Laxantien niedrig dosieren |
| 10.07.2000 00:00 Uhr |
In einer therapiebegleitenden zweiwöchigen Anwendungsbeobachtung haben 40 niedergelassene Ärzte die Verträglichkeit und Wirksamkeit eines niedrig dosierten Bisacodyl-Präparates*) bei Patienten mit akuter und habitueller Obstipation dokumentiert. Im Verlauf des Beobachtungszeitraumes kam es unter Therapie zu einer deutlichen Zunahme der wöchentlichen Stuhlfrequenz sowie der Stuhlkonsistenz. Die Hälfte der Patienten konnte in der zweiten Woche den Medikationsbedarf auf ein Dragee pro Tag reduzieren. Die Ergebnisse der Anwendungsbeobachtung zeigen, dass eine Obstipation auch mit Minimaldosen therapiert werden kann.
Die Obstipation mit ihren verschiedenen Ursachen und Verlaufsformen nimmt unter den gesundheitlichen Beeinträchtigungen als typisches und weit verbreitetes Zivilisationsleiden eine Spitzenposition ein (1, 2). Nicht jede subjektiv empfundene Verstopfung muss behandelt werden. Medizinisch gesehen ist die Obstipation eine über mehrere Tage verzögerte und zu seltene Entleerung von zu trockenem und hartem Stuhl. Berücksichtigt wird bei dieser Definition, dass die normalen individuellen Schwankungen relativ groß sind. Sie können von zwei bis drei Entleerungen pro Tag bis zu einer Stuhlfrequenz von dreimal pro Woche reichen (3).
Pathophysiologisch ist die Obstipation auf eine verzögerte Darmpassage bei normalem Defäkationsmechanismus und/oder einen gestörten Entleerungsreflex zurückzuführen (4, 5). Organisch bedingte Obstipationen sind verhältnismäßig selten, sollten aber bei länger anhaltenden Beschwerden bei der Diagnose berücksichtigt werden. In den meisten Fällen liegt der Obstipation eine funktionelle Störung des Darmes zu Grunde, ausgelöst zum Beispiel durch ungesunde Ernährungs- und Lebensgewohnheiten, Kostwechsel, Reisen, Bettlägerigkeit, Schwangerschaft oder psychogene Fehlhaltungen zur Defäkation.
Die Behandlung der Obstipation muss differenziert erfolgen. Insbesondere bei der habituellen Obstipation ist die Anleitung zu richtiger Verhaltensweise inklusive einer physiologischen Ernährung die wichtigste Voraussetzung für eine dauerhafte Behebung der Darmstörung. Ist eine medikamentöse Therapie erforderlich, so sollte sie in so geringen Einzeldosen wie unbedingt notwendig durchgeführt werden.
Laxantien gehören, nicht zuletzt wegen ihrer freien Verfügbarkeit, zu den am häufigsten eingenommenen Medikamenten (6). Mit den pflanzlichen und synthetischen Sekretagoga beziehungsweise Antiresorptiva wurde 1990 eine wichtige Gruppe der Abführmittel der Apothekenpflicht unterstellt. Die Beratung über den sinnvollen Gebrauch von Laxantien auch durch den Offizinapotheker hat somit an Bedeutung gewonnen. Unter den zur medikamentösen Therapie eingesetzten Laxantien spielt die Triarylmethan-Verbindung Bisacodyl eine bedeutende Rolle. Sie gehört zu den gut untersuchten und weltweit angewendeten laxativ wirkenden Stoffen.
Dass eine zurückhaltende, individuell angepasste Laxantienbehandlung nicht nur möglich ist, sondern auch zu dem erwünschten Therapieziel führt, konnte in einer Anwendungsbeobachtung mit Bisacodyl (2,5 mg Wirkstoff pro Dragee) gezeigt werden.
