Pharmazie
"Wir Ärzte sind zur Zusammenarbeit bereit", betonen westfälische
Mediziner. Insgesamt zwanzig funktionierende Qualitätszirkel in
Westfalen-Lippe beweisen: Es gibt sie schon, die gute Zusammenarbeit
zwischen Ärzten und Apothekern. Um die Kooperation auch weiterhin zu
fördern, veranstalten beide Standesvertretungen seit 1995 gemeinsame
Fortbildungen. Circa zwanzig Mediziner und fünfzig Apotheker informierten
sich am 28. Oktober in Münster, wie Rheumapatienten optimal betreut
werden.
Laut Arzneiverordnungs-Report wurden 1996 über 620 Millionen Tagesdosen
nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) verschrieben. Spitzenreiter ist nach wie vor
Diclofenac. Doch nicht immer ist die Wahl des Präparates zweckmäßig, betonte
Professor Dr. Marion Schaefer, Berlin. Seit einigen Jahren untersucht die
Apothekerin von der Humboldt- Universität, ob und wie Patienten richtig
pharmazeutisch betreut werden. Neben versehentlichen Fehlverordnungen und
Computerbedienungsfehlern wählten Mediziner mitunter auch ungeeignete Präparate
aus.
Die Kontraindikationen würden nicht immer beachtet oder eine unzweckmäßige
Darreichungsform verschrieben. Negativ auf die Compliance wirke sich auch aus,
daß auf deutschen Verordnungen meist keine Dosierungsanleitungen vermerkt
werden. Die Patienten wissen oft nicht, wann sie wieviel Tabletten oder Tropfen
einnehmen sollen.
Compliance gemeinsam verbessern
Der Apotheker müsse deshalb bei der Abgabe der Arzneimittel die richtige
Dosierung mit seinem Patienten besprechen und diese dokumentieren, so Schaefer.
Dann könne das Einnahmeverhalten auch später noch nachvollzogen werden.
Vor allem bei einem komplexen Krankheitsbild wie der chronischen Polyarthritis
sollten sich Arzt und Apotheker intensiv austauschen, sagte auch Professor Dr.
Eckhard Most, Vorsitzender der Akademie für ärztliche Fortbildung der
Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Er
unterstützte den Vorschlag Schaefers, Apotheker sollten bei der Früherkennung, der
richtigen Arzneimittelwahl und Feinabstimmung der Dosierung mitwirken. Durch
einen regen Informationsaustausch könnten Arzt und Apotheker viel besser
bewerten, ob erfolgreich therapiert wird. "Empfindlichkeiten der Berufsgruppen
untereinander dürfen dabei keine Rolle spielen", so Most.
NSAR nicht immer erste Wahl
Je früher eine chronische Polyarthritis behandelt wird, desto günstiger ist die
Prognose, betonte Professor Dr. Michael Hammer, leitender Arzt am St. Josef-Stift
in Sendenhorst. Gerade bei jungen Patienten könne so eventuell der progrediente
Verlauf der Erkrankung gestoppt werden. Eine umfassende Behandlung müsse dabei
auf sieben Säulen gestellt werden:
- Aufklärung und Schulung
- Krankengymnastik und physikalische Therapie
- Ergotherapie
- medikamentöse Behandlung
- Operationen
- Rehabilitation und sozialmedizinische Maßnahmen
- psychologische Betreuung und Schmerztherapie
Die NSAR stehen ganz oben auf der Liste der am häufigsten verordneten
Antirheumatika. Sie sind jedoch nur bei lang anhaltenden Schmerzen entzündlicher
Genese indiziert, meinte Hammer. Oft würden die Medikamente zu unkritisch
eingesetzt. Eine Arthrose sollte nicht zwangsläufig mit einem NSAR behandelt
werden. In einer Studie zu Medikamenten-bedingten Todesfällen seien 30 von 1666
Patienten mit chronischer Polyarthritis an den Nebenwirkungen der nichtsteroidalen
Antirheumatika gestorben. Wenn diese Stoffgruppe eingesetzt werde, sollte bei
Risikopatienten immer ein Protonenpumpenhemmer zur Ulcus-Prophylaxe gegeben
werden. Hammer riet dem Auditorium außerdem, möglichst auf eine Kombination
von NSAR mit Glucocorticoiden zu verzichten.
Bei einer akuten rheumatischen Entzündung empfahl Hammer die Gabe von
Corticoiden. Ein Rheumaschub sollte mit einer oralen Initialdosis Prednison
angegangen werden. Es sei aber wichtig, die Dosierung anschließend um 1mg pro
zwei bis vier Wochen zu senken.
Treppe statt Pyramide
Die Therapiestrategie bei der chronischen Polyarthritis hat sich nach Meinung
Hammers grundlegend geändert. Früher hätten Mediziner zunächst das schwächste
Medikament gegeben. Bei ungenügender Wirkung habe man dann entweder die
Dosis erhöht oder stärkere Wirkstoffe eingesetzt. Das Schema der
Therapiepyramide sei inzwischen überholt. Heute bekommen die Patienten anfangs
die stärksten Arzneimittel in relativ hoher Dosierung, um schnell eine Wirkung zu
erzielen. Anschließend versucht man, die Dosis langsam zu reduzieren. Hartmann
nannte dieses Modell "step-down-bridge".
"Die sequentielle Therapie ist out Kombinationen in", sagte der Mediziner.
Inzwischen geben Rheumatologen Arthritis-Patienten mit einem Schweregrad von 8
bis 13 eine Zweifach- oder sogar Dreifach-Kombination. Methotrexat sei dabei das
Medikament der ersten Wahl. Es könne je nach Schweregrad der Symptome mit
Chloroquin, Sulfasalazin, Ciclosporin oder Glucocorticoiden kombiniert werden.
Gespannt sein darf man nach Meinung Hartmanns auf das neue Antirheumatikum
Leflunomid. Das von Hoechst entwickelte Medikament (Arava) verfügt über
einen gänzlich neuen Wirkungsmechanismus. Leflunomid greift direkt in die
Pyrimidin-Synthese von Immunzellen ein (siehe auch PZ 40/98, Seite 57). Das
Präparat ist seit dem 11. September in den USA zur Behandlung der rheumatischen
Arthritis zugelassen.
PZ-Artikel von Ulrich Brunner, Münster
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