Pharmazie
dpa. Insgesamt neunzehn Jugendliche haben sich mit einem
selbstgekochten Tee aus Stechapfel (Datura stramonium) zum Teil schwer
vergiftet. Die fünfzehn und sechzehn Jahre alten Schüler wurden am 28.
Oktober in Krankenhäuser in Waren und Plau in
Mecklenburg-Vorpommern eingeliefert. Inzwischen seien die Kinder außer
Gefahr, so die zuständigen Ärzte.
"Seit etwa einem Jahr wurden mehrfach Jugendliche, die sich aus Datura einen Tee
gekocht haben, bei uns eingeliefert", berichtete der Chefarzt der Warener
Kinderklinik. Versuche, die Pflanze als Droge in Form von Tees zu mißbrauchen,
seien üblich.
Zubereitungen aus dem Stechapfel können Verwirrtheit, Delirium und
Gedächtnisschwund hervorrufen und im Extremfall sogar zu bleibenden Hirnschäden
führen. Vor allem der Inhaltsstoff Scopolamin steigert die Herzfrequenz, das
Sichtfeld wird getrübt und die Pupillen erweitert. Die Körpertemperatur steigt und es
kommt zu Mundtrockenheit. "Der Stechapfel führt normalerweise nicht zu
lebensbedrohlichen Vergiftungen", sagte Professor Dr. Michael Lentze von der
Vergiftungsinformationszentrale des Landes Nordrhein-Westfalen an der
Universitätskinderklinik Bonn. Bei hohen Dosierungen könne das Gift aber
epileptische Krämpfe verursachen. Als Folge seien Sauerstoffmangel im Gehirn und
damit bleibende Hirnschäden möglich.
Der Stechapfel war in Europa wichtiger Bestandteil sogenannter Hexensalben sowie
Zauber- und Liebestränke. Bei den Inkas und im alten Indien spielte er als
Götterdroge eine wichtige Rolle, war aber nur Eingeweihten vorbehalten. Aufgrund
seiner starken Giftigkeit wurde er in der Medizin zunächst wenig genutzt. Später
setzte man Stechapfel-Zubereitungen als krampflösendes Mittel bei Asthma und
Keuchhusten an. Die Bewußtseinstrübung und ein fehlende Erinnerung an das
Rauscherlebnis machen Scopolamin jedoch als Droge wenig attraktiv.
Datura stramonium gehört zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae).
Seine Merkmale sind große hängende Blüten in weiß, gelb, rosa oder orangerot und
stachelige Früchten. Mehr als 20 verschiedene Arten wachsen in gemäßigten,
subtropischen und tropischen Zonen. Die bekannteste Art ist die aus Mexiko
stammende Engelstrompete. Stechapfelblätter und -samen sowie ihre Zubereitungen
sind verschreibungspflichtig.
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