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Antibiotikaresistenzen weiter auf dem Vormarsch

Datum 29.03.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

Antibiotikaresistenzen weiter auf dem Vormarsch

von Susanne Kretschmer, Wuppertal

Immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika. So wurde vor kurzem in der Presse von einer 35jährigen krebskranken Frau aus Hongkong berichtet, die an einer Infektion mit einem Vancomycin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stamm starb. Resistente Staphylococcus-aureus-Stämme waren bisher nur in Japan, den Vereinigten Staaten, Frankreich aufgetreten. Im vergangenen Jahr entedeckten Wissenschaftler auch in Nordrhein-Westfalen und Berlin Staphylokokkenstämme mit verminderter Vancomycin-Empfindlichkeit. Das Glykopeptid-Antibiotikum galt bisher als letztes Mittel gegen Bakterienstämme, die gegen die üblicherweise eingesetzten Antibiotika resistent sind.

Antibiotikaresistenz, das heißt bakterielles Wachstum in Gegenwart eines Antibiotikums bei der im Gewebe erreichbaren Konzentration, beruht auf Stoffwechseleigenschaften einzelner Bakterienstämme. Die Gene hierfür liegen auf den bakteriellen Chromosomen oder auf extrachromosomalen Plasmiden. So kann Penicillinresistenz zum Beispiel durch ß-Lactamasen entstehen, die den ß-Lactamring hydrolysieren (1).

Solche Stoffwechseleigenschaften sind entweder ein Charakteristikum des Bakterienstamms oder werden durch spontane Mutation erworben. Durch Antibiotika entsteht ein Selektionsdruck, der die Vermehrung resistenter Stämme begünstigt. Die Bakterien dieser Stämme können Resistenzen über interbakterielle DNA-Transfers weiterverbreiten.

Wege des Resistenztransfers

Bakterien können beispielsweise die Informationen für Antibiotikaresistenzen bei der Transformation aufnehmen. Streptococcus pneumoniae erlangt seine Penicillinresistenz, indem kleine DNA-Segmente eng verwandter Stämme (Streptococcus oralis und Streptococcus mitis) aufgenommen und in die Gene für Penicillin-bindende-Proteine durch homologe Rekombination eingebaut wurden.

Auf diese Weise entstanden Mosaikgene, die für Proteine mit geringerer Affinität zu Penicillin codieren. Der so gebildete Organismus kann sich normal vermehren, ist weniger empfindlich gegen Penicillin und scheint seine Virulenz zu behalten (2).

Bei der Transduktion infizieren Bakteriophagen (Bakterienviren) die Bakterienzelle. Sie können dabei nicht nur eigene DNA, sondern auch fremde bakterielle DNA übertragen. Streptococcus pyogenes hat Gene für die Erythromycin-Resistenz durch Transduktion erworben (2).

Die dritte Möglichkeit, Resistenzgene aufzunehmen, ist die Konjugation. Dabei werden Plasmide über einen direkten Kontakt zweier Bakterienzellen durch Sex-Pili übertragen. Zum Beispiel kann so die multiple Resistenz von Salmonellae oder Shigellae gegen Sulfonamide, Tetracycline und Streptomycin auf einen sensitiven Escherichia-coli-Stamm in vitro und in vivo übertragen werden (1). Die Resistenzübertragung durch Konjugation führte jüngst zu einer Epidemie multiresistenter E. coli und Klebsiella pneumoniae in den USA (3).

Auch Transposons können Resistenzen weitergeben. Transposons sind DNA-Abschnitte, die ihren Ort auf dem zellulären Genom wechseln können, indem sie zum Beispiel vom Chromosom auf das Plasmid springen und umgekehrt oder innerhalb des Chromosoms ihre Position verändern. Sie tragen zur Verbreitung von Resistenzen bei, weil einerseits stille chromosomale Gene aktiviert werden können, andererseits auch Plasmide mit Multiresistenzen entstehen. Diese R-Plasmide können wiederum durch Gentransfer weiter übertragen werden. Durch die Transposition erhielt wahrscheinlich Staphyloccocus aureus das Methicillinresistenzgen mecA (4).

