Pharmazie
Miconazol ist ein synthetisches Imidazolderivat, dessen Wirkspektrum
Pilze und grampositive Keime umfaßt. Miconazol-Gel ist zur lokalen
Applikation in den angelsächsischen Ländern rezeptfrei erhältlich. Nach
systemischer Gabe kommt es zur Hemmung einiger
Cytochrom-P450-Isoenzyme, so daß mit Wechselwirkungen von
Arzneistoffen zu rechnen ist, die über diese Enzymsysteme metabolisiert
werden.
Hierzu gehört auch der Vitamin-K-Antagonist Warfarin, bei dem aufgrund der
geringen therapeutischen Breite Wechselwirkungen besonders gravierend sein
können. Im Gegensatz zur systemischen Applikation gilt die orale Applikation von
Miconazol in Gelform in dieser Hinsicht als weniger kritisch, da nur von einer
geringen Resorption ausgegangen wird. Ein Fallbericht im British Medical Journal
(1997, S. 349) läßt jedoch anderes vermuten.
So erhielt ein gut auf Warfarin eingestellter Patient zur Therapie einer oralen
Candidiasis zusätzlich viermal täglich 5 ml des Miconazol-Gels verordnet. Unter
dieser Therapie kam es zu einem dramatischen Anstieg der Warfarinwirkung, so daß
beide Arzneistoffe abgesetzt werden mußten. Danach kam es zu einer langsamen
Besserung, und nach zwei Wochen konnte der Patient erneut auf Warfarin eingestellt
werden. Die ansonsten verordnete Therapie mit Metoprolol, Diltiazem, ASS (75
mg), ISDN und Omeprazol konnte unverändert weitergeführt werden. Es ergab sich
kein Hinweis auf eine mögliche Wechselwirkung mit Warfarin.
In der Literatur sind zwei weitere Fälle der Wirkungsverstärkung von Warfarin mit
Miconazol bekannt. Gleiches gilt für andere orale Antikoagulanzien wie Phenindion,
Phenprocoumon und Nicoumalon.
Diese Befunde belegen allesamt, daß Miconazol nach oraler Gabe resorbiert wird
und daß die resorbierten Wirkstoffmengen ausreichen, um bei dieser
Arzneistoffgruppe zu klinisch relevanten Wechselwirkungen zu führen. Die
Packungsbeilage und Fachinformation des Miconazol-Gels im angelsächsischen
Raum enthält bislang keinen Hinweis auf diese Tatsache, und es ist daher zu fordern,
daß Ärzte und Apotheker die Patienten in diesem Sinne beraten.
In Deutschland stellt sich diese Problematik nicht in gleichem Ausmaß, da
Miconazol-Gel verschreibungspflichtig ist, nur zur Anwendung bei Säuglingen und
Kindern zugelassen ist sowie die Packungsbeilage einen entsprechenden Hinweis zu
Wechselwirkungen enthält. Die für Erwachsene zugelassenen Tabletten enthalten
gleichfalls diesen Hinweis.
PZ-Artikel von Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden
© 1997 GOVI-Verlag
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