Pharmazie
Ein wesentliches
Ziel der Europäischen Union sind gleiche wirtschaftliche
Bedingungen in allen Staaten. Das bedeutet im
Arzneimittelbereich, daß Entscheidungen über Änderung,
Widerruf oder Fortbestand einer Zulassung einheitlich
gefällt werden müssen. Wer bei welchen Arzneimitteln
entsprechende Maßnahmen ergreift, war Gegenstand eines
Symposiums in Berlin.
Auf dem deutschen Markt, so erläuterte
Professor Dr. Axel Thiele vom Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), gibt es
Arzneimittel verschiedener Zulassungsstufen: Die Mehrzahl
der Präparate hat eine nationale Zulassung. Ungefähr 90
Präparate sind dezentral zugelassen; das bedeutet, daß
sie in einem Land national zugelassen wurden, dann im
Zuge der gegenseitigem Anerkennung auch in anderen
Staaten die Zulassung erhielten; die
Zulassungsbedingungen (Indikationen et cetera) sind
inhaltsgleich. Schließlich gibt es noch zentral
zugelassene Arzneimittel: Der Zulassungsantrag wurde
direkt bei der EU gestellt, die Entscheidung der
Kommission ist bindend für alle Staaten, nationale
Abweichungen sind nicht möglich. Eine zentrale Zulassung
ist für gentechnisch hergestellte Arzneimittel
vorgeschrieben.
Entsprechend diesen unterschiedlichen Zulassungsstatuten
gibt es im Falle unerwünschter Arzneimittelwirkungen
unterschiedliche Risikoverfahren. Für Präparate mit
nationaler Zulassung gelten die nationalen Regelungen.
Bei uns würde also ein Stufenplanverfahren eingeleitet.
Ein gemeinschaftliches Vorgehen innerhalb der EU ist aber
möglich, dann jedoch ist die europäische Entscheidung
für alle Staaten bindend. Über dezentrale Arzneimittel
kann eine Nation nicht mehr im Alleingang entscheiden.
Dasselbe gilt für die zentral Zugelassenen.
Gemeldet wird vom Hersteller an die nationale Behörde,
die einen Bericht an die Arzneimittelbehörde der
Europäischen Kommission (EMEA) weitergibt. Die Bewertung
erfolgt durch den Spezialitätenausschuß der
Europäischen Union (CPMP), der endgültige Bescheid
(binding decision) ergeht durch die Kommission. Der
Wortlaut der europäischen Fachinformation (SPC) ist
darin verbindlich festgelegt. Über den Text in der
Packungsbeilage kann jede Nation innerhalb der
vorgegebenen inhaltlichen Grenzen selber entscheiden.
Genaueres zum Ablauf des Risiko-Verfahrens finden Sie
auch in PZ 5/97, Seite 21.
Gegenstand der Diskussion ist unter anderem die Frage,
welche unerwünschten Arzneimittelwirkungen
meldepflichtig sein sollten: alle
schwerwiegenden" oder nur "schwerwiegende
und unerwartete"? Dabei wird noch einmal zwischen
Nebenwirkungen aus der EU oder aus Drittländern
unterschieden. Ähnliches gilt für "nicht
schwerwiegende" Nebenwirkungen, die in
regelmäßigen Abständen bei den Behörden vorgetragen
werden müssen.
Derzeit gelten verschiedene Regelungen, bei dezentralen
Arzneimitteln müssen nach einer EU-Richtlinie alle
schwerwiegenden Nebenwirkungen gemeldet werden. Die
Datenmasse wachse dadurch immens an, kritisierte Dr.
Martin Pfeiffer von der Bayer AG, Wuppertal. Er brachte
dazu das Standardbeispiel dieser Diskussion: der
Heuhaufen, der so anwachse, daß am Ende die Nadel nicht
mehr zu finden sei. Eine Begrenzung auf relevante
Nebenwirkungen sei anzustreben, forderte er.
Pfeiffer wies aber auch auf die unterschiedlichen
Größenordnungen hin. Ungefähr 5700 Wirkstoffe sind
national zugelassen, 29 dezentral und nur 10 Wirkstoffe
fallen derzeit unter die zentralen Zulassungsregelungen.
Artur Meiners vom Institut für die Beurteilung von
Arzneimitteln aus Rijsijk in den Niederlanden gab zu
bedenken, daß kompromißlose Gleichmacherei"
nicht nur schwierig durchzusetzen, sondern auch nicht in
allen Fällen praktikabel sei. So seien geschmackliche
Differenzen in den einzelnen Ländern ein eher
untergeordnetes Problem; regionale Unterschiede in der
Antibiotikaresistenz erforderten dagegen trotz aller
Harmonisierung eine gewisse Flexibilität der Regularien,
betonte er.
Wesentliches Standbein in der Datenerhebung
unerwünschter Arzneimittelwirkungen sind die
Spontanmeldungen von Ärzten und Apothekern. Der
Informationsaustausch und die Meldewege auf dieser Ebene
bleiben von den europäischen Bestimmungen weitgehend
unberührt, hieß es in Berlin.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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