Pharmazie
Aspirin und Nivea sind die besten Beispiele. Während es einem
Pharmazeuten wenig Schwierigkeiten bereitet, die Inhaltsstoffe der
Kopfschmerztablette zu überschauen und einzuordnen, wird es bei der
weißen Creme aus der blauen Dose schon kniffliger. Seit 1993 bemüht sich
die Europäische Union (EU) um eine einheitliche Nomenklatur zur
Bezeichnung der Inhaltsstoffe von Kosmetika. Über den aktuellen Stand der
Dinge informierte Dr. Walter Leven, Meerbusch, am 3. Oktober in einem
Seminar während des Expopharm-Kongresses in München.
Schon 1993 verabschiedete die EU ein Gesetz zur Änderung der
Kosmetikrichtlinen. Die Bundesrepublik paßte mit der Kosmetikverordnung von
1997 das nationale Recht europäischen Standards an. Besonders wichtig für die
Apotheken ist § 5, der die Hersteller verpflichtet, ihre Produkte zu kennzeichnen.
Ein "Bezeichnungsbabylon" nannte Leven die bis dahin gängigen Beschriftungen. Seit
1. Juni 1996 sind circa 6.300 Einzelstoffe und 500 Stoffe pflanzlichen Ursprungs in
eine europaweit gültige Invetarliste aufgenommen. Über die Apotheke gelangen rund
2.000 Stoffe zum Verbraucher.
Weltweit werden Kosmetika nach der International Nomenclature Cosmetic
Ingredient (INCI) bezeichnet, berichtete Leven. Die Amerikaner deklarierten schon
seit 1973 ihre Produkte, da sie sonst dem Chemikalien-Gesetz unterliegen.
Federführend sei dabei die Cosmetic Toiletry and Fragance Association, kurz
CTFA. Die Europäer entwickelten ihre Inventarliste auf Basis der
CTFA-Nomenklatur. Inzwischen schreiben die CTFA und die entsprechende
europäische Organisation COLIPA eine gemeinsame INCI-Liste fort. Seit 1997 ist
die siebte Ausgabe verfügbar. Sie umfaßt in drei Bänden auf 2.600 Seiten 8.999
Namen, 37.115 Synonyme und 781 Rohstoffhersteller.
Botanicals werden noch uneinheitlich bezeichnet
Leven zeigte jedoch auf, daß es mit der Einheitlichkeit zwischen Europa und den
USA noch hapert. Die CTFA bezeichne pflanzliche Inhaltsstoffe anders als die
COLIPA. Botanicals sind Rohstoffe natürlichen Ursprungs, die in der Regel nicht
weiter verarbeitet wurden. Was in Amerika als Apple Peel Wax deklariert wird,
heißt in Europa Pyrus Malus. "Die europäische Behörde hat sich keinen Gefallen
damit getan, diese Stoffe nach Linné zu bezeichnen", sagte Leven. Mitunter ginge
dabei Information verloren. Bei Allergikern sei es hilfreich, wenn die Pflanzenart
genau bekannt ist. Bei den Inhaltsstoffen aus Weizen, die in Europa alle einfach
Triticum vulgare genannt werden, könne man jedoch höchstens raten, welcher Teil
der Pflanze verarbeitet wurde. Die Behörden wollen die Bezeichnungsmethoden
allerdings anpassen.
Leven zeigte auf, daß es auch bei den Farbstoffen Unterschiede gibt. Die
EU-Variante ist eine Nummer: der Colour Index (CI). CI 47005, ein gelber
Farbstoff, heiße in den USA aber D+C Yellow No. 10. In Europa würden ferner
mineralische Pigmente je nach Verwendungszweck unterschiedlich bezeichnet.
Titandioxid tauche auf den Packungen als CI 77891 auf, wenn es als Farbstoff
eingesetzt wird. Diene es als Perlglanzmittel oder Lichtfilter, heiße es Titanium
Dioxide.
Auch Tester und Proben müssen gekennzeichnet werden
Die Kennzeichnung muß auf der Verpackung oder dem Behältnis aufgebracht sein.
Bei Platzproblemen (zum Beispiel auf Lippenstiften) ist der Hersteller verpflichtet, ein
Etikett beizufügen. "Der Kunde muß die Inhaltsangaben beim Kauf und der
Anwendung lesen können", betonte der Referent. Deshalb gelte die
Bezeichnungspflicht auch für besondere Gebinde wie Tester, Warenproben oder
Kosmetika, die in Hotels oder öffentlichen Einrichtungen ausliegen.
Leven wies noch auf weitere wichtige Regelungen der Kosmetikverordnung hin:
- Kosmetikartikel, die noch nach alten Nomenklaturen bezeichnet sind, dürfen
noch bis 30. Juni 1999 vertrieben werden,
- alle zum Zeitpunkt der Herstellung verwendeten Inhaltsstoffe müssen
bezeichnet werden,
- die Stoffe sind in der Auflistung nach abnehmenden Gewichstanteilen sortiert,
- Rohstoffgemische, biologische Extrakte und Lösungen müssen aufgeschlüsselt
und bezogen auf das Gesamtgewicht angeben werden.
Die Reihenfolge der Inhaltsstoffangaben gebe dem Apotheker wichtige
Informationen zur Zusammensetzung, so Leven. Parfum und Aromastoffe müssen
allerdings nicht einzeln aufgeschlüsselt werden. Die Farbstoffe werden am Ende der
Liste nur mit ihrem Colour Index genannt.
Wir Apotheker sind in der Lage, diese komplexen Deklarationen zu überschauen,
die Präparate zu beurteilen und unsere Kunden entsprechend zu beraten, betonte
Leven. Damit könnten sich die Pharmazeuten gegenüber Parfümerien und Drogerien
profilieren.
PZ-Artikel von Ulrich Brunner, München
© 1997 GOVI-Verlag
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