
Erythromycin-Monographie in DAB 10 und der jetzt gültigen Monographie
im Ph. Eur. 1997 fehlt eine Angabe zum Geruch unter der Rubrik
"Eigenschaften".
Eine Prüfung auf Restlösungsmittel oder auf sonstige flüchtige organische
Verbindungen sieht die Erythromycin-Monographie nicht vor. Aus diesem Grund
wird im ZL keine routinemäßige Prüfung auf Restlösungsmittel in
Erythromycin-Reinsubstanz vorgenommen. Es wird jedoch bei jeder zur Prüfung
eingehenden Erythromycinprobe eine organoleptische Prüfung auf Geruch nach Ph.
Eur. 1997, 2.3.4, in leicht geänderter Form (etwa 3 bis 5 g anstatt 0,5 bis 2 g)
vorgenommen. Fiel eine Probe bei dieser Prüfung durch einen penetranten Geruch
auf, wurde sie entsprechend beanstandet. Aus Gründen der Homogenität,
Probenziehung et cetera kann ein Fremdgeruch bei einer Probe eines größeren
Musters (30 bis 50 g) mit größerer Wahrscheinlichkeit erkannt werden als bei der
eines kleinen Musters (etwa 3 bis 5 g), das nicht im Originalgebinde, sondern zum
Beispiel in einer gasdurchlässigen Tüte oder einem Kunststoffbehälter vorgelegt
wird. Sensorische Prüfungen haben eben ihre Besonderheiten.
So wurden zum Beispiel Proben der von der Firma Bufa wegen Lösungsmittelspuren
zurückgerufenen Charge 98E19FU von uns einmal negativ (es lagen nur etwa 3 g
Muster vor) und zum anderen Male wegen starken Geruchs (es lagen 25 bis 100 g
Muster vor) positiv beurteilt. Das gleiche gilt für die Charge 980319 der Firma Euro
Pharm.
Die Bestimmung der Schmelztemperatur von Erythromycin ist für Identitätszwecke
oder als Reinheitsprüfung ungeeignet. Laut Literaturangaben schmelzen die im
Vakuum bei 56 °C getrockneten Erythromycinkristalle zuerst bei 135 bis 140 °C.
Dann erstarrt die Schmelze und zeigt bei weiterem, langsamen Erhitzen einen zweiten
Schmelzpunkt bei 190 bis 193 °C. In Ph. Eur. 97 ist keine Schmelztemperatur in der
Erythromycin-Monographie angegeben. Die Ph. Eur. 97 prüft die Identität durch
Dünnschichtchromatographie mit authentischer Referenzsubstanz und durch zwei
Farbreaktionen. Bei der Identitätsprüfung durch Infrarotspektroskopie können
organische Lösungsmittelreste in sehr geringer Konzentration in Erythromycinproben
auf keinen Fall detektiert werden, wie manchmal fälschlicherweise angenommen
wird. Das IR-Spektrum einer festen Probe, welche vor dem Verpressen auch stark
gemörsert wird, gibt keine Hinweise zu den im ppm-Bereich vorliegenden
Restlösungsmitteln. Das IR-Referenzspektrum im Kommentar des DAB 1996 wird
sogar in 5prozentiger Chloroformlösung in einer Schichtdicke von 0,5 mm
aufgenommen.
Eine objektive Beurteilung kann nur durch eine aufwendige gaschromatographische
»Head-space« Analyse, zum Beispiel nach V.3.3.9, DAB 1996, oder durch
Wasserdampfdestillation und anschließende Gaschromatographie mit gegebenenfalls
massenspektrometrischer Detektion erfolgen. Dazu müssen auch die zulässigen
Grenzwerte für die Restlösungsmittel in der jeweiligen Arzneibuchmonographie
bekannt sein.
Die Hersteller, die solche Arzneigrundstoffe mit Analysenzertifikaten in Verkehr
bringen, sind verpflichtet, in Verdachtsmomenten eine solche Prüfung auf
Restlösungsmittel vorzunehmen. Der Syntheseweg eines Arzneigrundstoffs sollte den
Herstellern bekannt sein, um konsequenterweise beim Vorliegen der
Verdachtsmomente auf Fremdverunreinigungen wie Lösungsmittel zu prüfen. Im
ICH Q3C: Impurities-Guidelines for residual solvents wird zum Beispiel die
Chloroform-Konzentration als »Class 2 solvent in pharmaceutical products« auf 60
ppm limitiert. Bei einer Geruchsprüfung kann aus praktischen Gründen nicht in jedem
Fall eine aufwendige Restlösungsmittel-Analyse durchgeführt werden, insbesondere
da bei der gültigen Arzneibuchmonographie weder eine solche Prüfung vorgesehen,
noch Grenzwerte angegeben sind. Das ZL wird jedoch diesen Fall zum Anlaß
nehmen, bei ausgesuchten Erythromycinproben eine Analyse von
»Restlösungsmitteln« vornehmen zu lassen. Wir werden von dem
Untersuchungsergebnis berichten.
Beitrag des ZL
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