Pharmazie
Die Osteoporose ist nicht nur vermeidbar, sie ist auch behandelbar. Die
Therapie steht auf drei Säulen: konsequente Bewegung, Versorgung mit
Calcium und Vitamin D3 sowie spezifische Therapeutika. Insbesondere den
Amino-Bisphosphonaten räumte Professor Dr. Dr. Walter Schunack von der
Freien Univesität Berlin einen hohen Stellenwert ein.
Basis der Therapie ist - neben der wirbelsäulenbelastenden und damit
knochenaufbauenden Bewegung - die Versorgung mit Calcium und Vitamin D3.
1000 mg Calcium täglich gilt als Faustregel; diese Menge kann durch die Kost oder
über Tabletten gedeckt werden. Ebenso wichtig ist die tägliche Zufuhr von etwa
1000 I.U. Vitamin D3. Schunack: "Colecalciferol sollte nicht nur am Beginn des
Lebens, sondern auch am Ende gegeben werden." Sehr häufig ist der Mangel bei
alten Menschen und Heimbewohnern, aber auch im Winterhalbjahr. In neunzig
Prozent der Fälle kann das Vitamin D3 gegeben werden, das in Leber und Niere
zum aktiven Hormon 1alpha,25-Dihydroxy-Colecalciferol (Calcitriol) hydroxyliert
wird. Bei Patienten mit Leberschäden, Niereninsuffizienz oder unter Hämodialyse
gibt man Calcitriol oder Alfacalcidol, das 1alpha-Hydroxy-Colecalciferol.
Bekannt ist der hohe präventive Nutzen einer Hormonsubstitution in den
Wechseljahren. Eine zehnjährige Estrogengabe senkt die Frakturrate auf ein Viertel.
Zur Osteoporose-Prophylaxe ist allerdings eine etwas höhere Dosis (2 mg) nötig als
zur Behandlung klimakterischer Beschwerden, betonte Schunack.
Spezifische Ansätze zur Therapie bieten osteoanabole Stoffe wie Fluoride und
Arzneistoffe, die den überschießenden Knochenabbau hemmen wie Calcitonin und
Bisphosphonate. Fluoride sind nicht unproblematisch: Sie haben eine geringe
therapeutische Breite und bauen bei zu hoher Dosis oder zu langer Gabe einen
minderwertigen, spröden Knochen auf. Ihr Einfluß auf die Frakturrate ist strittig.
Heute wird eine Gabe von 15 bis 20 mg Fluoridionen über zwei bis drei Jahre
empfohlen. Im Natriumfluorophosphat (Monofluorphosphat) ist Fluor nicht
anorganisch gebunden und daher besser bioverfügbar und magenverträglich als
Natriumfluorid.
Die Hemmung des gesteigerten Konchenabbaus ist derzeit das wirksamste
Behandlungsprinzip bei der Osteoporose. Früher stand nur Calcitonin zur
Verfügung, doch "diese Stoffklasse wird an Bedeutung verlieren", prognostizierte der
Arzt und Apotheker. Vorteil und daher Indikation für das Polypeptid aus dem Lachs
ist die Linderung osteoporotischer Schmerzen.
Deutlich stärkere Osteoklastenhemmer sind die Bisphosphonate. Sie leiten sich ab
vom körpereigenen Pyrophosphat, das Calcifizierung und Decalcifizierung reguliert.
Der Austausch des Sauerstoffs im Pyrophosphat gegen ein Kohlenstoffatom macht
das Molekül stabiler und ermöglicht zugleich eine Substitution. Zugelassen bei
postmenopausaler Osteoporose sind bislang nur Etidronat und Alendronat, doch
zahlreiche weitere Bisphosphonate stehen in den Startlöchern.
Amino-Bisphosphonate wie Alendronat sind nach Schunacks Einschätzung den
Alkyl-Verbindungen wie Etidronat "haushoch überlegen". Im Gegensatz zu Etidronat
bindet Alendronat aufgrund der basischen Aminogruppe an den Knochenbaustein
Hydroxylapatit, und dies ganz bevorzugt im Bereich der Resorptionsfläche unter
dem Osteoklasten, der die Knochensubstanz mit Hilfe von Säuren und Enzymen
abbaut.. Hier hemmt den Wirkstoff die osteoklastäre Protonenpumpe. Da
Alendronat - wieder im Gegensatz zu Etidronat - die Mineralisation des Knochens
nicht behindert, kommt es in üblichen Dosen nicht zur Osteomalazie. Daher ist
Alendronat zur kontinuierlichen Langzeittherapie (10mg täglich) geeignet, während
Etidronat im dreimonatigen Zyklus eingesetzt wird (14 Tage 400mg/Tag, dann 76
Tage 500mg Calcium täglich). Nach neuen Erkenntnissen kann aber auch Etidronat
niedrig dosiert kontinuierlich gegeben werden.
Alendronat sollte morgens nüchtern mit Leitungswasser oder Calcium- und
Magnesium-armem Mineralwasser eingenommen werden, um die ohnehin geringe
Bioverfügbarkeit von 0,7 Prozent nicht weiter zu verringern (Gefahr der
Komplexbildung mit Kationen). Es gibt keine Wechselwirkungen mit Corticoiden
oder Schilddrüsenhormonen, die ebenfalls morgens nüchtern genommen werden,
erklärte Schunack in der Diskussion.
Seine Stärke bewies Alendronat unter anderem in der FIT-Studie (fracture
intervention trial) an über 2000 Frauen. Der Arzneistoff reduzierte die Zahl von
Wirbelkörperbrüchen gegenüber Placebo um 47 Prozent und die Inzidenz
mehrfacher Wirbelbrüche um 90 Prozent. Hüftgelenksfrakturen nahmen um 54 und
Unterarmbrüche um 48 Prozent ab.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, Meran
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