Pharmazie
Levodopa stellt nach wie vor das wirksamste symptomatische
Therapieprinzip des Morbus Parkinson mit dem besten
Nutzen-Risiko-Verhäftnis dar. Dies war in letzter Zelt aber von
verschiedenen Experten angezweitelt worden. Experimentelle
Untersuchungen an Zellkulturen und Tiermodellen zeigten Hinweise auf eine
potentielle Neurotoxizität der Substanz. Dieser Vorwurf wurde jetzt aber als
nicht haltbar vom Tisch gewiesen.
Durch eine Levodopa-Therapie erhalten die Patienten ihre Bewegungsfähigkeit
zumindest zum Teil wieder zurück. Die Besserungen halten im Schnitt etwa drei bis
fünf Jahre an, dann kommt es jedoch zu Komplikationen. Mit der unaufhaltsam
sinkenden Zahl von Neuronen verliert Levodopa seine Wirkung teilweise wieder. Je
länger man mit Levodopa therapiert, desto stärker schwankt seine Wirkung.
Der Effekt einer Levodopa-Einzeldosis wird als schwächer empfunden, und die
zeitliche Wirksamkeit ist begrenzt. Flachen die Levodopa-Plasmaspiegel ab, stellen
sich erneut ein starker Tremor, versteifte Muskeln (Rigor) und Bewegungsarmut
(Akinese) ein. Die Patienten können einem unbehandelten Parkinsonkranken
gleichen. Nach Gabe einer neuen Einzeldosis verschwindet die Symptomatik wieder.
Den Phasenwechsel von normaler Beweglichkeit zu gestörten Bewegungsabläufen
bis hin zu Phasen völliger Starre bezeichnet man als Fluktuation. Fluktuationen sind
das zentrale Problem der Langzeitherapie bei Parkinson.
Kritik an Levodopa
Hier setzt die Kritik verschiedener Wissenschaftler an. Experimente an Zellen und
Tiermodellen zeigten, daß aus einer Levodopa-Therapie immer die irreversible
Entwicklung von Dyskinesien und Fluktuationen resultiere. Außerdem beschleunige
Levodopa die Degeneration von zentralen dopaminergen Neuronen durch freie
Radikale und fördere somit die Progression der Erkrankung.
"Wertet man aktuelle Studien zur Levodopa-Toxizität in Gewebekulturen,
Tiermodellen sowie an Menschen aus, kommt man zum Schluß daß Fluktuationen
als Folge des fortgeschrittenen Krankheitsprozesses auftreten und nicht unmittelbar
an die Levodopa-Gabe gekoppelt sind", bezog Dr. Horst Baas, Klinik für
Neurogeriatrie, Stadtkrankenhaus Hanau, auf einem von Hoffman-La Roche
ausgerichteten Symposium Stellung. Eine Konsensus-Konferenz Anfang des Jahres
konstatierte, daß zur Zeit keine validen Daten existieren, die eine durch Levodopa
induzierte Schädigung dopaminerger Neurone hinreichend belegen.
Die bei In-vitro-Untersuchungen in Anwesenheit von Gliazellen aufgetretene
Neurotoxizität von Levodopa rühre von extrem hohen Konzentrationen her, die
außerhalb eines therapeutischen Referenzbereiches gelegen hätten, so Baas. Die
unerwünschten Wirkungen des Levodopas in therapeutischen Konzentrationen
resultierten dagegen zum einen aus der Degeneration zentraler dopaminerger
Neuronen, was bislang nicht verhindert werden kann, zum anderen aus der pulsatilen
Stimulation durch Levodopa.
Mit zunehmender Krankheitsdauer nimmt die Speicherkapazität für Dopamin in
präsynaptischen Neuronen ab. Levodopa besitzt nur eine relativ kurze
Halbwertszeit, und deshalb kommt es zur verkürzten Wirkdauer einer
Levodopa-Einzeldosis. Fluktuationen werden zwar nach den Worten Baas durch
Levodopa getriggert. Nach neueren Erkenntnissen werden sie aber wahrscheinlich
nicht durch strukturelle morphologische Läsionen in den Basalganglien
hervorgerufen. Vielmehr scheint die hochdosierte, pulsatile Stimulation der
Dopaminrezeptoren den Rezeptorstatus und die striatothalamischen Motorloops zu
verändern.
Pharmakokinetik verbessern
Aus diesem Grunde müsse nicht die Levodopa-Therapie an sich neu überdacht
werden. Sinnvoller sei es, an der ungünstigen Pharmakokinetik von Levodopa zu
feilen. Das sei beispielsweise mit der Entwicklung des
COMT-(Catechol-O-Methyltransferase) Hemmers Tolcapon (Tasmat®) gelungen,
so Baas. Tolcapon blockiert das L-Dopa abbauende Enzym COMT sowohl
peripher als auch zentral. Somit steht im Gehirn mehr L-Dopa zur Verfügung. In
Kombinationen mit Levodopa und einem Decarboxylasehemmer reduziert Tolcapon
die Fluktuationen signifikant.
Wer mehr über das Prinzip der COMT-Hemmung erfahren möchte, findet genauere
Angaben in PZ7/97, Seite 534, PZ 18/97, Seite 1491 und PZ 31/97, Seite 2642.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Frankfurt
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