Patientengut und Methodik
In der multizentrischen, nach den neuen Richtlinien des Bundesministeriums für Arzneimittel und Medizinprodukte durchgeführten Anwendungsbeobachtung wurden die Daten zur Verträglichkeit und Wirksamkeit von 198 Patienten, bei denen die medikamentöse Behandlung ihrer Obstipation indiziert war, dokumentiert. An der Anwendungsbeobachtung nahmen 40 Arztpraxen, vorwiegend Internisten und Ärzte für Allgemeinmedizin teil. Die Planung und Auswertung der Anwendungsbeobachtung erfolgte durch die Arbeits- und Forschungsgemeinschaft für Arzneimittel-Sicherheit (AfA), Köln.
Bei Aufnahme in die Anwendungsbeobachtung wurden die soziodemographischen Daten, Begleiterkrankungen und deren medikamentöse Behandlung sowie die wöchentliche Stuhlfrequenz und Stuhlbeschaffenheit erfasst. Zur Dokumentation des Behandlungsverlaufs erhielten die Patienten bei Aufnahme sowie am ersten Kontrolltermin am achten Tag der Anwendungsbeobachtung ein Patiententagebuch, das sie täglich mit Angaben zur Einnahmehäufigkeit des Präparates, Stuhlfrequenz und Stuhlbeschaffenheit führen sollten.
Bei den nach sieben beziehungsweise vierzehn Tagen vorgesehenen Kontrollen wurden zusätzlich unerwünschte Ereignisse sowie am Ende der Beobachtungsphase der Eindruck von Patient und Arzt zur Wirksamkeit und Verträglichkeit festgehalten. Die Compliance wurde vom Arzt bei den Kontrollen nach Gespräch mit dem Patienten als gut oder schlecht eingeschätzt. Einen Anhaltspunkt boten die Eintragungen der Patienten zur Einnahmehäufigkeit des Präparates, Stuhlfrequenz und Stuhlbeschaffenheit im Patiententagebuch.
Entsprechend den heute allgemein gültigen Therapierichtlinien für den Gebrauch von Laxantien wurden die Patienten vom Arzt angehalten, bei Erreichen eines normalen Stuhlgangs die Einnahme von anfangs zwei Dragees täglich auf ein Dragee zu reduzieren. Fast drei Viertel der Patienten waren weiblichen Geschlechts, das mittlere Alter des Patientenguts betrug bei 56 ± 13,9 Jahre, bei einer durchschnittlichen Körpergröße von 168 cm und einem mittleren Körpergewicht von 74 kg. Der überwiegende Teil der Patienten gab an, Normalkost zu sich zu nehmen, 11 Prozent der Patienten hielten Diät.
53,9 Prozent der Patienten ernährte sich nach eigenen Angaben kohlenhydratreich, 37,6 Prozent gaben an, ausreichend, 53,9 wenig Bewegung zu haben. 38,8 Prozent hatten eine Vorbehandlung mit Laxantien, überwiegend mit Sekretagoga/Antiresorptiva gefolgt von Osmolaxantien in Form der Selbstbehandlung, 9 Prozent eine Diät vorzuweisen. 35,4 Prozent des Kollektivs gab an, sich bisher keiner Behandlung der Obstipation unterzogen zu haben. Bei circa 70 Prozent der Patienten lag nach Angaben der Ärzte eine in der Regel schon jahrelange, habituelle Obstipation, bei den übrigen eine akute Obstipation vor.
Circa drei Viertel der Patienten wiesen eine Stuhlganghäufigkeit von maximal dreimal pro Woche auf. Die Stuhlkonsistenz wurde bei 64 Prozent der Patienten als geformt hart, bei 23,6 Prozent als geformt fest beschrieben. Bei 106 Patienten (59,5 Prozent) mit Begleiterkrankungen dominierten die Hypertonie (n = 38), gefolgt von rheumatischen Erkrankungen (n = 14) und koronaren Herzerkrankungen (n = 10). Unter den Begleitmedikationen waren am häufigsten Herzkreislaufmittel, gefolgt von Analgetika/Antirheumatika vertreten.
