Pharmazie
Obwohl praktisch
alle gebräuchlichen Lipidsenker auch auf das
LDL-Cholesterol wirken, wird es durch die
Gallensäuresequestrantien und die
HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren am effektivsten gesenkt.
Dagegen reduzieren Nikotinsäurederivate und Fibrate
bevorzugt die Triglyceride. Für den richtigen Einsatz
eines bestimmten Lipidsenkers oder einer Kombination sind
Überlegungen zum individuellen Gesundheitszustand des
Patienten unerläßlich. Unter Beachtung des vorliegenden
Wirkmechanismus, der möglichen unerwünschten Wirkungen
und möglichen Arzneimittelwechselwirkungen ist eine
optimierte lipidsenkende Behandlung sicher und wirksam.
Wenn eine Diät und Änderungen der Lebensgewohnheiten
nicht ausreichen, um die Blutlipidspiegel zu
normalisieren, kommen zusätzlich zur
nichtmedikamentösen Grundbehandlung Lipidsenker zum
Einsatz. Bei einer konkreten Entscheidung für einen
Patienten müssen verschiedene Aspekte bedacht werden.
Sicherlich bestimmen Art (Hypercholesterolämie oder
Triglyceridämie im Vordergrund) und Ausmaß der
Blutlipidveränderung die Notwendigkeit einer
medikamentösen Behandlung. Hierbei sollten die
Blutlipide, inklusive Differenzierung in Triglyceride
(TG), Gesamtcholesterol, LDL- und HDL-assoziiertes
Cholesterol an verschiedenen Tagen wiederholt werden.
Die untere Interventionsgrenze für eine Senkung des
Cholesterols wird durch zusätzliche Risikofaktoren,
insbesondere durch bereits existierende
atherosklerotische Erkrankungen wie koronare
Herzkrankheit, Herzinfarkt und andere mitbestimmt. Die
kontroverse Diskussion um eine untere Grenze von zum
Beispiel 200 mg/dl Gesamtcholesterol ist deshalb müßig.
Bei zusätzlichen Risikofaktoren kann die untere Grenze
auch wesentlich niedriger liegen, wie in der
Sheffield-Tabelle für einzelne Risikofaktoren und deren
kombiniertes Auftreten ausgewiesen.
Der bevorzugte Einsatz der einzelnen Lipidsenkerklassen
zur Cholesterolsenkung oder zur Triglyceridverringerung
erklärt sich aus ihrem Wirkmechanismus. Primärer
molekularer Wirkmechanismus der Statine (Fluvastatin,
Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin) ist eine Hemmung
der HMG-CoA-Reduktase, des Schlüsselenzyms der endogenen
Cholesterolbiosynthese. Klinische Auswirkung ist, daß
durch die indirekt erfolgende Hochregulation der
LDL-Rezeptoren (LDL-R) in der Leber vermehrt
LDL-Cholesterol aus dem Blut extrahiert wird.
Anionenaustauscher oder Sequestrantien wie Colestyramin
oder Colestipol unterbrechen den enterohepatischen
Kreislauf der Gallensäuren, indem sie diese im Darmlumen
binden und die Ausscheidung mit dem Stuhl erhöhen.
Indirekt zieht dies eine erhöhte Nachsynthese von
Gallensäuren aus Cholesterol in der Leber nach sich.
Aufgrund der relativen Cholesterolverarmung kommt es
wiederum zu einer Hochregulation der LDL-Rezeptoren in
der Leber. Die Hauptwirkung von Nikotinsäure auf die
Triglyceride wird dagegen mit einer verminderten
Freisetzung von VLDL aus der Leber und damit einer
Abnahme der aus der VLDL-Fraktion entstehenden
LDL-Fraktion erklärt. Zudem soll Nikotinsäure die
Freisetzung von freien Fettsäuren aus dem Fettgewebe
vermindern. Als primärer Wirkmechanismus der Fibrate
wird eine erhöhte Aktivierung der Lipoproteinlipase
(LPL), des Schlüsselenzyms für den Abbau der VLDL
diskutiert. Dies vermindert den Triglyceridspiegel.
