Pharmazie
Ist von pflanzlichen Immunmodulatoren die Rede, fällt jedem sofort
Echinacea ein. Doch es gibt noch eine ganze Reihe anderer Pflanzen, deren
Inhaltsstoffe das Immunsystem beeinflussen. Über die neuesten
Entwicklungen sprach Professor Dr. Hildebert Wagner, München, auf dem
Kongreß der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung in Regensburg.
An dem einen Ende des Spektrums stehen die indirekten Immunstimulantien,
sogenannte Irritantien, wie die Scharfstoffe Capsaicin und Safrol oder die
Bitterstoffe Quassin, Chinin, Amarellosid und Amarogentin. Erstere wirken besser,
wenn sie intravenös verabreicht werden, letztere nur nach peroraler Gabe, erklärte
Wagner. Ebenfalls indirekt wirken die Quillajasaponine. Seit letztem Jahr wird in
klinischen Versuchen getestet, ob sie in Kombination mit Malariaimpfstoffen die
Antikörperbildung verbessern.
Direkte Immunstimulantien lassen sich in hoch- und niedermolekulare Stoffe gliedern.
Polysaccharide, Glykoproteine und Peptide faßte Wagner unter dem Begriff
"Antigenomimetika" zusammen. Polysaccharide sind beispielsweise aus Echinacea
und Mistel bekannt. In Japan ist das Glucan Lentinan zur adjuvanten Tumortherapie
auf dem Markt. Gewonnen wird es aus dem japanischen Pilz Lentinus edodes.
Interessant, so Wagner, sei der immunstimulierende Effekt einiger Zytostatika:
Während sie in hohen Dosen zytostatisch und immunsuppressiv wirken, stimulieren
sie in niedrigen Dosen die Immunabwehr.
In vitro wurde dieser Effekt beispielsweise an Vincristin, Paclitaxel oder
Podophyllotoxin beobachtet sowie an einigen synthetischen Stoffen, wie unter
anderem Fluorouracil. Diese Beobachtung läßt sich laut Wagner jedoch nicht
grundsätzlich auf alle Zytostatika übertragen: Ungefähr die Hälfte aller Substanzen
wirke nicht immunstimulierend.
Klinisch wird dieser Effekt nun an Bryostatin untersucht. Das makrozyklische Lacton
aus Bugula neritina, einem marinen Moostier, stimuliert in vitro
Lymphozytenproliferation und Phagozytose in Konzentrationen von 1 Nanomol bis 1
Mikromol und darüber wirkt es immunsuppressiv und zytotoxisch. Damit beide
Eigenschaften klinisch zum Tragen kommen, wird eine Intervalltherapie durchgeführt:
Phasenweise werde die eigentliche Chemotherapie mit Bryostatin für zwei Wochen
durch eine Behandlung mit niedrigdosiertem Bryostatin ersetzt, erklärte Wagner.
Die Studie ist noch nicht abgeschlossen. Wagner rechnet nicht mit einem
Durchbruch. Doch die Hoffnung auf neue Immunstimulantien in naher Zukunft sei
berechtigt.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Regensburg
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