Pharmazie
Seit Donnerstag letzter Woche ist Viagra® (Sildenafil) nun auch in
Deutschland zugelassen. Der Firma Pfizer war die Einführung gleich zwei
Pressekonferenzen wert; Publikums- und Fachpresse wurden getrennt
informiert. Der Andrang war groß, doch die Fragen hielten sich in Grenzen.
Ein Pflichttermin, weil eigentlich alles schon gesagt worden war?
»Ich halte Viagra® nicht für eine Lifestyle-Droge.« Werner Soukup, Geschäftsführer
von Pfizer Deutschland versuchte manchen Trends in der Berichterstattung
entgegenzusteuern. Viagra sei kein Aphrodisiakum, wurde immer wieder betont. Es
wirkt in der Peripherie am Schwellkörper des Penis und stellt damit die natürliche
Reaktionsfähigkeit auf sexuelle Stimuli wieder her. Ohne sexuellen Reiz kommt es
auch unter Sildenafil nicht zur Erektion. Der Arzt muß ergründen, wo genau das
Problem seines Patienten liegt. »Habe ich Zweifel, bestelle ich die Partnerin mit ein«,
sagte Professor Dr. Hartmut Porst, Urologe aus Hamburg.
Soukup bezeichnete Viagra® nicht als Lifestyle-Droge, sondern als »Katalysator für
eine Diskussion von Themen mit gesellschaftspolitischer Relevanz«. Die Bedeutung
der Sexualität für die Partnerschaft, Ansprüche und Bedürfnisse älterer Menschen
(das Durchschnittsalter der Sildenafil-Patienten liegt bei 54 Jahren), Sexualität bei
chronisch Kranken sowie Art und Ursache der Impotenz würden jetzt thematisiert.
»Die Unkenntnis über Impotenz ist beträchtlich.« Durchschnittlich fünf Jahre brauche
ein Paar, bis es deshalb zum Arzt gehe, ergänzte Porst.
Die Einführung von Viagra® könnte den Patienten den Weg zum Arzt erleichtern,
betonte Professor Dr. Uwe Hartmann, Psychologe der Medizinischen Hochschule,
Hannover. Er hält Sildenafil für geeignet, um dem Mann aus dem Teufelskreis der
psychogenen Impotenz herauszuhelfen.
Partnerinnen mit einbeziehen
Angst, Ablenkung oder Selbstbeobachtung führen dazu, daß penile Blutgefäße
enggestellt werden, die Erektion läßt nach. Sildenafil könne die Erektion gegenüber
diesen Einflüssen »immunisieren« und eigne sich daher als Ergänzung zu einer
Sexualtherapie im Sinne einer »Hilfe zur Selbsthilfe«.
84 Prozent der Patienten mit psychogenen Erektionsstörungen sprechen auf die
Therapie an. Bei Patienten mit Rückenmarksverletzungen sind es 83 Prozent, bei
Diabetikern 56 Prozent.
Hartmann plädierte außerdem dafür, die jeweiligen Partnerinnen mit einzubeziehen.
Auch sie litten enorm mit und hätten teilweise seit Jahren verzichtet. Es sei nicht leicht
für sie, sich von heute auf morgen auf die neue Situation einzustellen. Ob nun
allerdings Viagra® zu Potenzdruck, zur Entlastung von Potenzsorgen oder zur
Verarmung des Liebeslebens beitrage, weil Verlaß auf die »Schnellkur« sei, blieben
derzeit offene Fragen. Hartmann war sich jedoch sicher, daß Viagra® weder »neue
Machos«, noch »bessere Liebhaber« erschaffen werde.
»Warum ist Viagra® so teuer?«, fragte jemand. Eine Tablette kostet zwischen 18
und 26 DM. »Hätten Sie das Medikament, wie ursprünglich geplant, als Herzmittel
auf den Markt gebracht, hätten Sie nie soviel verlangen können.« Es sei immer noch
um 30 bis 40 Prozent billiger als die bisher gängigste Methode, lautete die Antwort.
Obgleich so günstig, wird Viagra® dennoch der Firma helfen, ihren Ansprüchen
gerecht zu werden. Soukup: »Es ist unser erklärtes Ziel, im Jahr 2001 das führende
Arzneimittelunternehmen in der Welt zu sein.«
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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