Rezeptur erfordert Wissen und Flexibilität |
06.12.1999 00:00 Uhr |
Wer Patienten verantwortungsvoll und zufriedenstellend versorgen will, muss mehr tun als nur fehlerfreie Produkte abgeben. "Schließlich besteht die Versorgungsqualität nicht nur aus Produkt-, sondern auch aus Dienstleistungsqualität. Der Kunde muss vom Nutzen des Arzneimittels überzeugt werden", machte Dr. Hans-Ulrich Plener, Tuttlingen, deutlich. Besonderer Handlungsbedarf besteht seiner Meinung nach bei der Rezeptur. Denn: "Dort ist bisher das wenigste reproduzierbar." Das hat ihn veranlasst, modernes Qualitätsmanagement auf Rezeptur und Defektur in seiner Apotheke zu übertragen. Von seinen Erfahrungen berichtete er auf den Seminaren der Arbeitsgemeinschaft Pharmazeutischer Verfahrenstechnik (APV) in Mainz und Halle.
Die Apothekenbetriebsordnung oder die GMP-Richlinie regeln zwar schwerpunktmäßig die pharmazeutische Qualität eines Produkts, sagen jedoch nichts darüber aus, wie diese zu gewährleisten ist. Fragen, wie beispielsweise die Rezeptur in den routinemäßigen Apothekenablauf zu integrieren ist, würden nur peripher behandelt, erläuterte Plener. Auch die DIN ISO Normen 9000 bis 9004 helfen nicht erschöpfend weiter, wenn es um Qualitätsmaßnahmen im Dienstleistungsbereich geht. Anerkannte Regelwerke könnten nur als Basis für apothekegerechte qualitätssichernde Maßnahmen dienen. Den konkreten Prozessablauf müsste jede Apotheke selbst abstecken.
Nach seiner Erfahrung müssten qualitätssichernde Maßnahmen in der Rezeptur beispielsweise folgende Aspekte berücksichtigen: konstante Produktqualität, Einhaltung des Fertigstellungstermins, einheitlicher Preis, anwendungsgerechtes Abgabebehältnis, ausreichende Verordnungsmengen, deutsche Beschriftung des Primärpackmittels und ausreichende Produktinformation.
Plener empfahl, entsprechend der Qualifikation der Mitarbeiter Zuständigkeit und Verantwortung festzulegen. Dann werden schlagwortartig die Einzelschritte des Arbeitsablaufes in der Rezeptur benannt, in einem Fließdiagramm in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht und kommentiert. "Hier entscheiden Sie über Sinn und Unsinn Ihrer Tätigkeit." Plener erinnerte daran, dass der erste Punkt der Prozessbeschreibung die Auftragsannahme sein muss. Hier werden die Weichen für die spätere Kundenzufriedenheit gelegt. Mit demjenigen, der den Auftrag annimmt, beginnt die Qualitässicherung. Da der Auftragsannehmende oft nicht mit dem Herstellenden und dem Abgebenden übereinstimmt, muss er Informationen wie Verwendungszweck oder Fertigstellungstermin genau dokumentieren. Auch eine Rücksprache mit der Herstellung, ob zum Beispiel alle Ausgangsmaterialien vorrätig sind, empfiehlt sich.
"Erfolgreiche Rezeptur erfordert jahrelange Erfahrung und Flexibilität von Fall zu Fall", sagte Plener. Und: "Dokumentation ist das A und O. Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht gemacht." Plener verwendet deshalb in seiner Apotheke ein Laborjournal, in das alle Mitarbeiter, die an der Herstellung von Rezepturen beteiligt sind, sämtliche Daten eintragen: Datum, verwendete Ausgangstoffe, Chargen, Einwaage, Herstellungsverfahren, Packmittel, Verwendbarkeit und Hersteller. Die Chargennummer wird vom Standgefäß handschriftlich ins Rezepturbuch übertragen. So lassen sich nach Pleners Ausführungen Verwechslungen vermeiden. "Bei uns gibt es keine losen Rechnungen, alles wird ins Laborjournal eingetragen, auch wenn Ethanol verdünnt wird."
Rezeptur bedeutet Imagegewinn und Kundenbindung
Mit einem Anteil von 1 bis 1,5 % der abgegebenen Arzneimittelpackungen pro Jahr haben die Rezepturen zahlenmäßig nur einen geringen Stellenwert. "Trotz allem: Rezepturarzneimittel sind ein wichtiges Instrumentarium, um unsere Kompetenz in der Öffentlichkeit darzustellen", sagte Dr. Hartmut Schmall, Präsident der Bundesapothekerkammer. Sie aufgeben zu wollen, bedeute außerdem auch eine erhebliche Einschränkung der therapeutischen Möglichkeiten zu Lasten der Patienten. So sei beispielsweise eine moderne Zytostatika-Therapie ohne rezepturmäßige Herstellung von Zytostatika-Zubereitungen gar nicht denkbar, weil sie eine bedarfsgerechte individuelle Dosierung erlauben.
Rezepturen müssen den gleichen Ansprüchen genügen wie industriell hergestellte Fertigarzneimittel, also auch hinsichtlich ihrer pharmazeutischen Qualität, betonte Schmall. Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass der Apotheker dafür aufgrund seiner Ausbildung und durch berufsbegleitende Fortbildung die erforderliche Qualifikation hat. Schmall: "Trotzdem ist es sinnvoll, dass sich der Berufsstand - einem Fachgremium vergleichbar - auf einheitliche Standards verständigt." Die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat daher im Frühjahr 1999 das ZL in Eschborn beauftragt, Qualitätsstandards für die Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke zu erarbeiten. Erste Entwürfe liegen mittlerweile vor. Schmall: "Die Gesellschaft fordert Qualitätssicherung. Wir müssen dafür sorgen, dass das auch für kleinere Apotheken finanziell machbar ist."
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