Blutdruck über 24 Stunden senken |
25.09.2000 00:00 Uhr |
Mit klangvollen Namen betritt ein neuer Calciumantagonist die Pharma-Bühne. Als Carmen® und Corifeo® kommt der Calciumantagonist Lercanidipin ab 1. Oktober in die deutschen Apotheken. Der Arzneistoff selbst ist deutlich weniger spektakulär.
Strukturell ähnelt Lercanidipin dem Nifedipin, hat aber eine längere Seitenkette am Dihydropyridin-Ring. Auf Grund des protonierten Stickstoffs und der lipophilen Ankergruppe in der Seitenkette könne der Wirkstoff leicht aus dem Plasma in die Zellmembran eindringen und dort effektiv binden, sagte Professor Dr. Thomas Unger vom Institut für Pharmakologie der Universität Köln bei einer Pressekonferenz von Berlin Chemie und UCB Pharma in München. Lercanidipin verschwindet rasch aus dem Plasma (tmax 1,5 bis 3 Stunden) und reichert sich in den Zellmembranen an. Aus diesem Depot" wird es nach und nach abgegeben. Daher setzt die Wirkung langsam ein und hält über 24 Stunden an.
Die absolute Bioverfügbarkeit ist auf Grund eines hohen First-pass-Effektes gering und sinkt bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme. Tipp für den Patienten: das Medikament mindestens eine Viertelstunde vor dem Essen einnehmen. Der Calciumantagonist wird intensiv durch Cytochrom CYP 3A4 verstoffwechselt. Vorsicht ist daher geboten bei gleichzeitiger Gabe von CYP 3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol, Itraconazol, Erythromycin oder Fluoxetin.
Die Kinetik ermöglicht die Einmalgabe (10 bis 20 mg); Kumulationsgefahr besteht nicht. Am Morgen nach der Einnahme sind noch etwa 80 Prozent der Wirkung erhalten, berichtete Professor Dr. Arya M. Sharma von der Charité in Berlin. In Studien senkte Lercanidipin den Blutdruck vergleichbar gut wie zum Beispiel Captopril, Atenolol oder Amlodipin. Obwohl nur zur Behandlung von leichtem bis mittelschwerem Hochdruck zugelassen, war der Wirkstoff auch bei schwerer Hypertonie wirksam. Ältere Patienten vertrugen das Arzneimittel gut.
Da es den Stoffwechsel nicht beeinflusst, können Menschen mit Risikofaktoren wie Hyperlipidämie oder metabolischem Syndrom den neuen Calciumantagonisten mit dem klangvollen Namen einnehmen. Gleiches gilt für Begleiterkrankungen wie Asthma, chronisch obstruktive Bronchitis, Nierenleiden oder periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK).
In einer Multicenterstudie soll jetzt der Effekt von 10 mg Lercanidipin auf die linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) getestet werden, berichtete Privatdozent Dr. Peter Trenkwalder vom Kreiskrankenhaus Starnberg. Vergleichsmedikament ist Hydrochlorothiazid (12,5 mg); bei Bedarf können jeweils 10 mg Quinapril zugegeben werden. Die internationale SOLVER-Studie soll zeigen, ob eines der Medikamente die LVH zurückdrängen kann.
Zentrales Thema bei der Blutdrucktherapie in der Praxis ist jedoch die Compliance. Und
die ist schlecht, wie Sharma zeigte: Nur 22 Prozent der Patienten über 65 Jahre
erreichten in Studien den (relativ hoch angesetzten) Zielblutdruck von 160/95 mmHg. Der
Internist riet aus eigener Erfahrung: Eine Drucksenkung von 10 mmHg pro Monat vertrügen
die meisten Hypertoniker gut. Über mehrere Monate fortgeführt, lasse sich so allmählich
der Zielwert erreichen.
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