Zu einem vorzeitigen Behandlungsende kam es bei insgesamt 23 Patienten. Die Gründe waren Beschwerdefreiheit (n = 8), Nichterscheinen/keine näheren Angaben/schlechte Compliance (n = 10), unerwünschte Wirkung (n = 1), unzureichende Wirkung der Therapie/schlechte Compliance (n = 2) sowie zu starke Wirkung (n = 2). Die Prüfärzte bezeichneten am Behandlungsende die Compliance der Patienten in 87,1 Prozent der Fälle als "gut".
Verträglichkeit
Zur Beurteilung der Verträglichkeit wurden die Daten aller Kranken von der Aufnahme bis zum letzten gültigen Kontrollzeitpunkt erfasst, unabhängig von der Behandlungsdauer, der Qualität der Compliance, der Begleitmedikation und einem eventuellen Behandlungsabbruch.
Im Verlauf der Beobachtung gab ein Patient ein unerwünschtes Ereignis an. Sechs Tage nach Therapiebeginn wurde bei dem Patienten ein hochfebriler Harnwegsinfekt, verbunden mit Enteritis mit Exsikkose, dokumentiert. Die Prüfmedikation wurde abgesetzt und der Patient ins Krankenhaus eingewiesen. Es bestand keine Kausalität zur Prüfmedikation.
Die Verträglichkeit wurde am Ende der therapiebegleitenden Anwendungsbeobachtung sowohl vom Patienten als auch vom Arzt abschließend beurteilt. Sie wurde von beiden Gruppen relativ guter Übereinstimmung und positiv eingeschätzt: 49,5 Prozent (n = 98) des gesamten Patientengutes hielten sie für "sehr gut", 34,8 Prozent (n = 69) für "gut" und lediglich 5,1 Prozent (n = 10) für "ausreichend". Die Ärzte beurteilten die Verträglichkeit bei 46 Prozent (n = 91) der Patienten als "sehr gut", in weiteren 42,9 Prozent (n = 85) der Fälle als "gut". In drei Fällen (1,5 Prozent) lautete das Urteil "ausreichend".
Wirksamkeit
Von 198 Patientendokumentationen konnten 178 zur Bewertung der Wirksamkeit herangezogen werden. Ausschlussgründe waren falsche Diagnose, laxative Begleittherapie, keine Folgekontrolle, Beobachtungszeitraum über 24 Tage. Es kam im Verlauf der Therapie zu einer deutlichen laxativen Wirkung.
Die mittlere wöchentliche Stuhlfrequenz des Kollektivs nahm von anfänglich 2,98 ± 1,52 auf 5,8 ± 2,21 nach sieben Tagen Behandlung zu. Die Stuhlganghäufigkeit blieb mit 6,04 ± 1,96 am Abschluss der Anwendungsbeobachtung nahezu gleich. Am Ende der Therapie hatten 50 Prozent der Patienten mindestens sechsmal, 25 Prozent drei- bis viermal in der Woche Stuhlgang. Am Ende der Behandlung wiesen von den 178 Patienten nur zwei Patienten eine nur zweimalige Defäkation pro Woche auf.
Bei Aufnahme gaben rund zwei Drittel der Patienten eine "geformt harte", circa ein Viertel eine "geformt feste" Stuhlkonsistenz an. Nach der Therapie wurde die Stuhlbeschaffenheit überwiegend als "geformt fest" beziehungsweise "geformt weich" beschrieben. Lediglich drei Patienten wiesen einen wässerigen Stuhlgang auf.
Die zuverlässig eintretende Wirkung der Medikation auf die Stuhlganghäufigkeit und -beschaffenheit schlug sich in dem abschliessenden positiven Urteil zur Wirksamkeit nieder. Zwischen Arzt- und Patientenurteil bestand eine recht gute Übereinstimmung: Die Prüfärzte bewerteten am Ende der Behandlung die Wirksamkeit in 42,7 beziehungsweise 43,8 Prozent der Fälle mit "sehr gut" oder "gut", lediglich in elf Fällen mit "ausreichend" und bei einem Patienten mit "unbefriedigend". 50 Prozent beziehungsweise 36 Prozent der Patienten hielten die Wirksamkeit der Medikation für "sehr gut" oder "gut"; ein Patient bezeichnete die Therapie als "unbefriedigend".
