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Medizinmänner und Screeningroboter

17.08.1998  00:00 Uhr

- Pharmazie

Govi-Verlag

Medizinmänner und Screeningroboter

Vor knapp 100 Jahren reiste Charles Henry Stevens auf Anraten seines Arztes nach Südafrika. Der Engländer hoffte, das Klima lindere seine schwere Tuberkulose. Im heutigen Lesotho traf der Lungenkranke einen Medizinmann vom Stamm der Zulu, der ihm gegen seine Beschwerden eine zerriebene Wurzel gab. Stevens nahm das Mittel ein und kehrte im folgenden Jahr völlig geheilt heim.

Die Geschichte der südafrikanischen Wurzel ist kein Einzelfall. Viele Phytopharmaka wurden entdeckt, weil reisende Ärzte, Apotheker und Botaniker von traditionellen Heilern auf die richtige Fährte gebracht wurden.

Mit Hilfe automatisierter Screening-Methoden können Forscher heute täglich bis zu 5.000 Einzelproben pharmakologisch untersuchen. Der hohe Durchsatz führt dazu, daß der Pharmaindustrie allmählich synthetisch-chemische Substanzen ausgehen und deshalb immer häufiger Robotanlagen mit Naturstoffen gefüttert werden.

"Wir erleben eine Renaissance der Naturstoffchemie", sagte Professor Dr. Dieter Marmé von der Klinik für Tumorbiologie, Freiburg, auf einer von Schwabe ausgerichteten Pressekonferenz in Karlsruhe. Die Natur sei der beste Chemiker. Die Suche nach neuen therapeutisch wirksamen Naturstoffen habe sich in den vergangenen Jahren spürbar verstärkt. In der ungeheuren Artenvielfalt fänden Forscher immer wieder Ausgangspunkte für Innovationen.

Marmé und seine Arbeitsgruppe arbeiten mit der Firma Schwabe und dem Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Jena an einem Forschungsprojekt zur Erschließung neuer Naturstoffquellen. Ziel des vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) geförderten Projekts ist es, neue Naturstoffe zur Behandlung der Alzheimer Krankheit, von Arteriosklerose und Krebs zu entdecken. Hierbei werden verschiedene robotergestützte Screening-Methoden eingesetzt.

"Als Screening-Modell für Morbus Alzheimer haben wir die im Gehirn vorkommende Proteinkinase C-y, für Krebserkrankungen die Raf-Kinase und für Arteriosklerose die PDGF-Rß-Tyrosin-Kinase ausgewählt", sagte Dr. Clemens Erdelmeier, Leiter der Abteilung Naturstoffe II bei Schwabe. Aktivatoren der Proteinkinasen seien potentielle Wirkstoffe zur Behandlung von Alzheimer. Blockiere man dagegen eine spezielle Kinase, so könne das Krebswachstum gebremst werden.

Bei der Signalverarbeitung im Inneren der Zelle nimmt der biochemische Prozeß der Proteinphosphorylierung mit den daran beteiligten Enzymen (Proteinkinasen) eine Schlüsselstellung ein. Die Kinasen sind neben G-Proteinen als molekulare Schaltelemente notwendig.

Zunächst wurden in der Klinik für Tumorbiologie drei Proteinkinasen als Zielmolkül identifiziert und biotechnologisch produziert. Die Freiburger benutzten dazu DNA eines rekombinanten Baculovirus und vermehrten sie im Kern einer Insektenzelle. "Inzwischen haben wir mit Hilfe eines Roboters 4.000 Proben auf Aktivierung beziehungsweise Inhibierung dieser Kinasen getestet," berichtete Dr. Christoph Schächtele von der Klinik für Tumorbiologie. Der Roboter erlaube die Analyse von circa 1.500 Proben pro Tage. Gefundene Treffer würden derzeit in zellulären Testsystemen weiter analysiert. Zuletzt erprobe man die Substanzen in einem Tiermodell.

Neben pflanzlichen Naturstoffen, die bei Schwabe hauptsächlich aus tropischen und subtropischen Arten extrahiert werden, arbeitet ein Team unter der Leitung von Professor Dr. Matthias Hamburger, Universität Jena, Proben aus ungewöhnlichen Organismen auf. Die Extrakte aus Insekten, Pilzen und anderen Organismen sollen dann dasselbe Screening in Freiburg durchlaufen.

In einem bereits 1997 abgeschlossenen BMBF-Projekt untersuchte Schächtele mit seiner Crew mehrere tausend Pflanzenproben. Sechs Substanzen mit einer potentiellen Wirkung auf Proteinkinasen blieben übrig und befinden sich nach Angaben von Schwabe in der klinischen Prüfung.

Rund um den Globus schlummern Naturstoffe, die möglicherweise spezifisch gegen Krebs oder Alzheimer wirken. Die Suche gleicht einer Sisyphusarbeit. Vielleicht hilft da manchmal der Rat eines Medizinmannes weiter. Erst 1972 klärten Botaniker und Pharmakologen die Identität der Eingangs erwähnten Pflanze namens Umckaloabo auf. Inzwischen wurden Inhaltsstoffe und Wirkung des als Pelargonium sidoides identifizierten Gewächses in umfangreichen pharmakologischen und klinischen Untersuchungen dokumentiert.

PZ-Artikel von Ulrich Brunner, Karlsruhe
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