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AIDS: Man setzt auf Kombitherapie

16.12.1996  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag

AIDS: Man setzt auf Kombitherapie

 

Jeden Tag produziert das Lymphgewebe eines HIV-infizierten Menschen bis zu zehn Milliarden HI-Viren, die das Immunsystem in einem dynamischen Gleichgewicht wieder beseitigt. Hemmt eine Therapie die HIV-1-Replikation nur zum Teil, entstehen unter Selektionsdruck infolge des rasanten Virusumsatzes rasch resistente Virusstämme. Die Entwicklung ist bei unterdosierter unregelmäßiger und monotherapeutischer Anwendung von Proteasehemmern und allen anderen derzeit verfügbaren AIDS-Therapeutika zu beobachten.

„Eine Kombination von Proteaseinhibitoren und Nukleosidanaloga in maximal tolerierbarer Dosierung kann hingegen bei Patienten mit guter Compliance die HIV-1-Replikation annäherungsweise vollständig unterbinden und so eine Resistenzentwicklung verhindern", erklärte Professor Dr. Daniel R. Kuritzkes bei einem Satelliten-Symposium der Firma MSD während des 6. Deutschen AIDS-Kongresses in München. Seit dem 4. Oktober 1996 sind die beiden Proteasehemmer Saquinavir (Invirase) und Indinavir (Crixivan) in Kombination mit Nukleosidanaloga auch in Europa zur Therapie HIV-1-infizierter Erwachsener mit fortschreitender Immunschwäche zugelassen.

Therapie mit Indinavir: ein Überblick

Indinavir hemmt kompetitiv mit hoher Spezifität die HIV-Protease durch reversible Bindung an das aktive Zentrum des Enzyms. Als Folge können im späten Stadium der Virusreplikation die Proteinvorläuferstränge nicht gespalten werden. Die Viren, die sich von der Membran der Wirtszelle lösen, sind unreif und nichtinfektiös. Indinavir erwies sich als relativ gut verträglich. Häufigste Nebenwirkungen sind klinisch nicht relevante Hyperbilirubinämien.

Bei Einnahme ohne Essen oder mit fettarmer Diät wird die Substanz ausreichend aus saurem Magenmilieu resorbiert. Arzneistoffe, die den pH-Wert im Magen erhöhen, wie Antazida und H2-Antihistaminika, können die Resorption von Indinavir herabsetzen. Eine konsequente Einnahme von 800 mg Indinavir alle acht Stunden führt zu Plasmakonzentrationen, die ein Vielfaches der inhibitorischen Konzentration in Zellkulturen betragen. Der Metabolismus erfolgt über Cytochrom P450, wobei Indinavir das Enzymsystem hemmt. Kombinationen mit Arzneistoffen, die dieses Enzymsystem ebenfalls beeinflussen, können Dosisanpassungen erfordern. Klinisch relevant ist die Wechselwirkung mit Rifabutin: Bei gleichzeitiger Behandlung mit Indinavir muß die Rifabutindosis auf die Hälfte der Standarddosis gesenkt werden. Der Cytochrom-P450-Induktor Rifampicin soll wegen mangelnder Untersuchungsdaten nicht gleichzeitig mit Indinavir angewendet werden.

Klinische Studien

Verschiedene dreiarmige Phase-II-Studien haben bei vorbehandelten und unvorbehandelten Patienten die Wirksamkeit einer Indinavir-Monotherapie, einer Nukleosid-Standardtherapie und einer Kombination von Indinavir mit Nukleosid-Standardtherapie verglichen. Als Nukleosid-Standardtherapie erhielten die Patienten entweder Ziduvudin (AZT), Didanosin (ddl) und AZT oder Lamivudin (3TC) und AZT. Dr. Schlomo Staszewski von der Universitätsklinik Frankfurt faßte die wichtigsten Studienergebnisse zusammen: In Bezug auf Abnahme der Virusbelastung und Zunahme der Helferzellzahlen erwiesen sich Mono- und Kombinationstherapien mit Indinavir als überlegen gegenüber der Nukleosidstandardtherapie. Die Besserung der Surrogatmarker hielt unter kombinierter Gabe von Indinavir länger an als unter Monotherapie.

Eine Kombinationstherapie mit AZT und Indinavir konnte das Auftreten AZT-resistenter Virusstämme signifikant reduzieren. Den höchsten antiviralen Effekt zeigte die Dreifachkombination AZT, 3TC und Indinavir: Bei 86 Prozent der behandelten Patienten war auch nach 48wöchiger Behandlungsdauer keine Virus-RNA mit PCR nachweisbar. Kombinationstherapien mit Indinavir können bei gleichzeitiger Gabe von drei Arzneistoffen die Virusreplikation bei HIV-infizierten Patienten fast vollständig hemmen.

Laufende Studien untersuchen derzeit die Wirksamkeit einer Kombination von Indinavir mit D4T und ddI, mit D4T und 3TC, mit Interleukin 2 sowie mit anderen Proteaseinhibitoren. Um angesichts der dosisabhängigen Wirkung von Indinavir die Patientencompliance zu erhöhen, erproben andere Untersuchungen bequemere Dosierungsregime und die Bedeutung der Nahrungskarenz für die Resorption von Indinavir.

Eigene Ergebnisse neuer Anwendungsstrategien für Saquinavir stellte Dr. Helmut Albrecht, Mitarbeiter des Universitätskrankenhauses Eppendorf in Hamburg, bei einem Roche-Satelliten-Symposium vor: Eine Dreifachkombinationstherapie mit Saquinavir konnte bei 24 unvorbehandelten Patienten die Virusbelastung um 1,6 bis 3,6 log-Stufen senken, so daß bei einigen Patienten keine virale RNA mehr nachweisbar war. Die Frühtherapie von acht Serokonvertern mit der Dreifachkombination Saquinavir, 3TC und D4T oder AZT senkte bei guter Verträglichkeit die Virusbelastung aller Patienten unter die Nachweisgrenze.

Bei Patienten, die nach längerer Saquinavirbehandlung auf eine Therapie mit den Proteaseinhibitoren Ritonavir oder Indinavir umgestellt wurden, erwies sich die sequentielle Therapie als wirksam: Virusbelastung und CD4-Helferzellzahlen besserten sich. Derzeit laufende Untersuchungen prüfen Kombinationstherapien mit den Proteaseinhibitoren Indinavir, Nelfinavir und Ritonavir sowie mit nichtnucleosidalen Reverse-Transkriptase-Hemmern.

PZ-Artikel von Birgit Strohmaier, München

   

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