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Tacrolimus-Salbe bremst überschießende Immunreaktion

Datum 15.04.2002  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Neurodermitis

Tacrolimus-Salbe bremst überschießende Immunreaktion

 

von Eva Melzer, München

Seit kurzem können Neurodermitiker mit einer Tracrolimus-haltigen Salbe behandelt werden. Experten versprechen sich von der neuen Therapieoption ein günstigeres Nebenwirkungsprofil.

So mancher Betroffene möchte am liebsten aus der Haut fahren, wenn nicht enden wollende Juckreizattacken das Leben zur Qual machen. Bisher stützte sich die rein symptomatische Therapie der Neurodermitis und atopischen Dermatitis auf ein Basisprogramm, bestehend aus intensiver Hautpflege mit geeigneten Cremes und Bädern. Substanzen, denen eine Art Triggerfunktion zukommt, sollten die Betroffenen nach Möglichkeit aus dem Weg gehen. Im Bedarfsfall könne eine allergologische Beratung die Basistherapie abrunden, erläuterte Professor Dr. Alexander Kapp, Hannover, auf einer Pressekonferenz in München.

Um die Entzündung in den Griff zu bekommen, behandelte man bislang hauptsächlich mit Corticosteroiden. Doch zahlreiche Nebenwirkungen zwingen zu einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung im Einzelfall: Neben der Hautatrophie gehören Wundheilungsstörungen, erhöhte Infektionsneigung und Steroidakne zu den unerwünschten lokalen Effekten bei längerfristiger Anwendung. Seit 15. April vertreibt Hersteller Fujisawa in Deutschland eine Tacrolimus-haltige Salbe (Protopic®).

Entgleiste Immunantwort

Mehrere Fehlfunktionen führen bei Neurodermitikern zu einer überschießenden Immunreaktion, erklärte Dr. Michael Offers, München. Die in der Epidermis lokalisierten Langerhanszellen präsentieren vermehrt Antigene auf der Oberfläche von T-Zellen. In einem nächsten Schritt folgt eine verstärkte Antwort der T-Helferzellen vom Typ Th2, die ihrerseits die Produktion von IgE-Antikörpern in den B-Lymphozyten ankurbelt. Binden diese Antikörper an Rezeptoren eosinophiler und basophiler Granulozyten sowie Mastzellen, werden verstärkt Entzündungsmediatoren wie Histamin, Bradykinin oder Serotonin ausgeschüttet. Der Kontakt von IgE-Antikörpern mit Langerhanszellen dagegen erhöht weiter die Bereitschaft zur Antigenpräsentation - ein Teufelskreis beginnt.

Mehrere Angriffspunkte

Das Makrolid Tacrolimus unterbricht diese Reaktionskaskade an verschiedenen Stellen, berichtete Offers. Zum einen werde die Bereitschaft der Langerhanszellen herabgesetzt, Antigene zu präsentieren. Zum anderen verhindere der Wirkstoff durch eine Blockade der Signaltransduktion in den T-Zellen die Produktion von Zytokinen.

Dazu bindet Tacrolimus im Zytoplasma der T-Zelle an die Schlüsselsubstanz FKBP-12 (FK bindendes Protein 12). Der so entstandene Komplex deaktiviert Calcineurin, eine Calcium- und Calmodulin-abhängige Phosphatase, die normalerweise für die Dephosphorylierung des Zytokin-Gen-Aktivators NF-AT sorgt. Der Aktivator gelangt nicht mehr in den Zellkern der T-Zelle, um seine Botschaft zur Zytokinproduktion zu überbringen. Damit ist die Signalkaskade lahmgelegt.

Die Protopic®-Salbe enthält 0,03 beziehungsweise 0,1 Prozent Tacrolimus. Die niedrige Dosierung ist zur Behandlung schwerer Formen der Atopischen Dermatitis bei Kindern ab zwei Jahren zugelassen, die höhere habe sich in klinischen Studien als Einstiegsdosis für Erwachsene bewährt, erklärte Professor Dr. Thomas Bieber aus Bonn. Bei beiden Patientengruppen wurde Tacrolimus bislang ausschließlich in Monotherapie untersucht.

Als häufigste Nebenwirkungen traten in den klinischen Tests bei etwa 50 Prozent der Patienten unmittelbar nach dem Auftragen der Tacrolimus-Salbe Hautreizungen in Gestalt von Brennen, Jucken oder Rötungen auf. Diese verschwanden jedoch meist innerhalb der ersten Behandlungswoche wieder. Vergleichsuntersuchungen mit Placebo legen die Vermutung nahe, dass hierfür die Salbengrundlage verantwortlich ist.

Aufgrund seines hohen Molekulargewichtes von 822,3 Dalton werde der Arzneistoff lediglich im entzündlichen Stadium vorübergehend in geringem Ausmaß durch die Haut resorbiert, erklärte Kapp aus. Nur in Einzelfällen habe man Plasmakonzentrationen über 1 ng/ml gemessen. Sobald die Entzündungen abgeheilt seien, könne eine Resorption überhaupt nicht mehr nachgewiesen werden, so Kapp. Er schätzte die Gefahr systemischer Nebenwirkungen als sehr gering ein. Ergeben sich Hinweise auf eine nachweisbare Resorption im entzündlichen Stadium, wird im Einzelfall eine wiederholte Blutspiegelkontrolle empfohlen.

In klinischen Langzeituntersuchungen über ein Jahr besserten sich die klinischen Symptome der Neurodermitis bei Kindern und Erwachsenen bereits im Schnitt nach einer Woche spürbar. Nach einem Jahr beobachtete man bei 70 Prozent der Betroffenen eine komplette Remission. Trotz des Juckreizes nach Auftragen der Salben hielten 75 Prozent der Erwachsenen und Kinder die Therapie über ein Jahr lang durch.

Eine Chance für Kinder

Tacrolimus-Salbe ist für Kinder mit schwerer Neurodermitis eine echte Alternative zu den bisher eingesetzten Corticosteroiden oder Cyclosporin, betonte Dr. Doris Staab, Oberärztin an der Klinik für Pädiatrie der Charité Berlin. Anders als Corticosteroide greife Tacrolimus nicht den Kollagenstoffwechsel ein und führe daher auch bei längerfristiger Anwendung nicht zu Atrophieerscheinungen der Haut. Damit eigne sich die Salbe besonders zur Behandlung empfindlicher Stellen im Gesichts- oder Halsbereich.

Unter Tacrolimus sei eine leicht erhöhte Häufigkeit von Herpesinfektionen festgestellt worden. Windpockeninfekte hätten die beobachteten Kindern ohne Probleme durchlebt. Dr. Staab gab dennoch zu bedenken, dass sich das Risiko für Spätfolgen nach jahrelangem Einsatz von Tacrolimus auf Grund der geringen Erfahrungswerte noch nicht abschätzen lässt.

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