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Neue Sensoren und Insulin als Nasenspray

26.10.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Neue Sensoren und Insulin als Nasenspray

Das Bemühen der Wissenschaftler um neue Therapieformen beim Diabetes mellitus ist groß. Pankreastransplantation und Inselzelltransplantation sind die wichtigsten Schlagworte. Doch solche Verfahren sind noch Zukunftsmusik. Neuerungen kommen eher in kleinen Schritten, wie beim Deutschen Diabetikertag in Kassel deutlich wurde.

Viele Diabetiker setzten auf die Wissenschaft und hoffen darauf, daß es in wenigen Jahren grundsätzlich neue und kurative Behandlungsformen gibt. Doch von Verfahren wie der Inselzell- oder der direkten Pankreastransplantation profitieren bislang erst wenige Patienten. Die Methodik steckt auf absehbare Zeit noch im experimentellen Stadium und kann keinesfalls als Routineverfahren propagiert werden, erläuterte Professor Dr. Reinhard Bretzel aus Gießen während des Deutschen Diabetikertages in Kassel.

Eine Pankreastransplantation kommt nur in Betracht, wenn der Patient bereits dialysepflichtig ist und eine Nierentransplantation angezeigt ist, meinte Bretzel. Dann könne versucht werden, beide Organe kombiniert zu übertragen. Weltweit wurden etwa 1.000 Patienten mit einer solchen Strategie behandelt. Der Eingriff sei schwierig, doch könne sich die Erfolge sehen lassen. Immerhin funktioniere bei 80 Prozent der Patienten noch nach einem Jahr das neue Organ. Nach fünf Jahren sei das noch bei zwei Drittel der Fall. Die Patienten müßten allerdings lebenslang Immunsuppressiva einnehmen. Allerdings brauchten sie dann kein Insulin mehr zu injizieren und seien nicht mehr dialysepflichtig.

Hoffnung auf die Inselzelltransplantation

Einem völlig anderen Ansatz folgt die Inselzelltransplantation, bei der dem Diabetiker insulinproduzierende Pankreaszellen unter lokaler Betäubung in die Leber injiziert werden. Weltweit wurden so rund 300 Diabetiker behandelt. Die Erfolge seien eher mäßig, denn nur bei einem Drittel von ihnen blieb die Funktionsfähigkeit der Zellen über ein Jahr erhalten, sagte Bretzel. Bessere Resultate erziele man, wenn eine solche Inselzelltransplantation zusammen mit einer Nierentransplantation erfolgt. Dann bliebe bei drei von vier Patienten die Funktion der Inselzellen über ein Jahr erhalten.

Die Transplantationsversuche haben nach Meinung Bretzels durchaus Perspektive. Die Inselzellen müßten übertragen werden, bevor die Nieren zugrunde gegangen sind. Nun geht es laut Bretzel darum, Verfahren zu entwickeln, um eine Immuntoleranz gegenüber den injizierten Zellen zu induzieren und so Abstoßungsreaktionen zu unterbinden. Inzwischen versuchen Wissenschaftler, somatische Zellen gentechnisch so zu verändern, daß sie Insulin produzieren und die Funktion der zerstörten ß-Zellen übernehmen. Dabei ist es auch denkbar, tierische Zellen gentechnisch so zu modulieren, daß sie anschließend auf den Menschen übertragen werden können.

Inhalatives Insulin und Glukose-Sensoren

Andere Lösungen und Therapieverbesserungen liegen wesentlich näher, meinte der Gießener Diabetologe. Beispielsweise könnte inhalierbares Insulin bald die leidige Insulinspritze überflüssig machen. In den USA wird das Verfahren derzeit in zehn klinischen Zentren geprüft, wobei die Patienten neben einer einmal täglichen Injektion von Basalinsulin vor jeder Mahlzeit zusätzlich ein bis zwei Hübe Normalinsulin inhalieren. Erste Ergebnisse zeigten, daß sich die Stoffwechselsituation nicht gegenüber der etablierten Behandlungsstrategie unterscheidet. Veränderungen im Hämoglobin HbA1 wurden auf lange Sicht nicht beobachtet.

Die Patienten akzeptieren die Inhalation problemlos; 80 bis 90 Prozent der Diabetiker hätten auf Anfrage geantwortet, daß sie die Inhalation bevorzugen. In einer ersten groß angelegten Studie mit mehr als 1000 Patienten soll nun das Verfahren klinisch überprüft werden.

Einen deutlichen Fortschritt für die Patienten sieht Bretzel außerdem in der Entwicklung von Glukose-Sensoren, die nicht-invasiv den Blutzuckerspiegel per Infrarot messen und somit die lästigen Blutzuckerkontrollen ersetzen können. Bislang seien solche Sensoren noch nicht serienreif. Erste Systeme würden jedoch bereits erprobt.

Experten setzten auf Früherkennung und neue Antidiabetika

Als weitere Zukunftsperspektive nannte der Mediziner eine forcierte Früherkennung des Typ-1-Diabetes durch ein Screening auf Antikörper gegen die ß-Zellen bei Risikopatienten. Denkbar sei auch die Entwicklung neuer Therapiestrategien, um bei den jungen Diabetikern den eigentlichen Krankheitsausbruch zu verhindern oder hinauszuzögern.

Beim Typ 2-Diabetes richtet sich das Augenmerk der Forscher eher darauf, molekularbiologisch Kandidatengene zu identifizieren, die für die Entwicklung der Insulinresistenz verantwortlich sind. Darüberhinaus müsse alles daran gesetzt werden, durch den optimalen Einsatz aller verfügbaren Therapieformen eine effektive Prävention zu betreiben und die Patienten durch eine normale Blutzuckereinstellung vor Folgekomplikationen zu bewahren, sagte Bretzel.

Vor allem mit neuen Antidiabetika könne der Stoffwechsel künftig besser eingestellt werden. Bretzel nannte in diesem Zusammenhang Insulinsensitizer wie die Troglitazone, deren Einführung bereits im kommenden Jahr erwartet wird sowie das GLP-1, ein gastrointestinales Hormon, das den Blutzuckerstoffwechsel maßgeblich reguliert, jedoch leider nicht peroral verabreicht werden kann. Bretzel rechnet außerdem mit der Entwicklung neuer Arzneistoffe auf Basis des Leptins. Das körpereigene Hormon Leptin steuert den Appetit.

PZ-Artikel von Christine Vetter, Kassel

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