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Viel Lärm um nichts

12.03.2001  00:00 Uhr

HÖRPILLE

Viel Lärm um nichts

von Ulrich Brunner, Eschborn

"Endlich gibt es ernst zu nehmende Hilfe für aktiveres Hören..." so der Wortlaut eines Werbebriefes, den das Münchener Unternehmen Brench Pharma Mitte Februar an zahlreiche Apotheken im gesamten Bundesgebiet verschickte. Das Schreiben bezieht sich auf scheinbar viel versprechende Ergebnisse einer Studie mit Polytamin®, einem Cocktail aus insgesamt 18 Bestandteilen, darunter verschiedene Vitaminen, Mineralien sowie Procain und Rutosid.

"Die Hörpille Polytamin® zeigt in der Studie eine signifikante hörverbessernde Wirkung von 28,2 Prozent", zitiert Brench Pharma den Studienleiter Professor Dr. Kailash Kumar Gauri, der die Untersuchung angeblich am Pharmakologischen Institut der Universität Hamburg betreut haben soll. Man habe die Arbeit in Auftrag gegeben, um den für die Nachzulassung notwendigen Wirksamkeitsnachweis zu erbringen, heißt es weiter.

Bis dato wurden die vollständigen Studienergebnisse jedoch noch nicht publiziert. Einzelne Daten finden sich lediglich in einer Broschüre des Unternehmens sowie einem Schreiben von Gauri an die Firma. "Ein Produkt, das eine lange Liste von bisher nicht belegten Anwendungsgebieten ausweist, wird aufpoliert und als neues Präparat gegen Altersschwerhörigkeit beworben", erklärt Dr. Christian Steffen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in der Zeitschrift Öko-Test. Der Verbraucher glaube, ein neues und auf Wirksamkeit geprüftes Präparat zu erwerben. Bis diese Wirksamkeit vom BfArM überprüft werden kann, verbleibe genügend Zeit, damit Geld zu verdienen, so Steffen weiter.

Eine Studie mit Polytamin® sei am Pharmakologischen Institut in Hamburg nie gelaufen, stellt dessen Institutsleiter Professor Dr. Hasso Scholz auf schriftliche Anfrage (siehe auch PZ 9, Seite 91) die Angaben von Brench Pharma richtig.

Inzwischen hat sich auch Gauri, der nach eigenen Angaben als Pharmakologe an der Augenklinik des Universitätskrankenhauses Eppendorf tätig war, von den Äußerungen des Münchner Unternehmens distanziert. Bei der Polytamin-Untersuchung handele es sich lediglich um eine Anwendungsbeobachtung, die weder zur Publikation geeignet sei, noch als Wirksamkeitsnachweis im Zuge eines Nachzulassungsverfahrens beim BfArM eingereicht werden könne, so ein Mitarbeiter Gauris gegenüber der PZ. Gauri sei darüber verärgert, dass Brench Pharma die Untersuchung falsch und unvollständig zitiert habe (lesen Sie dazu auch die untenstehende Stellungnahme). 

Nimmt man die im Werbebrief von Brench genannten Zahlen näher unter die Lupe, ergeben sich diverse Ungereimtheiten; zum Beispiel die dort erwähnte Besserungsrate der Schwerhörigkeit von 28,2 Prozent. Gauri berichtet in seinem Schreiben nämlich nicht von einer Besserung um 28,2 Prozent sondern bei 28,2 Prozent der Behandelten. In sämtlichen Unterlagen fehlen außerdem genauere Angaben zu Methodik oder zur statistischen Auswertung.

Inzwischen warnen bereits Selbsthilfegruppen wie der Deutsche Schwerhörigenbund vor den unseriösen Heilversprechen der Firma. Eine Pille gegen Schwerhörigkeit gebe es nicht. Bei Betroffenen würden nur falsche Hoffnungen geweckt.

 

Literatur

  1. Werbeschreiben der Brench Pharma AG vom 8. Februar 2001
  2. Schreiben von Professor Dr. K. Gauri vom 13. Dezember 2000
  3. Multizentrische Doppelblindstudie Polytamin®, Gauri, K., Info der Brench Pharma AG vom 25. Januar 2001
  4. Vorsicht Desinformation, Arzneimitteltelegramm vom 9. März 2001
  5. Pille gegen Altersschwerhörigkeit, Deutscher Schwerhörigenbund e.V., Berlin, www.schwerhoerigkeit.de/dsb/aktuell/news/polytamin/pille.htm 

 

Gauri hält Aussagen für missverständlich

Die von Brench Pharma verbreiteten Werbebotschaften zu ihrem Präparat Polytamin® beziehen sich auf eine Untersuchung, die unter Leitung des Hamburger Pharmakologen Professor Dr. Gauri durchgeführt wurden. Auf Anfrage der PZ bezog Gauri zu den Äußerungen des Unternehmens wie folgt Stellung.

"...Wie ich hörte, soll die Brench Pharma AG, ein Unternehmen, das uns mit der Entwicklung und Neuzulassung eines Medikamentes beauftragte, geäußert haben, eine orientierende Anwendungsbeobachtung des Vielstoff-Altpräparates Polytamin sei als Zulassungsstudie zu werten. Ich halte diese Äußerung für sehr missverständlich und möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Studie als orientierende Anwendungsbeobachtung bewertet werden muss und keinesfalls die Kriterien einer Zulassungsstudie erfüllt. Eine derartige Studie würde bei dem Präparat auch wenig sinnvoll erscheinen, da es sich bei dem Altpräparat Polytamin um ein Vielstoffpräparat mit allen Implikationen handelt. Die Brench Pharma AG wurde von mir sehr eindeutig und nachhaltig über die Anwenderbeobachtung informiert und auch auf die weiteren Umstände, wie ich sie oben aufführte, sehr ausführlich hingewiesen. Im Ergebnis ergab sich daher die Entscheidung einer Neuentwicklung..."

 

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