Beipackzettel »unschädlich« machen |
07.11.2005 00:00 Uhr |
Packungsbeilagen von Arzneimitteln verunsichern einer Umfrage zufolge etwa jeden dritten Patienten. Nimmt dieser dann das Medikament nicht ein, wird die Gesundheit zusätzlich geschädigt. Verbraucherschützer und die AOK fordern daher vereinfachte Beipackzettel.
28 Prozent von 1900 repräsentativ befragten GKV-Versicherten haben im vergangenen Jahr allein auf Grund der Packungsbeilage ein Medikament abgesetzt oder gar nicht erst eingenommen. Dies ergab eine Studie, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) zusammen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) durchgeführt hat. »Beipackzettel sind häufig nicht nur unnütz, sondern sogar schädlich«, kommentierte Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes, die Studienergebnisse bei ihrer Vorstellung in Berlin. Packungsbeilagen könnten das Einhalten einer medikamentösen Therapie und damit die Gesundheit gefährden.
Der Wunsch, sich mit Hilfe der Packungsbeilage über das Arzneimittel zu informieren, besteht jedoch. Der Umfrage zufolge dient der Beipackzettel 65 Prozent der Patienten als Informationsquelle und damit ebenso häufig wie die Apotheke (Arzt: 84 Prozent). Doch: »Packungsbeilagen sind für Verbraucher schwer lesbar, schlecht verständlich und nicht nützlich«, sagte Helmut Schröder, Mitautor der Studie, die auch die Beipackzettel der 100 verordnungsstärksten Arzneimittel unter die Lupe nahm. Demnach wies mehr als die Hälfte eine Schriftgröße kleiner 6 pt (Punkt Didot) auf, obwohl eine Mindestschriftgröße von 8 pt gefordert ist. Zudem waren sie zumeist unübersichtlich und nicht verständlich: Die Studienautoren fanden im Mittel 29 Fremdwörter pro Packungsbeilage, von denen mehr als ein Viertel nicht erläutert wurde, obwohl das AMG eine allgemein verständliche Sprache fordert. Häufigkeitsangaben zu Nebenwirkungen, die den Patienten das mögliche Risiko einschätzen lassen, wiesen nur 8 Prozent auf.
Auf diese Mängel wollen AOK und vzbv nun Hersteller, das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufmerksam machen. Die nötige Erkenntnis liegt beim BfArM zwar vor sind viele der Verbesserungsvorschläge doch schon in den eigenen Empfehlungen zur Gestaltung von Packungsbeilagen enthalten. Doch mit der Umsetzung hapert es noch. Möglich wäre es, bei der Gestaltung Patientengruppen oder Institutionen einzubeziehen, die auf Lesbarkeit und Verständlichkeit testen, so vzbv-Vorstand Professor Dr. Edda Müller. Ahrens gab sich weniger diplomatisch· »Man darf Arzneimittel nicht zulassen, wenn die Beipackzettel nicht lesbar sind!«
Hehrer Wunsch
Um Beipackzettel patientenfreundlicher zu machen, sollen die Inhalte mehr an den Interessen der Verbraucher ausgerichtet sein, heißt es in der Studie. Eine verständliche Sprache und eine ausreichend große Schrift wären ebenso hilfreich wie ein reduzierter Umfang. Die Übersicht könnte mit gestalterischen Mitteln wie Piktogrammen verbessert werden. Denkbar ist nach Meinung der Studienautoren, zusätzlich über das Internet oder in der Apotheke »Spezialinformationen« zur Verfügung zu stellen etwa zu seltenen Nebenwirkungen oder für kleine Patientengruppen. Die rechtliche Situation der Hersteller bezüglich der Veröffentlichung aller Nebenwirkungen auf einer Packungsbeilage müssten vermutlich geändert werden.
Ob es dazu kommen wird, bleibt fraglich, ist es doch nicht das erste Mal,
dass hier Änderungen gefordert werden. Eine patientenfreundliche
Packungsbeilage wäre sicher im Sinne aller. Denn ein gut informierter Patient
hat in der Regel eine bessere Compliance und erkennt eher unerwünschte
Nebenwirkungen oder Medikationsfehler. Bis sich hier etwas ändert, bleibt das
Bestreben beider Organisationen ein hehrer Wunsch, der zudem ihrem Image gut
tut und Apotheker müssen weiter unbegründete Patientenängste beheben.
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