Pharmazie
AUSTRALISCHES TEEBAUMÖL
Aufgrund seiner desinfizierenden Wirkung wird Teebaumöl
verschiedenen Kosmetika als Konservierungsmittel zugesetzt (5,8,10). In
neuerer Zeit werden vermehrt Kontaktdermatitiden als unerwünschte
Nebenwirkungen von Australischem Teebaumöl gemeldet. Vor allem bei
Anwendung des unverdünnten Öls kommt es zu Hautirritationen und zur
Ausbildung von allergischen Kontaktekzemen. So liegen zum Beispiel den
Schwedischen Behörden 22 Berichte über kontaktallergische Ekzeme in
Verbindung mit Teebaumöl-Zubereitungen vor (1,8,11).
Australisches Teebaumöl wird größtenteils in Hautpflege- und Kosmetikprodukten
verwendet, beispielsweise in Shampoos, Conditionern, Hand- und Körpercremes,
Lotionen, Gesichtsmasken, After-Sun-Lotionen, Deodorants, Seifen, Badezusätzen,
Zahnpasten und Mundwässern. Es zeigt gute antibakterielle und antimykotische
Wirkungen gegen ein breites Erregerspektrum.
Über die hautirritierende und allergische Potenz des Teebaumöls wurden erst wenige
Untersuchungen publiziert, die zum Teil zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen.
Als Ursache werden neben bestimmten Einzelterpenen, zum Beispiel 1,8-Cineol,
p-Cymen, d-Limonen und a-Terpinen, auch Terpenfraktionen (beispielsweise
Monoterpene und Sesquiterpenkohlenwasserstoffe) von verschiedenen Autoren
diskutiert (8).
Kürzlich wurde von Hausen und Vieluf (6) der Verdacht geäußert, daß nicht die
reinen Terpene selbst, sondern vielmehr deren Oxidationsprodukte (Peroxide,
Hydroperoxide und Endoperoxide) die eigentlichen Sensibilisatoren des Teebaumöls
sein könnten. Sie beobachteten bei Patienten eine Erhöhung des
Sensibilisierungspotentials durch oxidativ verändertes Teebaumöl. Ähnliche
Vorgänge sind vom Terpentinöl beschrieben (4). Vor diesem Hintergrund haben wir
handelsübliches Australisches Teebaumöl einer künstlich provozierten Autooxidation
unterzogen und die chemischen Veränderungen untersucht.
Material und Methoden
Verwendet wurden zwei im Handel befindliche Teebaumöle, die von den Firmen
Alva, Wallenhorst, und Tebasan, Norderstedt, bezogen wurden. Unter folgenden
gaschromatographischen Bedingungen wurde gearbeitet: Gaschromatograph: Carlo
Erba GC 6000 mit Spectra Physics Integrator SP 4290; Trennsäule:
Quarzkapillarsäule OV-1, 15 m x 0,25 mm (i.D.), Filmdicke: 0,25 mm; Trägergas:
Wasserstoff, Fluß: 2 ml/min.; Split: 1:5; Injektortemperatur: 250 oC;
Detektortemperatur: FID, 300 oC; Temperaturprogramm: Anfangstemperatur: 40
oC für 4 Minuten, anschließend Temperatursteigerung auf 300 oC in zwei Schritten,
zuerst 4 oC/min. bis 120 oC, dann 10 oC/min. bis 300 oC; Injektionsvolumen: 1 ml;
Interner Standard: Tridecan.
Die gaschromatographischen-massenspektroskopischen-Bedingungen:
Gaschromatograph: Carlo Erba HR-GC-4160; Massenspektrometer: Finnigen
MAT 4500; EI Ionisationsspannung: 70 eV; Trennsäule: Quarzkapillarsäule OV-1,
30 m x 0,25 mm (i.D.), Filmdicke: 0,25 mm; Trägergas: Wasserstoff; Split: 1:20;
Temperaturprogramm: Anfangstemperatur: 46 oC für 4 Minuten, dann Steigerung
der Temperatur in drei Schritten, zuerst 3 oC/min. bis 76 oC, dann 4 oC/min bis
136 oC und anschließend 6 oC/min. bis 300 oC.
Das Teebaumöl wurde vor der künstlich provozierten Autoxidation
gaschromatographisch analysiert, die Ölbestandteile quantitativ erfaßt sowie die
Peroxidzahl mittels Fertigtest der Firma Merck, Darmstadt ermittelt. Anschließend
wurden 25 ml Teebaumöl in einen 1l-Rundkolben aus weißem Glas gegeben, mit
einem Glasstopfen verschlossen und neun Monate bei Raumtemperatur am Fenster
dem Sonnenlicht ausgesetzt. Die gleiche Menge Teebaumöl wurde auch in einer
braunen 50ml-Glasflasche am gleichen Ort aufgestellt. Den Behältnissen wurde in
festgelegten Zeitabständen (am neunten Tag, nach sechs Wochen sowie nach drei
und neun Monaten) Ölproben entnommen und die quantitative Zusammensetzung
sowie die Peroxidzahl ermittelt. Zur Probenentnahme wurden die Behältnisse circa
zwei Stunden bei -20 oC ausgefroren, um in der Gasphase befindliche Substanzen
zu kondensieren.
