Pharmazie
In einigen Illustrierten war es bereits zu lesen: Gegen Ende des Jahres
soll ein Testosteron-Pflaster in Deutschland auf den Markt kommen, und
verlorengegangene Manneskraft sei dann kein Problem mehr. In diesen
Pressemeldungen stimmen angestrebter Zeitpunkt der Zulassung und
Darreichung des Arzneimittels, die Indikation jedoch nicht. Vielmehr ist eine
Testosteronsubstitution bisher nur bei nachgewiesenem Testosteronmangel
infolge Hypogonadismus oder Kastration indiziert.
Als weitere mögliche Anwendung steht die Substitution beim älteren Mann im Raum,
"jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip", warnte Professor Dr. Dr.
Wolf-Bernhard Schill vom Zentrum für Dermatologie und Andrologie der
Justus-Liebig-Universität, Gießen, auf einer von Ferring Arzneimittel unterstützten
Veranstaltung. Männer haben nämlich nicht ein der Frau vergleichbares
Klimakterium, die abrupte Hormonumstellung bleibt aus.
Für Schill ist eine Testosteron-Substitution beim älteren Mann dann sinnvoll, wenn
das freie Testosteron relativ erniedrigt ist (in den Morgenstunden gemessene
Serumkonzentration unter 12 nmol/l) und mit Symptomen wie Libidoverlust,
Antriebslosigkeit, Verminderung der Leistungsfähigkeit, Osteoporose oder
Reduktion der Muskelmasse einhergeht. Eine erektile Dysfunktion als einziges
Symptom sei meist keine Indikation zur Substitution, da diese Störung nur in 2,5 bis
6 Prozent der Fälle durch ein Testosteron-Defizit allein verursacht werde. Meistens
lägen Gefäßstörungen zugrunde. Das erkläre auch die Tatsache, daß bei Diabetikern
häufiger erektile Dysfunktionen auftreten.
Schill machte klar, daß Testosteron-Präparate zur Verbesserung der
Spermatogenese ungeeignet sind: "Die physiologischen Androgenkonzentrationen im
Hoden liegen bis zum Faktor 100 über dem der Blutserumspiegel." Wolle man durch
parenterale Testosteronapplikation die intratestikuläre Konzentration deutlich
erhöhen, bräuchte man Dosen von mehr als einem Gramm pro Tag. Schill gab
jedoch zu, daß niedrig dosiertes Testosteron günstige Effekte auf die Nebenhoden
ausübe. Reifung und Transport der Spermatozoen werden verbessert.
Transskrotale Applikation imitiert physiologischen Tagesspiegel
Die Entwicklung eines Hormon-Pflasters für den Mann stieß zunächst auf
Schwierigkeiten. "Beim Mann müssen hohe Dosen im Bereich der
Testosteron-Eigenproduktion von etwa 6 Milligramm pro Tag appliziert werden",
erklärte Professor Dr. Eberhard Nieschlag von der Westfälischen
Wilhelms-Universität, Münster. Zum Vergleich: Die Estradioldosis in
Hormonpflastern für die Frau liegt im Mikrogrammbereich. Das von Ferring und
Alza gemeinsam entwickelte Hormonpflaster (Testoderm) nutzt die gute
Resorptionsfähigkeit der Skrotalhaut aus. Die Hodensackhaut ist bis in die obersten
Epithelschichten gut durchblutet.
Testoderm besteht aus 40 oder 60 cm2 großen Polymermembranen, die mit 10
beziehungsweise 15 Milligramm Testosteron beladen sind. Jeden Tag neu in den
Morgenstunden auf die Skrotalhaut geklebt, werden Serumtestosteronspiegel
erreicht, die dem circadianen Rhythmus entsprechen. Das sei der entscheidende
Vorteil gegenüber bisherigen Testosteron-Präparaten, die oral oder intramuskulär
verabreicht werden, informierte Nieschlag. Auch Implantate geben anfangs zu große
Hormonmengen ab.
Da die Skrotalhaut eine hohe 5a-Reduktase-Aktivität aufweist, wird Testosteron in
hohem Prozentsatz zu Dihydrotestosteron (DHT) metabolisiert. So liegen denn auch
die Serum-DHT-Konzentrationen der Patienten über dem oberen Normalwert, und
der DHT-Testosteronquotient ist erhöht. Testosteron- und Estradiolwerte liegen im
Normbereich.
Langzeituntersuchungen von bis zu acht Jahren haben nach den Ausführungen
Nieschlags ergeben, daß die erhöhten DHT-Spiegel keinen negativen Einfluß auf die
Entwicklung der Größe der Prostata haben. Vermutungen, daß die Konzentration
des prostataspezifischen Antigens (PSA) und damit das Prostatakarzinomrisiko
ansteigen, haben sich laut Nieschlag nicht bestätigt. Trotzdem rät er zu
Kontrolluntersuchungen einmal im Jahr. PSA-Wert-Bestimmung, Blutbild- und
Fettwert-Überprüfung seien bei Testosteron-Substituierten dringend anzuraten.
Beeinträchtigungen des Fettstoffwechsels seien im Bereich des möglichen.
Vorteil des transskrotalen therapeutischen Systems ist, daß es wegen der guten
Penetrationsmöglichkeit keinen Enhancer enthält. Hautirritationen kommen deshalb
selten vor. Während Testoderm in den USA bereits auf dem Markt ist, wartet
Androderm in den USA gerade auf die Zulassung. Androderm ist ein transdermales
Testosteronpflaster, das auf Bauch oder Oberarm geklebt wird. Für diesen
Transportweg ist wiederum ein Enhancer notwendig. Hautreizungen sind die Folge.
Zur Substitution müssen zwei Systeme (Testosteron-Reservoir und Enhancer) für 24
Stunden täglich aufgetragen werden.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Salzburg
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