Pharmazie
Mit der Einführung der Triptane ist die Migränebehandlung um eine sehr
wirksame Arzneistoffgruppe bereichert worden. Dennoch begeben sich
schätzungsweise zwei Millionen Patienten aufgrund unbefriedigender
Behandlung durch ihren Arzt auf den riskanten Pfad der Selbstmedikation,
beklagte Nikolai Karheiding, erster Vorsitzender der Migräne Liga e.V.,
auf dem ersten Migräne-Symposium in München.
Triptane stehen nach wie vor nicht an erster Stelle der medikamentösen
Migränebehandlung. In den meisten Fällen reiche die klassische Therapie, bei der
zunächst ein Antiemetikum und danach ein Analgetikum wie Acetylsalicylsäure,
Paracetamol oder Ibuprofen, gegeben wird, aus, um den Anfall zu durchbrechen,
erklärte Dr. Dr. Axel Heinzel von der Universität Kiel.
Nur bei Patienten mit schweren Migräneattacken sind Triptane indiziert. Diese haben
gegenüber den früher eingesetzten Ergotaminen den Vorteil, daß sie schneller und
stärker wirken und besser verträglich sind unter der Voraussetzung, daß die
Kontraindikationen strikt beachtet werden. Heinze sagte, Triptane seien sehr sichere
Medikamente, sofern sie nicht bei Patienten mit Durchblutungsstörungen, bei
ungenügend behandeltem Bluthochdruck, in der Schwangerschaft oder bei Patienten
unter 18 und über 65 Jahren gegeben werden (siehe auch Beilage "Migräne" in PZ
20/98).
Die drei in Deutschland verfügbaren Arzneistoffe Sumatriptan, Naratriptan und
Zolmitriptan unterscheiden sich bezüglich ihrer Wirkstärke, der
Nebenwirkungshäufigkeit, der Schnelligkeit des Wirkungseintritts und der
Wirkdauer deutlich voneinander. Dabei empfahl Heinze die Gabe von Sumatriptan
subcutan allen Patienten, die eine rasche Beschwerdelinderung benötigen. So wirke
das Medikament bereits nach einer Stunde. Denjenigen, deren Kopfschmerzen sehr
lange anhalten und denen unter Sumatriptan eine erneute Attacke droht, riet er zum
länger wirkenden Naratriptan. Die meisten Patienten brauchen jedoch die
"therapeutische Mitte". Ihnen sei am besten geholfen mit Sumatriptan in Spray- oder
Tablettenform oder mit Zolmitripan-Tabletten.
Wer nur unter einem oder zwei Migräneanfällen pro Monat leidet, ist mit einer
medikamentösen Therapie sicher gut behandelt, erklärt Dr. Jan Brand, Chefarzt der
Migräneklinik in Königsstein. Patienten, die häufiger von Migräneattacken gequält
werden, sollten ihre Kopfschmerzen jedoch aktiv und möglichst ohne Medikamente
angehen. Nach seiner Erfahrung sind dies oft Menschen, die es allen anderen recht
machen wollen, nicht nein sagen können und sich im Alltag ständig überfordern. Da
das überhöhte Pflichtbewußtsein zu einer ständigen Anspannung führt, müßten sie
lernen, für die entsprechende Entspannung zu sorgen, bevor der Schmerz sie darauf
hinweist. Entspannungstechniken, wie autogenes Training, progressive
Muskelentspannung nach Jacobsen, Yoga, Taichi, Quigong oder Meditation
linderten bei der Mehrzahl der Migränepatienten die Schmerzen und senkten die
Anfallsfrequenz. Allerdings wirken diese Methoden nur, wenn sie täglich geübt
werden.
Bei der kindlichen Migräne unterscheidet sich die Therapie kaum von der
Erwachsener, betonte Dr. Raimund Pothmann, Leitender Arzt des
Sozialpädiatrischen Zentrums Oberhausen. Allerdings darf hier als Antiemetikum nur
Domperidon eingesetzt werden (1 Tropfen pro kg Körpergewicht). Wichtig ist auch,
daß die anschließend gegebenen Schmerzmittel ausreichend hoch dosiert werden
(500 bis 1000 mg ASS oder Paracetamol).
Gerade Kinder sollten zumindest zusätzlich alle nichtmedikamentösen
Möglichkeiten ausschöpfen. So profitieren auch sie von der progressiven
Muskelentspannung, die in einem direkten Vergleich sogar besser wirksam war als
die Biofeedback-Methode. Eine Umstellung der Ernährung führte in einer anderen
Untersuchung über sechs Monate bei 43 Prozent der Kinder zur völligen
Beschwerdefreiheit und bei weiteren 47 Prozent zu einer deutlichen Besserung.
Biofeedback-Training
Biofeedback-Training ist eine wissenschaftliche Methode und ein Trainingsprozeß,
durch den Menschen willentlich Kontrolle über ihr internes physiologisches System
erlernen können. Durch Biofeedback können physiologische Funktionen, die
normalerweise unbewußt ablaufen, erkannt und im Sinne der Therapie gezielt
beeinflußt werden. Die Körperfunktionen werden durch Sensoren registriert,
verstärkt und durch audiovisuelle Rückmeldung (Feedback) der bewußten
Wahrnehmung zugänglich gemacht.
Ziel des Trainings ist es, dabei eine wachsende Bewußtheit und Kontrolle über
bestimmte interne physiologische Funktionen zu entwickeln, damit die in einer
Biofeedback-Therapie erlernten Fertigkeiten später bewußt im Alltagsleben
angewendet werden können.
PZ-Artikel von Gabi Hoffbauer, München
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