Ergebnisse
Teebaumöl, das in braunen Flaschen aufbewahrt wurde, wies auch nach neun
Monaten noch keine nennenswerten Veränderungen auf. Es war in qualitativer und
quantitativer Hinsicht nahezu identisch mit dem Ausgangsöl. Auch die Peroxidzahl
des Öls erhöhte sich nicht wesentlich. Bei den Teebaumölproben, die in dem weißen
Kolben einer künstlichen Alterung unterzogen wurden, stieg die Peroxidzahl des
ätherischen Öls innerhalb von sechs Wochen von 25 ppm auf ³ 500 ppm an.
Gleichzeitig zeigten sich im Bereich der Monoterpene in quantitativer und qualitativer
Hinsicht deutliche Veränderungen (Tabelle 1), während die Sesquiterpene
unverändert blieben. Wie in Tabelle 1 dargestellt, erhöhte sich der p-Cymengehalt
innerhalb des Versuchszeitraumes deutlich von 2,0 auf 28,8 Prozent, wohingegen die
Konzentrationen von a-Terpinen (11,2 auf 0 Prozent), g-Terpinen (21,0 auf 2,3
Prozent) und Terpinolen (3,5 auf 0,6 Prozent) im Öl drastisch abnahmen. Die
prozentualen Anteile der anderen Hauptkomponenten des ätherischen Öls, wie zum
Beispiel 1,8-Cineol und Terpinen-4-ol, veränderten sich dagegen im gleichen
Zeitraum nicht signifikant.
Wir konnten im künstlich gealterten Teebaumöl zudem erstmals das Endoperoxid
Ascaridol mit Hilfe der GC-MS-Kopplung und der authentischen
Vergleichssubstanz nachweisen. Ascaridol (Abbildung 1) entsteht im Teebaumöl
wahrscheinlich durch Autoxidation aus a-Terpinen. Es war nach sechswöchigem
Alterungsprozeß zunächst in Spuren, nach zwei beziehungsweise drei Monaten in
Konzentrationen von 0,2 bis 0,3 Prozent im Öl detektierbar.
Diskussion
Aus der Literatur ist bekannt, daß terpenreiche ätherische Öle eine hautreizende
sowie eine Kontaktallergie-induzierende Wirkung haben können (3,4,6,11-13).
Nach Hausen und Vieluf (6) sowie Woeber und Krombach (12,13) sollen dabei
nicht nur die Terpene selbst die toxische Reaktion beziehungsweise Allergie
auslösen, sondern vor allem die durch Autooxidation entstehenden Hydroperoxide
und oxidativen Folgeprodukte. Sie können unter anderem bei unsachgemäßer
Lagerung beziehungsweise Aufbereitung entstehen.
Wir konnten nun erstmals zeigen, daß bei unsachgemäßer Lagerung die Peroxidzahl
des Teebaumöls innerhalb kurzer Zeit drastisch ansteigt. Dieser Befund ist deshalb
von besonderem Interesse, da Woeber und Krombach (12,13) bei verschiedenen
anderen ätherischen Ölen eine Abhängigkeit der allergischen Reaktion von der
Peroxidzahl festgestellt haben. Die Peroxidzahl gibt somit Aufschluß über die
Veränderungen gealterter ätherischer Öle und stellt gleichzeitig ein Qualitätskriterium
dar. Eine niedrige Peroxidzahl ist Ausdruck für ein ätherisches Öl, das unter
optimalen Bedingungen destilliert und gelagert wurde.
Aus der Literatur ist zudem bekannt, daß a-Terpinen, g-Terpinen und Terpinolen
durch den Einfluß von Licht und Luftsauerstoff mittels Autoxidation über
Peroxidstufen in p-Cymen und andere oxidative Folgeprodukte, wie zum Beispiel
1,2,4-Trihydroxymethan, umgewandelt werden können. Gut untersucht wurde
dieses Phänomen beim ätherischen Öl von Melaleuca linariifolia (2,11). Die Autoren
konnten zeigen, daß ein Öl, das sieben Monate lang Licht und Luftsauerstoff
ausgesetzt war, deutliche qualitative Veränderungen aufwies. Der p-Cymengehalt
stieg um das zweifache, während die Konzentrationen von a-Terpinen, g-Terpinen
und Terpinolen sich mehr als halbierten. Diese Befunde stimmen im wesentlichen mit
unseren Beobachtungen für das ätherische Öl von M. alternifolia überein (Tabelle 1).
P-Cymen wirkt extrem hautreizend und führt zur Bildung von Erythemen und
Ödemen (9). In einem frisch destillierten Teebaumöl liegt der Gehalt an p-Cymen
gewöhnlich bei 2 bis 6 Prozent. Bei unsachgemäßer Lagerung oder vermehrtem
Luftzutritt (offene Probeflasche) steigt der p-Cymengehalt sehr schnell auf 30 bis 40
Prozent an (9,11). Ascaridol ist ein natürliches Anthelmintikum, das im ätherischen
Öl von Chenopodium ambrosioides (Wohlriechender Gänsefuß) als
Hauptkomponente vorliegt. Früher wurde das ätherische Öl der Pflanze
beziehungsweise das reine Ascaridol häufig zur Entwurmung eingesetzt. Heute sind
beide Substanzen als Anthelmintikum obsolet.