Bei Therapiebeginn wurde den Patienten die Einnahme von zwei Bisacodyl-Dragees, abends vor dem Schlafengehen, empfohlen. Nach Normalisierung des Stuhlgangs sollte die Dosierung auf ein Dragee reduziert werden. Konnte die Obstipation mit zwei Dragees nicht behoben werden, sollte die Dosierung auf drei Dragees erhöht werden.
Die Auswertung der Patiententagebücher ergab, dass der mittlere tägliche Verbrauch von 1,84 ± 0,62 am ersten Behandlungstag auf 1,32 ± 0,64 Dragees am letzten Beobachtungstag abnahm. Über die Hälfte der Patienten nahmen am ersten Behandlungstag zwei Dragees und ein Viertel der Patienten ein Dragee ein. Am letzten Behandlungstag lag die Tagesdosis bei circa 50 Prozent der Patienten nur noch bei einem Dragee und bei 25 Prozent des Kollektivs bei zwei Dragees.
Diskussion
Die Gefahren der Selbstmedikation mit Laxantien in Bezug auf potentiellen Missbrauch sind allgemein bekannt. Hier haben aufklärende Patientengespräche durch den Arzt oder Apotheker einen grossen Stellenwert. Physikalische und diätetische Maßnahmen sollten insbesondere bei habituell Obstipierten im Vordergrund stehen. Sie lassen sich im Alltag aber oftmals nur schwer durchführen oder verlangen vom Patienten eine Disziplin, der er oft nicht gewachsen ist.
Eine Behandlung der habituellen Obstipation mit Laxantien sollte grundsätzlich zurückhaltend erfolgen. Basistherapie der habituellen Obstipation besteht nach allgemein anerkannter Auffassung in der Gabe von Ballaststoffen. In bestimmten Fällen ist jedoch auch unter medizinischen Aspekten eine bedarfsorientierte Gabe von Laxantien indiziert: Ballaststoffe wirken bei Patienten mit ausgeprägter Motilitätsstörung des Darmes nicht oder ungenügend oder können aus anderen Gründen (zum Beispiel Meteorismus, Flatulenz, eingeschränkte Kaufähigkeit) schlecht toleriert werden (6).
Der vielfach beobachtete übermäßige Gebrauch von Laxantien zur Stuhlregulierung ist nicht notwendig, wie die Ergebnisse dieser Anwendungsbeobachtung zeigen.
Mit Minimaldosen, das heißt mit Tagesdosen von nur 2,5 bis 5 mg Bisacodyl wurde das erwünschte Therapieziel erreicht. Dies äußerte sich sowohl in der deutlichen Zunahme der Stuhlfrequenz als auch in der Verbesserung der Stuhlkonsistenz.
Die Verträglichkeit wurde von den Ärzten und Patienten in 92 Prozent der Fälle mit sehr gut oder gut beurteilt. In keinem Fall wurde eine unerwünschte Wirkung, die kausal mit dem Präparat in Zusammenhang zu bringen ist, registriert. Dokumentiert wurde eine Abnahme des täglichen mittleren Verbrauchs von anfänglich 1,84 auf 1,32 Dragees nach 14 Tagen Behandlung.
Eine Einzeldosis des hier dokumentierten Präparates enthält 2,5mg Bisacodyl und erlaubt unter dem Gesichtspunkt einer effektiven minimalen Dosierung eine individuelle Therapie der Obstipation. Insgesamt sprechen die vorliegenden, unter Praxisbedingungen gewonnenen Ergebnisse für eine sehr positive Nutzen-Risiko-Bewertung von Bisacodyl-Dragees 2,5 bei der Behandlung von Patienten mit akuter oder habitueller Obstipation.
*) Bekunis Dragees Bisacodyl 2,5, Roha Arzneimittel
Für die Verfasser:
Wolfgang Silber,
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