Weitere Resistenzmechanismen

Ein sonst erfolgreiches Antibiotikum kann aber auch dann unwirksam werden, wenn normalerweise extrazellulär wachsende Bakterien in die Wirtszellen gelangen und dort intrazellulär überleben. Dies könnte bei solchen Streptococcus-pyogenes-Pharyngealinfektionen vorliegen, die trotz Penicillintherapie persistieren. In den Epithelzellen des Respirationstrakts überleben Streptococcus-pyogenes-Stämme intrazellulär auch bei Penicillingabe, weil das hochpolare Penicillin die Zellmembran nicht passieren kann (2). Nach neuesten Forschungsergebnissen können Streptokokken, die das prtf1-Gen tragen, das das Fibronectin-bindendes Protein codiert, offenbar leichter in Epithelzellen eindringen(5).

Nach einer anderen Hypothese könnte das Versagen der Penicillintherapie bei Streptococcus-Pharyngealinfektionen auch auf die Synthese von ß-Lactamasen durch andere im Nasopharynx wachsende Bakterien (Staphylococcus aureus und Bacteroides fragilis) sowie der damit verbundenen Penicillinhydrolyse zurückzuführen sein (2).

Über welchen Mechanismus Staphylococcus aureus wie eingangs erwähnt eine Vancomycinresistenz erwarb, ist noch nicht geklärt. Obwohl Vancomycinresistenzgene von Enterokokken auf Staphylococcus aureus übertragen werden können, wird eine Beteiligung dieser Gene ausgeschlossen (4, 6). Bei Vancomycin-sensitiven Enterokokken bindet dieses Antibiotikum an Strukturen in der Zellwand, die ein Pentapeptid mit einem D-Alanin-D-Alanin-Terminus enthalten und inhibiert so die weitere Zellwandsynthese.

Enterokokken mit dem Vancomycinresistenzgen vanA synthetisieren eine alternative Struktur, an dessen Ende eine D-Alanin-D-Lactat steht, an die Vancomycin nicht binden kann (4). Bei vancomycinresistenten Staphylokokken wird diskutiert, daß Vancomycin auf eine alternative Art gebunden wird und somit nicht an Peptidoglycan-Strukturen der Zellwand binden kann.

Nach einer anderen Hypothese liegt eine Überproduktion Penicillin-bindender-Proteine vor, die mit Vancomycin um die Bindung die Peptidoglycan-Strukturen konkurrieren (6).

Resistenzen gegen Antibiotika sind weit verbreitet, werden auf vielfältige Art übertragen, und ihr Transfer im menschlichen Verdauungstrakt kann nicht ausgeschlossen werden. Deshalb empfiehlt das Berliner Robert Koch-Institut in einer Pressemitteilung, daß Gentechniker grundsätzlich keine Pflanzen oder Mikroorganismen auf den Markt bringen sollten, die Markergene mit Antibiotikaresistenzen besitzen. Auch sollten Lebens- und Futtermittel keine Markergene enthalten, die zu Resistenzen gegen medizinisch wichtige Antibiotika führen können.

Literatur

(1) Simon C., Stille W., Wilkinson P.J., Antibiotic therapy in clinical practice, Schattauer Stuttgart, 1993.

(2) Gillespie S.H., Lancet 352 (1998) 1954 - 1956.

(3) Wiener J. et al., JAMA 281 (1999) 517 - 523.

(4) Hawkey P.M., BMJ 317 (1998) 657 - 660.

(5) Neeman et al., Lancet 352 (1998) 1974 - 1977.

(6) Waldgold F. A., NEJM 340 (1999) 556 - 557.. Top

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E-Mail: redaktion@govi.de

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