Für uns war es sehr überraschend, in einem künstlich gealterten ( oxidierten)
Teebaumöl das Endoperoxid Ascaridol nachzuweisen. Damit wurde zum ersten Mal
in einem oxidierten Teebaumöl ein Peroxid gefunden. Aufgrund tierexperimenteller
Untersuchungen muß davon ausgegangen werden, daß Ascaridol ein mögliches
Allergen darstellt (7).
Die Ergebnisse zeigen, daß die Verwendung "natürlicher" Produkte in der
Hautpflege und Kosmetik ebenso zu unerwünschten Nebenwirkungen beim
Anwender führen kann. Aus diesem Grunde muß bei der Abklärung von
Kontaktdermatosen bei entsprechenden Berufsgruppen (zum Beispiel
Pflegepersonal, Kosmetiker/-innen, Friseurberufe) stets auch an entsprechende
pflanzliche Naturstoffe gedacht werden.
Zusammenfassung
Australisches Teebaumöl wird wegen seiner antimikrobiellen Wirkung vermehrt in
Hautpflege- und Kosmetikprodukten verwendet. Die häufiger dokumentierten
Hautirritationen und allergischen Reaktionen werden in erster Linie auf
Oxidationsprodukte, die durch Autooxidation aufgrund unsachgemäßer Lagerung
des ätherischen Öls entstehen, zurückgeführt. In der vorliegenden Untersuchung
konnte gezeigt werden, daß in gealtertem Teebaumöl sowohl die Peroxidzahl als
auch der p-Cymengehalt, ein oxidatives Folgeprodukt verschiedener Monoterpene,
drastisch ansteigt. Darüberhinaus konnte erstmals im künstlich gealterten Teebaumöl
das natürliche Peroxid Ascaridol mit Hilfe der Massenspektroskopie und
authentischer Vergleichssubstanz nachgewiesen werden. Beide Substanzen stehen im
Verdacht, allergische Kontaktekzeme bzw. Hautirritationen zu verursachen.
Literatur
(1) Arzneimitteltelegramm 2, 1997, S. 23.
(2) Brothy, J.J., et al., Gas chromatographic quality control for oil of Melaleuca terpinen-4-ol
type (Australian tea tree). J. Agric. Food Chem. 37 (1989) 1330-1335.
(3) Calman, C.D., Compound allergy to cosmetic. Contact Dermatitis 1 (1975) 123.
(4) Dooms-Goossens, A., et al. , Turpentine-induced hypersensitivity of perpermint oil. Contact
Dermatitis 3 (1977) 304-309.
(5) Harnischfeger, G., Reichling, J., Melaleuca. In: Blaschek, W., Hänsel, R., Keller, K., Reichling,
J., Rimpler, H., Schneider, G. (Hrsg.), Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Folgeband
3. Springer Berlin, Heidelberg, New York, 1998, S. 181-195.
(6) Hausen, B.M., Vieluf, I.K., Allergiepflanzen - Pflanzenallergene, 2. Aufl. Ecomed Verlag,
Landsberg, 1998.
(7) Hausen, B.M., Reichling, J., Harkenthal, M., Degradation products of monoterpenes are the
sensitizing agents in tea tree oil. (im Druck)
(8) Reichling, J., Harkenthal, M., Geiss, H.-K., Saller, R., Australisches Teebaumöl - Qualität,
Verfälschungen, Wirkung und Toxizität. Östr. Apoth. Ztg. 51 (1997) 652-660.
(9) Riedl, R.W., Safety profile of tea tree oil. In: Tea tree oil into the 21st Century, the proof and
the Promise. Conference Proceedings of the National Conference, Sydney Oct. 1996, S. 38-45.
(10) Saller, R., Reichling, J., Teebaumöl - ein natürliches Universalheilmittel. Dtsch. Apoth. Ztg.
135 (1995) 40-48
(11) Southwell, I.A., Freeman, S., Rubel, D., Skin irritancy of tea tree oil. J. Essent. Oil. Res. 9
(1997) 47-52.
(12) Woeber, K.H., Krombach, M., Zur Frage der Sensibilisierung durch ätherische Öle.
Berufsdermatosen 17 (1969) 320-326.
(13) Woeber, K.H., Krombach,M., Kosmetika und Allergien. Ärztl. Praxis 44 (1970) 2813.
Danksagung
Wir danken Herrn Dipl.-Chem. A. Tei, Pharmazeutische Biologie Heidelberg, für
die Aufnahme der Massenspektren und die Hilfe bei deren Interpretation.
Für die Verfasser:
Professor Dr. Jürgen Reichling
Institut für Pharmazeutische Biologie
Im Neuenheimer Feld 364
69120 Heidelberg
PZ-Artikel von M. Harkenthal, J. Reichling, H. K. Geiss, Heidelberg, R. Saller,
Zürich
© 1997 GOVI-Verlag
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