Obwohl alle Lipidsenker wegen der metabolischen
Wechselwirkung im Lipoproteinstoffwechsel praktisch
sämtliche Lipidparameter beeinflussen, können sie nach
ihrem vorherrschenden Effekt eingeteilt werden. Dies
bedeutet, daß die Statine und Colestyramin aufgrund
ihrer Cholesterolsenkung bevorzugt angewendet werden,
wenn eine Hypercholesterolämie im Vordergrund der
Lipidstoffwechselstörung steht. Umgekehrt sollten
Fibrate und Nikotinsäure bevorzugt bei Triglyceridämie
eingesetzt werden, wenn eine Cholesterolerhöhung von
nachgeordneter Bedeutung ist.
Für klinische Zwecke kann man die Dyslipidämien
grundsätzlich in primäre und sekundäre Formen
unterteilen, wobei erstere eine genetische Ursache haben.
In seltenen Fällen liegt eine monogenetische Störung
zugrunde, wie bei der familiären Hypercholesterolämie,
bei der eine Abnormalität im Gen für den LDL-Rezeptor
zur gestörten Aufnahme von LDL-Cholesterol in die Leber
führt. Zu beachten ist hierbei, daß nur die
heterozygote Form einer Behandlung mit Statinen
zugänglich ist; bei der homozygoten Form ist eine
Induktion des LDL-Rezeptors nicht möglich, da er
vollständig fehlt oder defekt ist. Die häufigste Form
der primären Hypercholesterolämie ist die
polygenetische Hypercholesterolämie.
Abgesehen von der obengenannten Ausnahme sind alle Formen
der primären Hypercholesterolämie mit Statinen oder
Sequestrantien (Anionenaustauscher Colestyramin) zu
behandeln. Ideal wäre eine synergistisch wirkende
Kombination beider Therapieprinzipien für eine
nachhaltige Cholesterolsenkung, jedoch scheidet
Colestyramin wegen Complianceproblemen und einer Reihe
von Interaktionen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten
für eine langfristige Behandlung praktisch aus.
Sekundäre Dyslipidämien werden von Umwelteinflüssen
und Erkrankungen wie Diabetes, Hypothyreodismus und
Nephrotischem Syndrom oder Rauchen verursacht. In vielen
Fällen läßt sich allerdings keine genaue Ursache
ausmachen. Auch hier richtet sich die Therapie nach der
im Vordergrund stehenden Dyslipidämie, eventuell
Kombinationstherapie bei gemischten
Fettstoffwechselstörungen.
Bei Diabetes bietet sich beispielsweise wegen der
vorwiegenden Hypertriglyceridämie eine Behandlung mit
Fibraten an. Eine optimale Einstellung des Diabetes mit
Zuckerkontrolle und Diät sowie Änderung der
Lebensgewohnheiten ist hier besonders wichtig, auch
hinsichtlich der Dyslipidämie. Beim Nephrotischen
Syndrom sind bei erhöhtem LDL-Cholesterol Statine
indiziert. Obwohl Fibrate wegen der hier auftretenden
Triglyceridämie indiziert wären, können sie wegen
Akkumulation und Verstärkung der Niereninsuffizienz
Probleme verursachen. Eine Hypertriglyceridämie nach
Organtransplantation ist sicher und effektiv durch
Gemfibrozil zu senken. Dagegen ist beim Gebrauch von
Statinen Vorsicht geboten, da sie bei gleichzeitig
notwendiger Immunsuppression mit Ciclosporin die Gefahr
einer eventuell tödlich verlaufenden Rhabdomyolyse
(Auflösung quergestreifter Muskelfasern)
heraufbeschwören.
PZ-Artikel von Sabine H. Bodem, Karlstein
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