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Neuere Ansätze in der Behandlung von Alkoholismus

Datum 06.10.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Neuere Ansätze in der Behandlung
von Alkoholismus

Zahlreiche epidemiologische Unterschungen belegen, daß Alkoholismus, zumindest bei männlichen Erwachsenen, die häufigste psychische Störung darstellt. Wenigstens 2,5 Millionen Alkoholkranke gibt es allein in der Bundesrepublik Deutschland. Während die neuropsychiatrischen Folgeschäden des Alkoholismus seit langem bekannt sind, wurden erst in den letzten Jahren neuro- und molekularbiologische Untersuchungen zur Frage alkoholbedingter Wirkungen und Veränderungen im ZNS sowie zu Alkoholverlangen (Craving) und Rückfall durchgeführt.

Wichtige Neurotransmittersysteme, die durch Alkohol beeinflußt werden, sind in erster Linie Dopamin, Serotonin, GABA und Glutamat. Ein Teil der psychotropen Effekte von Alkohol wird zumindest indirekt über die Interaktion mit dem mesolimbischen Dopamin-System vermittelt, aber auch über Opiatrezeptoren. Speziell für Craving, aber auch für neuropsychiatrische Folgeschäden wird im übrigen eine Dysfunktion im Glutamatsystem, auf das Alkohol antagonisierend wirkt, angenommen.

Für die Therapie des Alkoholentzugsyndroms und Delirs stehen seit vielen Jahren im wesentlichen zwei Substanzgruppen zur Verfügung, zum einen das Clomethiazol (Distraneurin), dessen Wirkmechanismus nicht völlig klar ist, sowie die Benzodiazepine, hier Diazepam ( wie Valium) und Dikaliumchlorazepat (Tranxilium). Beide Substanzgruppen lassen sich sowohl oral wie intravenös geben, wobei die therapeutische Breite bei Benzodiazepinen höher ist als beim Clomethiazol. Für einfache Entzugssyndrome ist in der Regel eine Dosis von 10 bis 30 mg Diazepam/Tag ausreichend, bei schwersten Delirien können aber auch mehrere 100 mg, zum Teil noch deutlich mehr, notwendig werden.

Clomethiazol hat sich in der Therapie, besonders der Alkoholdelirien, als therapeutisch ebenbürtig herausgestellt. Problematisch ist bei dieser Substanz in erster Linie die erhöhte Bronchialsekretion, aber auch das Risiko von Herzstillständen bei intravenöser Gabe (intensives Monitoring). Bei schwersten Delirien kann auch die Kombination mit Neuroleptika vom Haloperidol-Typ notwendig werden.

In den letzten Jahren haben sich als weitere mögliche Alternativen in der Alkoholentzugsbehandlung einerseits die Gabe von Clonidin (Catapresan und andere), andererseits die Gabe von Carbamazepin (Texveta und andere) herauskristallisiert. Clonidin spielt heute vor allem in der Intensivmedizin zur Behandlung postoperativer Delirien eine große Rolle, wobei eine Monotherapie im Regelfall aber nicht ausreichend ist. Carbamazepin hat sich bei "einfacheren" Alkoholentzugsyndromen, besonders auch zur Behandlung alkoholbedingter epileptischer Anfälle, als wirksam erwiesen, wobei hier meist Dosen von 800 bis 1000 mg gegeben werden. Inwieweit sich Carbamazepin auch zur ambulanten Entzugsbehandlung bei Alkoholabhängigen eignet, ist umstritten, da es hier gelegentlich zu suizidalen oder accidentiellen Überdosierungen und Intoxikationen gekommen ist. Noch ungünstiger ist die ambulante Gabe von Clomethiazol und Benzodiazepinen wegen des starken Mißbrauchspotentials.

Einen neuen Forschungsbereich stellt die pharmakogestützte Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit dar. Therapiestudien mit stationär behandelten Alkoholabhängigen zeigen, daß hier die Abstinenzraten der meisten Untersuchungen bei etwa 30 bis 40 Prozent (1-Jahres-Katamnese) liegen. Während klassische Psychopharmaka wie Antidepressiva und Neuroleptika sich in der Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit als weitgehend wirkungslos erwiesen haben und nur zur Behandlung comorbider psychischer Störungen indiziert sein können, eröffnen die sogenannten Antidipsotropika oder Anti-Craving-Substanzen möglicherweise neue therapeutische Chancen. Die wichtigsten diesbezüglich überprüften und zum Teil schon auf dem Markt befindlichen Substanzen sind:

O Acamprosat (Campral), eine NMDA-modulatorische Substanz, die sich in zahlreichen klinischen Prüfungen als wirksames Medikament in der Rückfallprophylaxe erwiesen hat;

O Opiatantagonisten vom Typ Naltrexon (Nemexin); hier ist die Datenlage noch nicht gänzlich klar. Eine Reihe von Untersuchungen deuten aber darauf hin, daß Opiatantagonisten die euphorisierende Wirkung von Alkohol blockieren und somit helfen, die Trinkmenge zu reduzieren.

O Dopaminerge Pharmaka; trotz überzeugender Befunde zur Bedeutung des mesolimbischen Dopaminsystems bei Alkoholabhängigen haben die diesbezüglich durchgeführten Untersuchungen mit Dopamin-agonistischen wie -antagonistischen Substanzen überwiegend enttäuschende Ergebnisse geliefert.

Klinisch geprüft wird derzeit noch die rückfallprophylaktische Wirkung von Flupentixol (Fluxanol), einem Neuroleptikum, bei der Verabreichung niedriger Dosen.

PZ-Artikel von Michael Soyka, München Top

 

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